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Engagierte Berichterstatter: Zeitungsproduktion in Aceh

Anett Keller25. Dezember 2005

Beim Tsunami hat Serambi, die größte Tageszeitung in Aceh, ein Viertel ihrer Mitarbeiter verloren. Fünf Tage später erschien die erste Notausgabe, obwohl nur ein Computer funktionierte. Auch heute ist die Arbeit mühsam.

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Die Zeitung Serambi in Indonesien erschien bereits fünf Tage nach dem Tsunami wiederBild: Hendra Pasuhuk

Der Tsunami nahm der Tageszeitung Serambi im indonesischen Aceh 53 Journalisten und auch das Redaktionsgebäude. Doch viele der ehemals 212-köpfigen Angestellten haben sich schon kurz danach wieder an die Arbeit gemacht. In Lambaro, einem heil gebliebenen Stadtteil in Banda Aceh, richtete sich die Redaktion notdürftig in einem Ladenlokal ein. Um sie herum sah es aus wie Weltuntergang. Es gab kaum Essen, kein Benzin. Chefredakteur Sjamsul Kahar erinnert sich: "Die ersten Tage waren wirklich sehr schwer. Ich berichtete wirklich alles was ich sah, mündlich, und weinte dabei." Doch mit jedem Kollegen, der schließlich nach Lambaro fand, kehrte ein Stück Hoffnung zurück. Die Journalisten waren sich einig, dass Serambi schnell wieder erscheinen müsse. Doch es gab kaum Informationsquellen. Radiostationen waren zerstört. Telefone waren tot. Und ohne Strom konnte niemand Fernsehen schauen.

Notausgabe mit nur einem Computer produziert

Am 1. Januar 2005 erschien Serambi trotzdem wieder. Der Druckereichef hatte einen Laptop - der diente als einziger Redaktionscomputer. Das Problem: Zwischen der Druckerei und den Redaktionsräumen lagen sechs Autostunden. Jeden Tag wurde eine Diskette zwischen der Notredaktion und der Druckerei auf den Weg geschickt. Dort bekam die zunächst achtseitige Notausgabe ihr Layout und ging in Druck. Hier gab es auch noch genügend Papiervorräte, so dass Serambi zunächst gratis verteilt werden konnte. Die Leser in Aceh hatten vor allem Angst vor neuen Beben, vor Seuchen, die sich ausbreiten könnten. Von diesen Themen handelten die ersten Artikel. Auch Vermisstenanzeigen füllten monatelang die Zeitungsseiten.

Gedenken an verstorbene Kollegen

Tsunami, Banda Aceh, Indonesien
Nur unter Tränen konnten die Journalisten über das Ausmaß der Zerstörung berichtenBild: dpa

Serambi gehört zum größten Zeitungsunternehmen des Landes, der Kompas-Gruppe. Dort griff man den Überlebenden und ihren Familien finanziell unter die Arme und unterstützte Serambi beim Wiedererscheinen. Im zerstörten und geplünderten Redaktionsgebäude fand man zudem noch ein paar intakte Computer. Im Februar wurde im Hof der alten Redaktion der 16. Geburtstag der Serambi gefeiert. Sogar der Vize-Gouverneur war da. Gemeinsam gedachten sie der verstorbenen Kollegen. Die Katastrophe habe die Überlebenden nicht nur zusammen geschweißt, sondern auch andere Journalisten aus ihnen gemacht, sagt Journalistin Rosnani Husen. "Der Tsunami hat unsere Aufmerksamkeit geschärft, denn wir haben das Leid der Menschen gefühlt. Wir können ihnen materiell vielleicht nicht helfen, aber wir haben unsere inneren Gefühle, unsere menschlichen Gefühle sind seitdem tiefer geworden, detaillierter."

Redaktion ist immer noch Provisorium

Seit März erscheint Serambi wieder 16 bis 20 Seiten stark - so wie vor dem Tsunami. Inzwischen operiert das Blatt auch wieder kostendeckend. Die Auflage ist mit 25.000 Exemplaren wieder auf dem alten Stand. Doch die Redaktion ist noch immer ein Provisorium. Zwei etwa zehn Quadratmeter große Räume sind mit Sperrholzwänden abgeteilt. Vor den jeweils vier Computern stehen die Reporter manchmal Schlange. Bis zum Jahresende will Serambi in ein neues Gebäude umgezogen sein, wo auch eine neue Druckmaschine für Banda Aceh stehen soll. Auch Nachwuchs wird inzwischen wieder rekrutiert, aber das sei schwer, seufzt Chefredakteur Sjamsul Kahar. Es gebe nicht viele Leute, die Berichterstatter werden wollen. "In den ersten Tests machten noch fünfzehn mit. Effektiv sind noch drei bei den Lehrgängen dabei", berichtet er.

Wiederaufbau ist Top-Thema

Banda Aceh: Die Zeitung Serambi Indonesia
Die meisten Artikel gehen um den Wiederaufbau in Banda AcehBild: Hendra Pasuhuk

Den meisten Platz widmet Serambi neben den aktuellen politischen Fragen in Aceh dem Wiederaufbau nach dem Tsunami. Sjamsul ist froh über die internationalen Helfer, aber auch überzeugt, dass die Provinz viel mehr aus eigener Kraft wieder aufbauen könnte: "Acehs Boden ist eigentlich reich. Es gibt Gas, Öl, Wald... Wenn die Regierung allein aus den Erträgen von Gas Erlöse zahlen würde", meint er würde es schon besser gehen. Denn allein in den letzten vier Jahren hätten die Regierung aufgrund einiger Autonomiesondergsetze rund drei Milliarden Euro eingenommen. "Wenn dieses Geld existiert, werden wir auch darum kämpfen", sagt Sjamsul. Es gebe viel, was damit aufgebaut werden müsste - Öffentliche Einrichtungen, Schulen, Krankenhäuser, Häfen, Straßen. Sjamsul: "In diese Richtung möchten wir alles vorantreiben, für den Aufbau, vor allem für die Bildung, damit es besser wird, das ist unsere Mission."