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"Erdogan wird Konflikt eskalieren lassen"

Hilal Köylü, Ankara/ cb6. Mai 2016

Der angekündigte Rücktritt des türkischen Ministerpräsidenten Davutoglu sorgt für Unruhe. Experten befürchten, Präsident Erdogan nutze die Situation, um seine Macht weiter auszudehnen. Hilal Köylü berichtet aus Ankara.

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Türkei Ahmet Davutoglu und Tayyip Erdogan
Bild: Getty Images/AFP/A. Altan

Seit 20 Monaten ist Ahmet Davutoglu Ministerpräsident der Türkei und Vorsitzender der Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP), und praktisch genau so lange wird schon gemunkelt, dass er und Präsident Recep Tayyip Erdogan kein einfaches Verhältnis haben. Diese Gerüchte wurden von Erdogan selbst mehr als einmal bestritten. Doch Davutoglus Rücktritts-Ankündigung ist eines von vielen aktuellen Zeichen dafür, dass an den Gerüchten doch etwas Wahres dran ist.

Im vergangenen Monat waren erstmals Anzeichen für ein Zerwürfnis zwischen den beiden Politikern zu sehen: Davutoglus Befugnis, lokale Parteivorsitzende zu ernennen, wurde ihm bei einer Sitzung des Zentralen Führungsausschusses der AKP aberkannt.

Nur wenige Tage später erschien ein Blogpost im Internet, der die Beziehung zwischen Ministerpräsident Davutoglu und Präsident Erdogan analysierte. Der anonyme Autor des Artikels beschreibt Ereignisse, die er als Angriffe Davutoglus auf Erdogan interpretiert. Von wem der Blogeintrag tatsächlich stammt, ist immer noch nicht bekannt. Einige Experten halten den Autor für einen Erdogan-Unterstützter, andere glauben, er komme gar nicht aus der AKP.

Türkei Premierminister Ahmet Davutoglu Ankündigung Rücktritt
Am Donnerstag ging Davutoglu an die Öffentlichkeit, nachdem bereits mehrere Tage über seinen Rücktritt spekuliert wurdeBild: Reuters/U. Bektas

Davutoglus Ankündigung folgte der schrittweisen Entmachtung des Ministerpräsidenten und dem Blogeintrag innerhalb von nur einer Woche. Davutoglu betonte noch einmal seine Loyalität zum Präsidenten, um Gerüchten, es gebe eine Spaltung innerhalb der AKP, einen Riegel vorzuschieben. Außerdem kündigte er an, bis zum Sonderparteitag der AKP am 22. Mai Ministerpräsident zu bleiben.

Nun kommen Fragen auf, wie Präsident Erdogan das Ende von Davutoglus Zeit als Ministerpräsident nutzen wird, um seine Macht auszudehnen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Politik in der Regierung und der Opposition ändern wird.

'Ein Horrorfilm'

Ayse Ayata, die Politik an der Technischen Universität des Nahen Ostens in Ankara unterrichtet, sagt, die aktuellen Ereignisse "ähneln einem Horrorfilm" und seien praktisch gleichbedeutend mit einem "präsidialen Staatsstreich".

"Davutoglu ist ein Ministerpräsident, der 50 Prozent der Stimmen im Land erhalten hat", sagte die Professorin der DW.

Türkei Schlägerei im türkischen Parlament
Im türkischen Parlament kam es über den Vorschlag, Unterstützter der verbotenen PKK zu verfolgen, vergangene Woche zu einer PrügeleiBild: Reuters/Stringer

Erdogan werde die Oppositionspartei HDP entmachten, Neuwahlen ansetzen und so das Land in eine Lage bringen, die der Demokratie und der Gesellschaft schade und schließlich "ein böses Ende nehmen wird", so Ayata.

"Es ist offensichtlich, dass Erdogan jetzt keine Hindernisse mehr für ein präsidiales System sieht. Das beinhaltet auch Schutz für ihn selbst und seine Familie. So viel ist klar."

"Der Konflikt wird eskalieren"

Auch Baskin Oran, Politikprofessor an der Universität Ankara, glaubt, dass die Türkei auf Neuwahlen zusteuert.

"Erdogan hat den finalen Schritt zu einer präsidialen Demokratie gemacht, indem er einen Staatsstreich verübte und die Davutoglu-Regierung entmachtete, weil Davutoglu nicht alles gemacht hat, was Erdogan wollte", sagte Oran der DW.

Der Politikwissenschaftler glaubt, dass Erdogan die Kurden provozieren und seine Koalition aus AKP, dem Militär und den Neonationalisten zusammenhalten will.

"Erdogan wird den Konflikt in diesem Land bis zum Ende eskalieren lassen", so Oran. "Um eine neue Wahl zu gewinnen, will er von einer chaotischen Atmosphäre der Angst profitieren."

Oran sagt aber auch, dass es fraglich ist, wie lange Erdogan von dieser Strategie profitieren kann - und dass sie möglicherweise zu seinem Untergang führen könnte.