1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Erdölinsel Deutschland

20. Mai 2009

Deutschland gilt für Geologen als ein "ausgefördertes" Land. Außer Braun- und Steinkohle verfügt es über keine großen Rohstoffe. Dennoch: jährlich werden noch Millionen Tonnen Erdöl gefördert.

https://p.dw.com/p/Htsq
Zwei Mitarbeiter der Wintershall AG stehen bei Großaitingen (Landkreis Augsburg) neben einer sogenannten Pferdekopfpumpe. Die in Kassel ansässige Wintershall AG fördert bereits seit Ende 1979 Erdöl im Feld Aitingen (Foto: dpa)
Unter der Erde in Deutschland lagert nicht nur Kohle. Auch Erdölvorräte werden erschlossen.Bild: picture-alliance/dpa

Sieht man von den Lagerstätten von Braun- und Steinkohle ab, so verfügt Deutschland über keine nennenswerten Rohstoffe. Und so bezeichnen Geologen das Land als "matures", also als ein an Bodenschätzen fast "ausgefördertes" Land. Aber es befinden sich noch etliche Millionen Tonnen Erdöl unter der Oberfläche, die auch erschlossen werden. Im vergangenen Jahr wurden immerhin rund 3,5 Millionen Tonnen gefördert. Das entspricht etwa 24 Millionen Barrel. Zum relativierenden Vergleich sei angemerkt: das größte Ölfeld in Saudi-Arabien liefert diese Menge in nur einer Woche.

Symboldbild: Autofahrer an einer Tankstelle, am Rande hohe Benzinpreise ausgeschildert (Foto: DW)
Experten rechnen mit steigenden Öl- und BenzinpreisenBild: AP/DW-Montage

Die stillen deutschen Reserven brach liegen zu lassen, das kommt für Energieunternehmen allerdings nicht in Frage. Denn trotz des derzeit relativ moderaten Preises für Erdöl auf dem Weltmarkt rechnen Experten schon bald wieder mit drastischen Erhöhungen. Und deshalb forcieren Konzerne wie RWE Dea die Erschließung und Ausbeutung der vorhandenen heimischen Felder, betont Unternehmenssprecher Derek Möscher. Wie etwa im Bereich des Ölfeldes Mittelplate in der Nordsee. Unter dem Strich lohne es sich mittelfristig auch mit erhöhtem Aufwand an diese kleineren Lagerstätten ranzugehen, sagt er.

Die Quellen sprudeln

Öl sprudelt in Deutschland zurzeit aus insgesamt 44 Quellen. Sogar in Bayern förderten die Unternehmen im vergangenen Jahr rund 33.000 Tonnen zu Tage. Ölexploration in Deutschland ist aber nicht nur Sache deutscher Unternehmen. So betreibt das französische Unternehmen Gaz de France beispielsweise südlich von Berlin Probebohrungen, um eine dort geortete Lagerstätte zu erschließen. Die ergiebigsten Vorräte befinden sich jedoch in Norddeutschland. In Niedersachsen beträgt die jährliche Fördermenge rund 1,2 Millionen und in Schleswig-Holstein knapp 2,2 Millionen Tonnen. Fast zwei Drittel des Öls steuert RWE Dea aus dem Mittelplate-Vorkommen im Wattenmeer vor der Westküste Schleswig-Holsteins bei. Bei Mittelplate, erläutert Möscher, handelt es sich um das größte deutsche Erdölfeld, aus dem pro Jahr zwei Millionen Tonnen "flüssiges Gold" sprudeln.

Es schlummern noch Millionen Tonnen

Das Erdölfeld bei Mittelplate wurde schon 1980 in über 2.000 Metern Tiefe erschlossen und ist noch längst nicht ausgebeutet. Laut Derek Möscher rechnet RWE Dea damit, dass man in den nächsten Jahren noch an 30 bis 35 Millionen Tonnen aus dieser Lagerstätte gewinnen könne. Und darüber hinaus vermuten die Betreiber im Umfeld noch etliche kleinere Lagerstätten in einer Dimension von etwa 14 Millionen Tonnen. Rund um diese Plattform in der Nordsee laufen bereits fünf neue Erkundungsbohrungen.

Der Hauptsitz des Energielieferanten RWE in Essen. (Foto: AP)
Der Essener Energiegigant RWE sucht in Deutschland intensiv nach weiteren QuellenBild: AP

RWE Dea sucht aber auch auf dem Festland intensiv nach weiteren ergiebigen Lagerstätten. So etwa auf einem Gebiet von 150 Quadratkilometern nördlich von Giffhorn in Niedersachsen sowie auf einem 400 Quadratkilometer großen Areal im Landkreis Plön in Schleswig-Holstein. Eine ebenso kostspielige wie ungewisse Suche, denn die Trefferquote solcher Explorationen in Deutschland liegt bei gerade einmal 40 Prozent. Allein die Kosten für die Bohrungen können bis zu 30 Millionen Euro verschlingen. Hinzu kommen meist noch Aufwendungen für die Seismik, also für die Erdbebenerkundung, im ebenfalls zweistelligen Millionenbereich. Doch da der Preis für eine Tonne Rohöl ganz schnell wieder in Richtung 100 US-Dollar pro Barrel empor schnellen kann, halten die hohen Investitionen weder RWE Dea noch andere Energieunternehmen von der Jagd nach heimischem Öl ab. Denn mittelfristig, resümiert Derek Möscher, zahle man trotz der hohen Investitionen nicht drauf. Auch nicht in Zeiten eines niedrigen Preises auf dem Weltmarkt. Im Gegenteil.

Reserven werden erschlossen

Eine Erdöl-Pipeline mit Dehnungsbögen in Deutschland (Niedersachsen). (Foto: dpa)
Die Unternehmen nehmen hohe Kosten für die Ölförderung in KaufBild: dpa - Bildfunk

Die Unternehmen haben ihre Bemühungen auch angesichts des gefallenen Ölpreises in den vergangenen Monaten nicht gedrosselt. Und da mittlerweile neue Abbautechniken zur Verfügung stehen, die auch Restölbestände aus tieferen Bodenschichten quasi wie aus einem Schwamm pressen können, denkt man aktuell außerdem über die Neubewertung dieser bekannten Reserven nach. Schließlich lagern nach Schätzungen in Deutschland noch mindestens rund 560 Millionen Tonnen Restöl unter der Erde. Dessen Förderung galt bisher als zu kompliziert und nicht bezahlbar. Doch angesichts der begrenzten Vorräte auf dem Globus betrachten die Unternehmen diese Kosten als Investition in die Zukunft. Bei der Suche und Erschließung neuer Lagerstätten gehe es dabei für deutsche Unternehmen letztlich nicht ausschließlich um die Aussicht auf Gewinne.

Ein kleines Stück Unabhängigkeit

Bei RWE Dea legt man Wert darauf zu betonen, dass jede Tonne Öl, die in Deutschland gefördert wird, auch die Importabhängigkeit reduziert und somit zur Versorgungssicherheit beiträgt. In einem allerdings begrenztem Maß, das sollte man nüchtern anfügen. Denn aus heimischen Quellen kann Deutschland seinen jährlichen Erdölbedarf gerade zu etwa vier Prozent bedienen. Aber das erscheint volkswirtschaftlich angesichts der sich dem Ende zuneigenden globalen Vorräte und der absehbaren Preissteigerung auf dem Weltmarkt durchaus schon etwas mehr als nur als der besagte Tropfen auf den heißen Stein.

Autor: Klaus Deuse

Redaktion: Monika Lohmüller