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Erdbebenopfern droht ein harter Winter

Bernd Riegert, zurzeit Islamabad22. November 2005

5,8 Milliarden US-Dollar an Not- und Wiederaufbauhilfe hat die Geberkonferenz für die Erdbebenopfer in Pakistan versprochen. Doch wird das Geld auch rechtzeitig eintreffen, bevor der Winter kommt?

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Diese Zelte werden sie nicht vor Kälte und Schnee schützenBild: dpa

Tausende Menschen, Autos, Kleinlaster quälen sich täglich durch die leidlich geflickten Straßen von Muzaffarabad. Schuttberge und Betonplatten, die einst Häuser waren, säumen die Wege. Noch wärmt die pakistanische Mittagssonne die Luft, aber schon in wenigen Tagen werden die Temperaturen sinken. Der Winter kommt, und der Schnee und die Kälte werden ihre Opfer fordern.

Denn die Überlebenden des Erdbebens hausen immer noch in Zelten. "Die Zelte sind nicht winterfest. Es sind Leinenzelte oder Plastikplanen, die sie als Zelte benutzen. Die sind nicht beheizbar", erklärt Major Fritz Aflenzer von der österreichischen Armee. Es würde zwar in Muzaffarabad nicht empfindlich kalt werden, aber immerhin Temperaturen unter Null Grad geben. Zugleich würden die Menschen immer kränker.

Panikmache oder reale Gefahr?

Deshalb arbeiten die Soldaten und Hilfsorganisationen fieberhaft daran, winterfeste Notquartiere zu bauen. "Wir versuchen natürlich, die Unterkünfte zu verbessern, sodass wir den Leuten die beste Chance bieten können zu überwintern. Aber es ist auch eine Riesenmasse von Menschen", sagt Konrad Clos vom Technischen Hilfswerk. Er befürchtet daher, dass in diesem Winter Menschen erfrieren könnten.

Pakistan Zeltstadt nach Erdbeben Wintereinbruch
In solchen Zeltstädten hausen die ErdbebenopferBild: AP

Erhard Bauer vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) warnt aber vor Panikmache. Niemand verfüge über genaue Zahlen über Bedürftige und Obdachlose: "Wir müssen von einer realen Gefahr ausgehen. Aber es nützt uns nichts, wenn wir immer wieder diese Gefahr an die Wand malen." Bauer plädiert für ein ruhiges Vorgehen: "Wir müssen einfach hier vor Ort tätig werden. Wir müssen die Möglichkeiten nutzen, die sich aus der erhöhten Spendenbereitschaft der Geber eröffnen, und müssen die Hilfe dahin bringen, wo sie am meisten benötigt wird."

Wichtige Signalfunktion

Zwar wird zwischen den Versprechen der Geberkonferenz und den dann tatsächlich gezahlten Geldern aller Erfahrung nach eine Lücke klaffen. Trotzdem mache die hohe Summe, die am Samstag (19.11.2005) in Islambad zusammenkam, Mut, findet Erhard Bauer vom DRK. Das Signal sei wichtig: "Nämlich, dass die Geber bereit sind, die angelaufene Hilfsaktion mit Geldern zu unterstützen, und das nicht nur kurzfristig, sondern auch mittel- und langfristig."

Welternährungsprogramm unterfinanziert

Auf diesen langen Atem hofft auch das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen, das rund eine Million Menschen im Erdbebengebiet mit Nahrungsmitteln versorgt. Dabei würden vor allem die Hubschrauberflüge in unwegsame Bergregionen viel Geld verschlingen, betont Amjad Jamal, Sprecher der UN-Agentur.

Zur Zeit hangelt sich das Welternährungsprogramm, finanziell gesehen, von einer Woche zur nächsten. Planungssicherheit gebe es nicht, sagt Amjad Jamal: "Wir sind immer noch unterfinanziert, was Nahrung und Logistik angeht. Wir haben um 56 Millionen Dollar für eine Million Bedürftige in sechs Monaten gebeten. Bisher haben wir etwa 40 Prozent davon erhalten." Amjad Jamal hofft darauf, dass die Appelle seines obersten Chefs, des UN-Generalsekretärs Kofi Annan, bei der Geberkonferenz nun auch fruchten.

Hilfsgelder könnten in dunklen Kanälen landen

Islamabad Pakistan Erbeben Konferenz
UN-Generalsekretär Annan und Pakistans Präsident Musharraf auf der Geberkonferenz in IslamabadBild: AP

Kofi Annan hatte vor allem die Bereitschaft zu langfristiger Hilfe angemahnt. Die werde auch bitter nötig sein, sagt Erhard Bauer vom DRK. "Was mich vor allem betroffen gemacht hat, und ich habe lange Jahre in Afghanistan gearbeitet, ist die Großflächigkeit dieser Zerstörung." Dabei seien nicht nur Häuser zerstört, sondern auch Straßen und Bewässerungsanlagen.

Deshalb wird es für viele Überlebende wohl noch Jahre dauern, bis sie wieder Landwirtschaft betreiben, Vieh züchten und ihre Familien selbst ernähren können. Viele Hilfsorganisationen fürchten, dass ein Teil der Hilfsgelder in dunklen Kanälen landen werde. Zwar hat die pakistanische Regierung scharfe Kontrollen angekündigt und externe Wirtschaftsprüfer eingeladen. Doch Pakistan war schon vor dem Erdbeben für die grassierende Korruption berüchtigt.