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Ermutigende Signale aus Brüssel

Bernd Riegert, Brüssel26. März 2004

Die Staats- und Regierungschefs der EU haben am Donnerstag und Freitag (25./26.3.) auf ihrem Frühjahrs-Gipfel in Brüssel Bewegung in einigen zentralen Punkten gebracht. Die Europäer rücken enger zusammen.

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Endlich einmal positive Nachrichten aus Brüssel: Der EU-Gipfel hat entscheidende Fortschritte bei der Verabschiedung der ersten europäischen Verfassung gebracht, die der größeren werdenden Union den passenden Rahmen geben kann. Nach monatelangem Stillstand haben sich die Staats- und Regierungschefs dazu durchgerungen, sich selbst eine Frist bis Juni Mitte zu setzen. Dieser Wandel wurde vor allem durch den Wahlsieg der Sozialisten in Spanien möglich, die in einer doppelten Mehrheit aus Staaten und Bevölkerung bei künftigen Abstimmungen kein Problem sehen. Ohne Spanien wollte auch Polen nicht mehr am toten Vertrag von Nizza festhalten, für dessen Vorteile von mittelgroßen Staaten polnische Politiker vor wenigen Wochen noch symbolisch "zu sterben bereit" waren.

Es spürbarer Ruck ist durch die EU gegangen, der aber leider nicht aus eigenem Antrieb, aus politischer Klugheit zustande kam, sondern grausam von außen angestoßen wurde. Die Terroranschläge von Madrid haben die Union aufgewühlt und kräftig durchgeschüttelt. Die polnische Europa-Ministerin Danuta Hübner sagte wohl zurecht, dass nach dem Terror von Madrid ein Zeichen der Einheit notwendig war. Diese neue Einheit wird der Europäischen Union nun die Verfassung bescheren.

Der Angriff der El Kaida auf Europa hat natürlich auf dem Feld der Terror-Bekämpfung zu neuer Geschlossenheit geführt. Eine lange Liste von Maßnahmen wurde verabschiedet. Aber selbstkritisch mussten die Staats- und Regierungschefs eingestehen, dass die Union seit zweieinhalb Jahren, seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001, an vielen dieser Maßnahmen arbeitet. Sie hätten schon längst umgesetzt sein müssen. Jetzt endlich will man Ernst machen. Hätten die Geheimdienste in der EU, der deutsche und der spanische, besser zusammen gearbeitet und Informationen über Extremisten ausgetauscht, hätte der Anschlag von Madrid vielleicht verhindert werden können? Wer weiß?

Die jetzt vereinbarte verstärkte Zusammenarbeit von Geheimdiensten und Polizeibehörden hat leider auch wieder nur appellativen Charakter. Der Mut zum großen Wurf - zu einer schlagkräftigen supra-nationalen Geheimdienstbehörde der EU - fehlte.

Viele Papiere, aber wenig Taten sind auch beim dritten Gipfel-Thema, bei der gemeinsamen Wirtschaftspolitik in den letzten Jahren produziert worden. Im Jahr 2000 beschlossen die Staats- und Regierungschefs in Lissabon, sie wollten binnen zehn Jahren Europa bei Forschung, Innovation und Wachstum an die Weltspitze führen. Vier Jahre danach mussten sie den überaus kritischen Bericht der EU-Kommission entgegen nehmen, wonach nur ein Bruchteil der beschlossenen Ziele in den Mitgliedsstaaten tatsächlich auch umgesetzt wurden. Der scheidende EU-Kommissionspräsident und Wirtschaftprofessor Romano Prodi zürnte, wenn man so weitermache, sei das hochgesteckte Ziel der Lissabon-Agenda auf keinen Fall mehr zu erreichen.

Der deutsch-französisch-britische Vorschlag zur Verbesserung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit, einen Superkommissar für Wirtschaft zu installieren, stößt auf viel Skepsis bei den kleinen Mitgliedsstaaten. Deutschland und Frankreich als größte Volkswirtschaften in der EU sollten lieber dafür sorgen, dass ihre Konjunktur anzieht, die Staatsfinanzen in Ordnung kommen und die Investitionen in Bildung steigen. Das würde schon einen großen Teil der Lissabon-Ziele automatisch beflügeln. Auch die neue Verfassung wird die Wirtschaftspolitiken zusammenführen.

Wie bei der Verfassung und beim Anti-Terror-Kampf wollen sich die Staats- und Regierungschefs jetzt auch bei der Wirtschaftspolitik bewegen. Sie legen ein klares Bekenntnis zu Reformen und Strukturwandel ab. Vom Frühjahrsgipfel der Union gehen trotz der dunklen Schatten des 11. März insgesamt ermutigende Signale aus.