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Neuwahlen in der Türkei

21. August 2015

In der Türkei wird am 1. November vorzeitig ein neues Parlament gewählt. Kurz vor dem Ende der Frist zur Regierungsbildung war es der AKP von Präsident Erdogan nicht gelungen, eine Koalition zu bilden.

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Türkei Recep Tayyip Erdogan (Foto: AFP)
Bild: Getty Images/AFP/A. Altan

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hat offiziell Neuwahlen angesetzt. Er gehe davon aus, dass sie am 1. November stattfinden könnten, kündigte Erdogan vor Journalisten in Istanbul an. Er werde sich am Montag mit dem Parlamentssprecher treffen, um die Vorbereitungen einzuleiten. Die offizielle Frist zur Regierungsbildung läuft an diesem Sonntag aus. Erst dann kann die Wahlkommission offiziell einen neuen Wahltermin verkünden.

Die Neuwahl wird notwendig, weil die türkischen Parteien nach der Wahl vom 7. Juni keine neue Regierung bilden konnten. Bei der Wahl hatte Erdogans islamisch-konservative Partei AKP die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament eingebüßt, war aber stärkste Partei geblieben. Ministerpräsident und AKP-Chef Ahmet Davutoglu gab das Mandat zur Regierungsbildung am Mittwoch zurück. Zuvor waren Koalitionsverhandlungen mit der Mitte-Links Partei CHP und der rechtsnationalen MHP gescheitert. Davutoglu ist weiter geschäftsführend im Amt.

Premierminister Ahmet Davutoglu (Foto: dpa)
Premierminister Ahmet DavutogluBild: picture-alliance/dpa

Er appellierte am Donnerstag an alle politischen Parteien, sich einer Übergangsregierung anzuschließen. Zuvor hatte Erdogan signalisiert, ein solches "Wahlkabinett" zur Vorbereitung eines neuen Votums einzuberufen.

"Jederzeit zu Gesprächen bereit"

Davutoglu forderte die Parteien auf, grünes Licht für eine neue Abstimmung zu geben, und drängte die Abgeordneten zu einer einvernehmlichen Lösung. "Ich bin jederzeit zu Gesprächen bereit, solange wir im Parlament eine Lösung finden", sagte er. Die Möglichkeit einer Koalitionsregierung bestehe nicht mehr. Doch die Parteien sollten sich nicht länger gegenseitig die Schuld geben, sondern zusammen eine Übergangsregierung bilden. Allerdings haben die nationalistische MHP und die säkular geprägte CHP bereits erklärt, sie würden an einer solchen Regierung der nationalen Einheit nicht beteiligen.

Bei der Ausrufung von Neuwahlen muss der Präsident nach der Verfassung einen Übergangs-Ministerpräsidenten bestimmen. In der Übergangsregierung müssen alle Parlamentsfraktionen vertreten sein. Die AKP könnte allerdings auch versuchen, bis zu Neuwahlen eine von der MHP geduldete Minderheitsregierung zu bilden.

Vorwürfe an Erdogan

Die AKP hatte ihre absolute Mehrheit vor allem deshalb verloren, weil die prokurdische HDP gleich bei ihrem ersten Anlauf die Zehn-Prozent-Hürde schaffte und ins Parlament kam. In der Folgezeit verschärfte die Regierung ihr Vorgehen gegen die Kurden, beendete den Waffenstillstand mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und griff deren Lager im Nordirak an. Die PKK verübte zuletzt fast täglich Anschläge und Angriffe auf Sicherheitskräfte.

Sicherheitskontrolle nach einem Anschlag auf Soldaten in Diyarbakir im Juli (Foto: AFP)
Sicherheitskontrolle nach einem Anschlag auf Soldaten in Diyarbakir im JuliBild: Getty Images/AFP/I. Akengin

Die AKP-Verluste bedeuten auch, dass der Staatschef sein Herzensprojekt nicht verwirklichen kann: ein Präsidialsystem einzuführen und seine Macht auszuweiten. Kritiker werfen Erdogan vor, Neuwahlen anzupeilen, weil er die nötige Mehrheit für ein entsprechendes Verfassungsreferendum doch noch erreichen will. Umfragen zufolge könnte die AKP bei einer Neuwahl ihre absolute Mehrheit wiedererlangen.

Die Ungewissheit über die politische Zukunft der Türkei sowie die wachsende Gewalt setzt der Wirtschaft des Landes zu und verschreckt zunehmend die Anleger. Nach der jüngsten wirtschaftlichen Talfahrt gab die Landeswährung Lira mehr als 1,5 Prozent nach.

stu/sp (afp, dpa, rtr)