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Erdogan schart seine Anhänger um sich

17. Juni 2013

In Istanbul haben Hunderttausende für Ministerpräsident Erdogan demonstriert. Dessen Gegner lassen jedoch nicht locker. Zwei Gewerkschaften riefen zum Generalstreik auf.

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Kundgebung für den türkischen Regierungschef Erdogan in Istanbul, Foto: Reuters
Bild: Reuters

Die Solidaritätskundgebungen für Recep Tayyip Erdogan erfolgten nur wenige Stunden nach der gewaltsamen Räumung des inzwischen symbolträchtig gewordenen Gezi-Parks. Zeitgleich zu den Pro-Erdogan-Kundgebungen ging die Polizei mehrere Kilometer entfernt im Stadtzentrum erneut mit Tränengas gegen einzelne Gruppen von Regierungsgegnern vor. Demonstranten und Sicherheitskräfte lieferten sich Straßenschlachten. Die Zusammenstöße dauerten in der Nacht zum Montag an. Erstmals sollen dabei Erdogan-Anhänger Demonstranten attackiert habe.

Mit Polizeigewalt gegen Demonstranten

Aktivisten hatten im Internet trotz eines Verbots der Behörden eine Gegenveranstaltung im Zentrum der Bosporus-Metropole angekündigt. Aus Protest gegen das Vorgehen der Polizei riefen zwei Gewerkschaftsdachverbände, die zusammen mehrere Hunderttausend Mitglieder vertreten, für Montag zu einem eintägigen landesweiten Streik auf.

Erdogan bleibt auf Konfrontationskurs

Bei seiner Rede vor jubelnden Anhängern beschimpfte der islamisch-konservative Ministerpräsident die Demonstranten im Gezi-Park als "Terroristen". Er blieb auf Konfrontationskurs und wies Kritik an seiner Politik auch aus der Europäischen Union zurück. Das Verhalten der Demonstranten führe nicht zum Frieden, erklärte er in seiner rund einstündigen Ansprache. Unter den gegenwärtigen Umständen könne er den Regierungsgegnern keine weiteren Versammlungen gestatten. "Es ist nur eine Minderheit, die versucht, die Mehrheit zu beherrschen. Das können wir nicht zulassen", so Erdogan, der seit zehn Jahren türkischer Regierungschef ist.

Neue Proteste in Istanbul, Foto: REUTERS
Die Proteste in Istanbul reißen nicht ab, die Bilder gleichen sichBild: Reuters

Bundesaußenminister Guido Westerwelle appellierte unterdessen an den türkischen Regierungschef, auf die Demonstranten in seinem Land zuzugehen. Das neuerliche gewaltsame Vorgehen der Polizei gegen Protestierende sei ein Rückschlag. "Die türkische Regierung sendet mit diesem bedauerlichen Verhalten ein völlig falsches Signal", bemängelte er.

Westerwelle unterstrich, Demonstrationen seien Zeichen einer reifenden Zivilgesellschaft. Zugleich warnte er aber davor, sich in der Kritik im Ton zu vergreifen. "Ich glaube, es ist vernünftiger, wenn wir in ruhigen, aber bestimmten Worten unsere Botschaft an die Türkei adressieren", so der deutsche Außenminister.

Künstler in Deutschland fordern: "Bitte schauen Sie nicht zu"

Eine Reihe deutscher Kulturschaffender rief Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem offenen Brief dazu auf, sich für ein Ende der Gewalt in der Türkei stark zu machen. "Bitte schauen Sie nicht zu", forderten rund 40 Künstler wie der Erfolgsregisseur Fatih Akin, die Schauspieler Sibel Kekilli und Jan Josef Liefers sowie der Schriftsteller Maxim Biller in dem am Sonntag verbreiteten Schreiben. Zu den Unterzeichnern gehören auch der Kameramann Michael Ballhaus, der Regisseur Dani Levy, die Autorin Hatice Akyün und der Präsident der Berliner Akademie der Künste, Klaus Staeck.

Die Proteste in Istanbul, Ankara und vielen anderen Städten des Landes hatten sich ursprünglich gegen die Bebauungspläne der Regierung im Gezi-Park gerichtet. Doch als die Polizei vor zwei Wochen erstmals gewaltsam gegen die Demonstranten vorging, löste dies eine Welle der Wut und Empörung aus, die in die größten Proteste seit Beginn der rund zehnjährigen Amtszeit Erdogans mündete. Dabei kamen nach Angaben des Ärzteverbandes bislang vier Menschen ums Leben und etwa 5000 wurden verletzt.

haz/wl (rtr, dpa, afp)