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Ermordung eines Rebellenführers heizt Unruhen in Pakistan an

Munazza Siddiqui31. August 2006

Die Tötung des belutschischen Nationalistenführers Nawab Akbar Bugti führt zu einer Eskalation der Gewalt in Pakistan. Steht das Land am politischen Abgrund?

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Nach der Ermordung des Rebellenführers Nawab Akbar Bugti kam es zu heftigen UnruhenBild: AP

In Belutschistan, der südwestlichen Provinz Pakistans, schwelt bereits seit Jahrzehnten ein Aufstand. Doch in den vergangenen beiden Unruhejahre nahmen die Anschläge auf Gas-Pipelines, Gleisanlagen, Sicherheitskontrollpunkte und Regierungsinstitutionen dramatisch zu.

Die belutschischen Rebellen forden - unterstützt von nationalistischen Parteien - mehr Autonomie für die Provinzen und einen größeren Anteil an den regionalen Öl- und Gaseinnahmen. Zahlreiche Verhandlungsversuche sind bereits gescheitert. Die aufständischen Stämme unter ihrem Führer Nawab Akbar Khan Bugti werfen der Zentralregierung vor, die Provinzen auszubeuten. Die Regierung dagegen bekämpft die separatistischen Bestrebungen und beschuldigt das benachbarte Indien, die Rebellenbewegung mit Waffen und Geld zu unterstützen.

Auf einen Raketenangriff der Rebellen während des Besuchs von Präsident Pervez Musharraf in Belutschistan im Dezember 2005 hat die Regierung mit einer Militäroperation geführt. Nawab Akbar Khan Bugti, ein früherer Gouverneur Belutschistans, musste aus seiner Stammeshochburg in ein entferntes Höhlenversteck fliehen. Neben dem Vorwurf, für den Tod Dutzender Soldaten und Polizisten verantwortlich zu sein, wurde Bugti häufig vorgeworfen, Privatgefängnisse zu betreiben und seine eigene Armee zu unterhalten.

Ausschreitungen und Anschläge nach Bugtis Tod

Nawab Akbar Khan Bugti
Guter Gouverneur oder ruchloser Rebellenführer? Der 79-jährige Nawab Akbar BugtiBild: AP

Jetzt ist der Rebellenführer tot. Am Samstag (26.8.) kam Nawab Akbar Bugti bei einem Bombenangriff ums Leben. Seine Tötung hat in ganz Belutschistan und in Teilen Sindhs zu Unruhen und Plünderungen geführt. Nach den Trauerfeiern in der Provinzhauptstadt Quetta, an der etwa 10.000 Menschen teilnahmen und die in Ausschreitungen endeten, detonierte eine Bombe in der Stadt Hub. Dabei wurden drei Menschen getötet, acht weitere verletzt. Am Mittwoch (30.8.) verübten mutmaßliche Bugti-Anhänger einen Anschlag auf eine Eisenbahnstrecke 50 Kilometer südlich von Quetta und blockierten Straßen. Laut Polizeiangaben sind bereits über 700 Aufständische festgenommen worden. Beamte haben um paramilitärische Einheiten gebeten, um die Ordnung wiederherzustellen.

Unmittelbar nach dem Vorfall sagte Pakistans Premierminister Shaukat Aziz, das Militär habe auf militante Attacken in der Region Dera Bugti reagiert, Nawab Bugtis Tod sei ein Unfall gewesen. Zwei ehemalige Luftwaffengeneräle haben dem jedoch inzwischen widersprochen und die "Entfernung" Bugtis als Fehler bezeichnet. Luftwaffengeneralmarschall Asghar Khan nannte den Militärschlag "unklug und unnötig".

