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Gipfel mit Langzeitwirkung

Michael Knigge, z. Zt. Washington16. November 2008

Auf dem Gipfel zur Finanzkrise in Washington einigten sich die G20-Staaten auf eine verstärkte Kontrolle und erhöhte Transparenz der Finanzmärkte. Nicht nur deswegen war der Gipfel ein Erfolg, meint Michael Knigge.

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Die Erwartungen an diesen Finanz- und Wirtschaftsgipfel gingen weit auseinander. Die einen erhofften den Big Bang, also den Urknall und die Neuerfindung der globalen Finanzordnung. Die anderen wünschten sich, nach einem wohlklingenden, aber nichtssagendem Appell der G20-Staaten schnell wieder zur Tagesordnung überzugehen.

Michael Knigge

Der G20-Gipfel in Washington enttäuschte beide Extrempositionen und ist genau deshalb ein Erfolg. US-Präsident George W. Bush hatte Recht mit seiner Äußerung vor dem Gipfel, dass die Krise nicht über Nacht entstanden sei, und deshalb auch nicht an einem Tag gelöst werden könne. Aber die Europäer und insbesondere die Deutschen lagen ebenfalls richtig in ihrem Beharren, so schnell wie möglich und so konkret wie möglich eine Renovierung des globalen Finanzgebäudes in Angriff zu nehmen.

Das Ergebnis des umfangreichen Abschlussberichts kann sich sehen lassen: Im gemeinsamen Papier wird nicht nur die Einrichtung neuer globaler Kontrollorgane, eine bessere Überwachung der Rating-Agenturen und die Regulierung der hochriskanten Hedge Fonds verabredet. Auch die globale Finanz- und Wirtschaftsordnung soll transparenter und berechenbarer werden. Die internationalen Finanzorganisationen sollen reformiert werden.

Mal ehrlich: Wer hätte noch vor wenigen Monaten gedacht, dass ausgerechnet die USA einen Gipfel ausrichten würden, auf dem dies beschlossen würde. Wohl niemand.

Die Tatsache, dass nicht nur ein gemeinsamer Aktionsplan, sondern auch eine klare Zeitvorgabe für die Umsetzung des Plans und ein Termin für einen Folgegipfel vereinbart wurden, gibt dem Prozess scharfe Zähne.

Neben den konkreten Ergebnissen ist der Gipfel aber auch aus einem weiteren Grund ein großer Erfolg: Erstmals saßen die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrieländer mit ihren Kollegen aus den Schwellenstaaten an einem Tisch, um eine globale Krise zu lösen. Und diese G20-Runde wird keine Eintagsfliege sein, sondern eher eine Blaupause für künftiges globales Krisenmanagement. Einhellig unterstützen alle Länder – also auch die westlichen Industriestaaten – eine größere Rolle für die Schwellenländer wie Indien, China und Brasilien in internationalen Finanzgremien. Genau das bedeutet auch der in Washington oft gehörte Satz, dass das Finanzsystem an die Realitäten des 21. Jahrhunderts angepasst werden muss. Mit dem G-20-Gipfel wurde die Neuordnung der globalen Kräfteverhältnisse offiziell eingeläutet. Eine Umkehr zur Ordnung vor der Finanzkrise erscheint nach diesem Gipfel praktisch undenkbar.