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Erdogan treibt Umbau der Streitkräfte voran

31. Juli 2016

Nach dem niedergeschlagenen Putsch in der Türkei baut Präsident Erdogan seine Machtbasis systematisch aus. Nun will er Geheimdienst und Generalstab unter seine direkte Kontrolle stellen. Das ist noch nicht alles.

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Türkische Soldaten marschieren 2015 bei einer Militärparade durch Istanbul (Foto: AFP)
Türkische Soldaten marschieren 2015 bei einer Militärparade durch IstanbulBild: Getty Images/AFP/O. Kose

Im Fernsehsender Al-Haber sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan, für diese Maßnahmen werde er dem Parlament ein "kleines Paket" mit Verfassungsänderungen vorschlagen. Zugleich kündigte der Präsident die Schließung aller Militärakademien an. Für die Ausbildung der Streitkräfte soll demnach künftig eine Universität für Nationale Verteidigung zuständig sein. Zudem müssten die Kommandeure von Armee, Luftwaffe und Marine künftig direkt an den Verteidigungsminister berichten.

Ziel des Umbaus ist, die Armee vollständig unter zivile Kontrolle zu bringen. Zudem könnte der nach dem Umsturzversuch verkündete dreimonatige Ausnahmezustand verlängert werden, betonte Erdogan. Für eine Verfassungsänderung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament erforderlich. Daher ist Erdogan dort auf die Mitwirkung von Oppositionsparteien angewiesen.

Teile des Militärs hatten vor rund zwei Wochen vergeblich versucht, Erdogan und seine Regierung zu stürzen. Der Präsident macht den im Exil in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich. Die Regierung geht seitdem massiv gegen Gülen-Anhänger und Einrichtungen des Predigers in der Türkei vor. Knapp 18.700 Menschen wurden in den vergangenen zwei Wochen festgenommen. Inzwischen sind gegen 10.140 von ihnen Haftbefehle ergangen, wie Erdogan sagte.

Gülen: Spielfigur eines "Masterminds"?

Der 75-jährige Gülen bestreitet jede Verwicklung in den Umsturzversuch und hat diesen scharf verurteilt. Am Samstag nannte Erdogan Gülen eine Spielfigur, die von einem Vordenker gesteuert werde. Zugleich deutete er an, dass größere Mächte hinter dem Militärputsch stünden. Derartige Äußerungen Erdogans gelten als Anspielungen auf den Westen im Allgemeinen und die Vereinigten Staaten im Besonderen. Wie Gülen haben auch die USA jede Verwicklung in den Militärcoup bestritten.

Der Geheimdienst MIT wird momentan vom Ministerpräsidenten gesteuert. Die Streitkräfte genießen seit der Zeit von Staatsgründer Atatürk große Unabhängigkeit im Verfassungsgefüge. Gegen ihren Willen konnte sich bisher kaum eine Zivilregierung längerfristig halten. Zudem versteht sie sich traditionell als Garant für die Trennung von Staat und Religion und geriet damit bereits früher in Konflikt mit der Position des konservativ-islamisch geprägten Erdogan.

Ilicak weist Vorwürfe zurück

Derweil bestritt die bekannte regierungskritische türkische Journalistin Nazli Ilicak jegliche Verbindungen zu den Verantwortlichen für den Putschversuch. Dies meldet die türkische Nachrichtenagentur DHA. Die inhaftierte Journalistin und frühere Abgeordnete sagte demnach der Staatsanwaltschaft, sie habe auch "keine Verbindung" zu den Anhängern des Predigers Gülen. Ein Staatsanwalt hatte am Freitag Haftbefehle für 21 festgenommene Journalisten beantragt, ein Gericht gab 17 der Anträge statt, darunter auch dem für Ilicak. Ihnen werde Mitgliedschaft in einer "terroristischen Vereinigung" vorgeworfen, meldet die Nachrichtenagentur Anadolu.

Vier Reporter kamen nach der Anhörung frei, darunter der frühere "Hürriyet"-Journalist Bülent Mumay. Dutzende weitere Mitarbeiter von Medien sind zur Fahndung ausgeschrieben. Ilicak war Ende 2013 von der regierungsnahen Zeitung "Sabah" entlassen worden, als sie im Rahmen von Korruptionsermittlungen den Rücktritt mehrerer Minister der Regierungspartei AKP forderte. Die Regierung kritisierte die damaligen Korruptionsermittlungen als Komplott Gülens.

kle/fab (afp, rtr, dpa)