1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Endlich Treibstoff für den Europa-Motor?

Gérard Foussier19. September 2003

Deutschland und Frankreich haben eine Investitionsinitiative beschlossen, um das Wirtschaftswachstum zu stärken. Beide Regierungen trafen sich erstmals nahezu komplett zu einer ihrer künftig regelmäßigen Sitzungen.

https://p.dw.com/p/45cO

40 Jahre nach der historischen Besiegelung ihrer Versöhnung hatten Frankreich und Deutschland im Januar 2003 beschlossen, einen gemeinsamen deutsch-französischen Ministerrat ins Leben zu rufen. Das Berliner Treffen am 18.9.2003 war die erste offizielle Amtshandlung der beiden Regierungsbeauftragten. Von Konsultationen, gar vom Gipfel, sollte eigentlich nicht mehr die Rede sein.

Nur: Im Mittelpunkt des Medieninteresses standen nicht die französische Europaministerin und der deutsche Staatsminister im Auswärtigen Amt, sondern wie früher Staatspräsident Jacques Chirac und Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Hat sich was zwischen Paris und Berlin geändert? Wohl kaum. Die deutsch-französischen Initiativen bleiben zum 81. gemeinsamen Treffen Chefsache. Die Arbeit im Hintergrund leisten die Regierungsbeauftragten, indem sie die Stichworte neuer Impulse liefern. Das geschah natürlich nicht erst gestern, sondern viel diskreter ohne Scheinwerfer und Mikrophone bereits im Juni 2003.

Das klingt vielleicht nicht gerade revolutionär, aber mehr Effizienz ist durchaus das Ziel dieser nicht nur semantischen Erneuerung. Denn die Zeiten für symbolkräftige Gesten sollten wirklich allmählich vorbei sein. Beide Länder wollen nicht nur den viel zitierten Motor Europas ankurbeln, sie wollen den richtigen Treibstoff dafür finden. Das neue Benzin hat nun einen Namen, den jeder versteht: "Wachstumsinitiative".

Chirac und Schröder wollen mit milliardenschweren Projekten Konjunktur und Beschäftigung in der Europäischen Union ankurbeln - ohne allerdings zu präzisieren, wie das Ganze letztendlich finanziert werden soll. Ausgerechnet die zwei Länder mit den schwächsten Wachstumszahlen der Union sollen also zeigen, dass die Vorgaben des seit zwei Jahren nicht respektierten Stabilitätspakts keineswegs Schritte zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und zu mehr Beschäftigung ausschließen.

Im Klartext: Paris und Berlin plädieren für weitere Schulden gegen wirtschaftliche Stagnation, halten aber vorsichtshalber am Sparkurs fest, um Brüssel zu besänftigen. Stabilität, ja, aber Wachstum ist die Priorität. Wie dies funktionieren soll, haben beide Politiker nicht verraten. Aber zumindest der Eindruck, das erweiterte Europa könnte bald ein dynamischer Industriestandort werden, zeugt von einem unbegrenzten Optimismus, der im krassen Gegensatz zum verzweifelten Defaitismus wesentlicher Industriezweige steht.

Vielleicht lässt sich die Europäische Kommission von solchen deutsch-französischen Herkules-Aufgaben beeindrucken. Vielleicht wächst aber die Skepsis um so mehr. Denn es gehört zu den ehrgeizigen Herausforderungen der Berliner Projekte, die europäischen Partner davon zu überzeugen, der deutsch-französische Treibstoff sei das lang ersehnte Wundermittel gegen die Rezession in der gesamten Union.

Ob Ministerrat oder Konsultation - das Berliner Treffen stand eindeutig in der Tradition bisheriger Begegnungen seit nunmehr 40 Jahren. Die üblichen symbolischen Gesten der bilateralen Symbiose sind geblieben. Chirac und Schröder haben es in Berlin nicht versäumt, öffentlich zu zeigen, wie man sich gegenseitig schätzt und die Gewohnheiten des Nachbarn durchaus preisen kann. Während der deutsche Bundeskanzler mit einem Glas Weißwein seinem Gast zuprostete, zeigte sich der französische Präsident strahlend mit einem Glas deutsches Bier in der Hand. Man trank auf die Gesundheit Europas. Immerhin.