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Entspannung in Tschetschenien?

Ingo Mannteufel3. Februar 2005

Eine rebellennahe Website hat eine einmonatige Waffenstillstandserklärung der tschetschenischen Separatisten veröffentlicht. Und auch in der russischen Politik gibt es Anzeichen für eine Kursänderung.

https://p.dw.com/p/6CBv
Russische Soldaten in TschetschenienBild: AP

Die den tschetschenischen Separatisten nahe stehende Website "Kawkas-Zentr" hat veröffentlicht, dass Aslan Maschadow, der Führer der tschetschenischen Separatisten, und sein Feldkommandeur Schamil Basajew, einen einseitigen Waffenstillstand für den Monat Februar befohlen haben. Noch ist unklar, was davon zu halten ist. Der Tschetschenien-Konflikt gehört jedoch seit Jahren zu den strittigen Themen zwischen Russland und den westlichen Staaten: Europäer und US-Amerikaner fordern dabei regelmäßig eine politische Lösung und meinen damit Gespräche zwischen dem Kreml und Maschadow. Da Moskau jedoch in ihm und seinen Gefolgsleuten "tschetschenische und internationale Terroristen" sieht, lehnt es jegliche Verhandlungen ab. Damit ist in der Regel jeder russisch-westliche Dialog zu Tschetschenien beendet. Das heißt aber nicht, dass der Kreml nicht doch einen eigenen Plan für eine politische Lösung hat.

Tschetschenisierung und Kadyrowzy

Achmad Kadyrow Tschetschenien
Wurde ermordet: Achmed KadyrowBild: AP

Die russische Variante lautet seit Herbst 2002 "Tschetschenisierung des Konflikts": Pro-russische Tschetschenen sollen mit russischer Unterstützung die Verwaltung übernehmen, die vom Krieg zerstörte Region wiederaufbauen und die verbliebenen Rebellen bekämpfen. Diese Strategie erfuhr mit dem tödlichen Attentat auf den von Moskau installierten tschetschenischen Präsidenten Achmed Kadyrow am 9. Mai 2004 einen heftigen Dämpfer. An seine Stelle trat jedoch wenig später Alu Alchanow, der frühere Innenminister unter Kadyrow.

Ein politisches Erbe von Achmed Kadyrow ist jedoch sein Sohn Ramsan, der gegenwärtig Erster stellvertretender Ministerpräsident Tschetscheniens ist. Ihm untersteht zugleich die so genannte Präsidentengarde, eine Art Privatarmee von mehreren Hundert Mann, die zusammen mit russischen Sicherheitskräften die tschetschenischen Rebellen bekämpfen. Russische und internationale Menschenrechtsorganisationen werfen vor allem diesen so genannten Kadyrow-Männern ("Kadyrowzy") Entführungen von Zivilisten und andere Verbrechen in Tschetschenien vor. In den vergangenen Tagen gibt es nun Anzeichen dafür, dass die Macht des Kadyrow-Clans gezügelt werden soll.

Anklageerhebungen gegen Entführer

Innerhalb des tschetschenischen Innenministeriums soll nach jüngsten Berichten eine Spezialeinheit gebildet werden, die für die Sicherheit des Präsidenten Alu Alchanow und seiner Familie verantwortlich ist. Diese faktisch Alchanow unterstehende Einheit könnte mittelfristig die Kadyrow-Truppe ersetzen und damit Ramsan Kadyrow sein wichtigstes Machtinstrument entziehen.

Alltag in Tschetschenien Polizist
Der Alltag in Tschetschenien ist von Gewalt geprägt: ein Polizist patroulliert nach einem AnschlagBild: AP

Als einen weiteren indirekten Angriff auf Ramsan Kadyrow ist die Nachricht zu verstehen, dass die russische Generalstaatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren angesichts der Entführung mehrerer Verwandter des tschetschenischen Rebellenführers Maschadow aufgenommen hat. Nach offiziellen Zeugenaussagen sollen Tschetschenisch sprechende Männer in Tarnanzügen im Laufe des Dezembers die Verwandten von Maschadow verschleppt haben. Zwar bestreitet Ramsan Kadyrow jede Verwicklung in diese Entführungen. Menschenrechtsgruppen beschuldigen jedoch gerade die Kadyrowzy und Mitglieder russischer Sicherheitskräfte dieser Verbrechen.

Für eine Bewertung dieser Tendenzen ist es noch zu früh. In der einen oder anderen Form richten sie sich aber alle gegen Ramsan Kadyrow und seine gefürchtete Privatarmee. Ein Ende der Kadyrowzy-Herrschaft und vor allem ein Ende der Entführungen dürfte nicht nur die Lage in Tschetschenien entspannen, sondern auch wieder dem Dialog zwischen Russland und dem Westen über Tschetschenien eine neue Basis geben. Erst recht, wenn der von den tschetschenischen Separatisten angekündigte einseitige Waffenstillstand länger als nur einen Monat dauern sollte.