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Holocaust-Forscher Eberhard Jäckel gestorben

17. August 2017

Er war Historiker. Sein Lebensthema war die Erforschung des Holocaust. Eberhard Jäckel, einer der profiliertesten - und streitbarsten - deutschen Historiker, ist im Alter von 88 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

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Historiker Eberhard Jäckel
Bild: picture-alliance/dpa/B. Weißbrod

Was sein Vater zur NS-Zeit gemacht hat? Eberhard Jäckel konnte es ihn nicht fragen. Denn der Vater starb 1936, da war der Sohn gerade sechs Jahre alt. Später dann, im Geschichtsstudium hat Jäckel zur "Deutschen Frage" und "Schleswig-Frage" gearbeitet. Und spezialisierte sich auf die NS-Zeit. Er wollte das Unvorstellbare begreifen, wollte verstehen, wie Deutschland zu einer Verbrechernation hatte werden können, die den industriellen Massenmord an den europäischen Juden beging. "Der Nationalsozialismus hat mein Leben bestimmt", zitiert ihn heute die Stuttgarter Zeitung.

Als Historiker lehrte Jäckel erst in Kiel und dann bis zu seiner Emeritierung 1997 in Stuttgart als direkter Nachfolger Golo Manns. Seine Veröffentlichungen wiesen ihn schon früh als Hitler-Experten aus - 1969 publizierte er "Hitlers Weltanschauung", 1986 "Hitlers Herrschaft". Jäckels Credo: Wo es Verbrechen gibt, muss es Täter geben. Das NS-Reich als sich selbst radikalisierendes System - diese Vorstellung war ihm fremd.

Buchcover von Eberhard Jäckels Buch "Das deutsche Jahrhundert"
"Das deutsche Jahrhundert" - Jäckels Bilanz der deutschen Zeitgeschichte

Mit Theorie allein wollte sich der Geisteswissenschaftler nicht begnügen. Aus Anlass der Landtagswahlen in Schleswig-Holstein 1967 machte er zusammen mit Günter Grass und Siegfried Lenz Wahlkampf für die SPD. Neben Egon Bahr, Günter Grass, Horst Ehmke und Klaus Harpprecht gehörte er zu den Beratern von Bundeskanzler Willy Brandt. Er entwarf Reden und gab historische Ratschläge. An der Wand seiner Wohnung in Stuttgart-Birkbach hing eine Aktennotiz über die Vorbereitung der Rede Willy Brandts für die Entgegennahme des Friedensnobelpreises.

Hitlertagebücher und Mahnmal

Dass der britische Historiker Hugh Trevor-Roper, 1983 von der Zeitschrift "Stern" um seine Expertise gebeten, auf Konrad Kujaus "Hitler-Tagebücher" hereinfiel, lag vermutlich daran, dass er kein NS-Forscher war. "Eberhard Jäckel fiel darauf herein, weil er zu viel wusste", analysierte die Süddeutsche Zeitung. 1980 hatte Jäckel den Quellenband "Hitler. Sämtliche Aufzeichnungen 1905-1924" herausgebracht. Darin hatte er versehentlich auch Fälschungen Kujaus aufgenommen. Eine Blamage, von der sich Jäckel aber bald erholte.

Streiter für das Holocaust-Mahnmal in Berlin

Das Holocaust-Mahnmal in Berlin
Eberhard Jäckel initiierte das Holocaust-Mahnmal in Berlin Bild: picture-alliance/Schoening

Im Historikerstreit des Jahres 1986 bezog Jäckel klar Position für die Einzigartigkeit der Shoa. Vergleiche mit dem Völkermord an den Armeniern 1915 - zum Beispiel - hielt er für unzulässig, weil sie die Shoa relativierten. Jäckel vermied den Begriff "Holocaust".

1996 publizierte er "Das deutsche Jahrhundert". Es war seine Bilanz der deutschen Zeitgeschichte. Gemeinsam mit der Journalistin Lea Rosh kämpfte Jäckel für die Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas. In dem jahrelangen Denkmaldisput galt er als streitbare und zugleich verständlichste Stimme. Schließlich wurde das Mahnmal aus 2700 Betonstelen unweit des Brandenburger Tors nach einem Entwurf von Peter Eisenman gebaut und im Mai 2005 eingeweiht.

Eberhard Jäckel ist bereits an diesem Dienstag (15.08.2017) in seiner Wahlheimat Stuttgart gestorben. "Mit dem Tod Jäckels verliert die Bundesrepublik einen ihrer engagiertesten und wirkungsvollsten Streiter für die Erinnerung an den Holocaust", teilte die "Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas" mit. Kulturstaatsministerin Monika Grütters nannte Jäckel einen "unermüdlichen Mahner und empathischen Anwalt der Opfer". Dem ist wenig hinzuzufügen.