Die Oppositionsparteien haben den Vorfall als außerrechtliche - und gezielte - Tötung verurteilt; sie verwiesen auf Präsident Musharrafs Ansprache an die Nation vom 20. August. Darin hatte Musharraf die nationalistischen belutschischen Stammesführer angeklagt, die Regierung zu erpressen und ihre eigenen Stammesleute auszubeuten: "Diese Anführer sind nicht nur gegen die Regierung, sondern gegen ganz Pakistan. Was Bugti angeht, so hat er Millionen von Rupien bei dem Unternehmen PPL (Pakistan Petroleum Limited) verdient, das Belutschistans Gasfelder betreibt. Und mehr noch: Er hat seine eigenen Leute illegal besteuert und so weitere Millionen verdient. Er vertrieb mehr als 16.000 Leute von seinen Ländereien. Unsere Militäraktion ermöglichte es ihnen, ohne Furcht zurückzukehren."

Karte Pakistan mit der Provinz Belutschistan und der Haupstadt Islamabad
Belutschistan, eine pakistanische Krisenregion

"Kugeln vereinen Nationen nicht, sie erzeugen Hass"

Dennoch erinnert dieses Ereignis Ahsan Iqbal, den Anführer der wichtigsten Oppositionspartei "Pakistan Muslim League", an die Operation im früheren Ostpakistan, dem heutigen Bangladesh: "Kugeln vereinen Nationen nicht, sie erzeugen Hass. Das gleiche geschah in Ostpakistan. Die Bengalis wurden erbarmungslos getötet, um Pakistan zu 'retten'. Aber tatsächlich wurde Pakistan damals nicht gerettet, sondern zerbrochen."

In den letzten Wochen hat die Allianz zur Wiederherstellung der Demokratie in Pakistan (AWD), eine Koalition von Oppositionsparteien, vergeblich versucht, ein Misstrauensvotum gegen die Regierung voranzutreiben. Dieser Vorgang hat die politische Krise im Lande zugespitzt. Die AWD hat eine Serie von landesweiten Protesten und Streiks angekündigt. Ihr Vorsitzender und Anführer von Pakistans Volkspartei, Makhdoom Amin Fahim, sagte: "Wir haben diesen Vorfall verurteilt. Die gezielte Tötung von Zivilisten und politischen Führern wird Pakistan nichts nutzen und weitreichende Konsequenzen haben. Wir haben von Anfang an gesagt, dass es eine Verhandlung mit dem Volk Belutschistans als ebenbürtigem Partner geben sollte. Die Regierung verdient keinen Respekt, wenn sie vorher selbst keinen gewährt."

"Belutschistans Zukunft ruht auf dem toten Bugti"

Pakistan Unruhen in Belutschistan
Unberechenbare WutBild: AP

Die pakistanischen Medien verurteilten die Tötung Nawab Bugtis ebenfalls. Politische Kommentatoren erklärten Bugtis Tötung zum zweitgrößten Fehler des Militärs nach der Hinrichtung des früheren Premierministers Zulfikar Ali Bhutto im Jahr 1979. Sie werde die nationalistische Bewegung in Belutschistan wahrscheinlich stärken. "Diejenigen, die glauben, dieser Vorfall werde das Volk von Belutschistan entmutigen, irren sich", sagt Sardar Akhtar Mengal, ein belutschischer Nationalistenführer. "Die Leute werden wütend reagieren, aber es ist zu früh, um das Ausmaß ihrer Wut zu kennen. Dieses Land wird auf die eine oder andere Weise für diesen Fehler zahlen müssen."

Der erfahrene Politiker und Abgeordnetensprecher der Nationalversammlung, Sardar Wazir Ahmed Khan, sagte: "Die zukünftige Politik Belutschistans wird auf dem toten Körper Nawab Akbar Khan Bugtis ruhen. Das ist kein kleiner Vorfall, es ist eine große Tragödie, die so scharf wie möglich verurteilt werden sollte."

Diese feurige Aussage ist insoweit ein Testament, als dass Nawab Bugtis Tötung das unglückliche und doch erwartete Ergebnis des Versuchs der Regierung ist, das Problem des Nationalismus anzugehen. Es unterstreicht ein weiteres Mal die Notwendigkeit eines politischen Dialogs sowie nicht-militärischer Lösungen solcher Probleme.