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Endlich da!

Rainer Sollich/dk11. Januar 2002

Mit zweitägiger Verspätung ist das deutsch-niederländische Vorauskommando der Schutztruppe in Afghanistan gelandet. Die beiden niederländischen Herkules-Maschinen trafen am Freitagmorgen (11. Januar 2002) in Bagram ein.

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Das Warten ist vorbeiBild: AP

Die 70 deutschen und 30 niederländischen Soldaten werden zunächst in Bagram bleiben, um nachfolgende Transportmaschinen zu entladen. Wenn die komplette Ausrüstung entladen, ausgepackt und in Betrieb genommen ist, wird der deutsche Trupp in einem Lagerhaus im Osten Kabuls untergebracht. Das deutsch-niederländische Vorauskommando war am Dienstag in der Türkei zwischengelandet und zunächst von Schneestürmen an der Weiterreise gehindert worden.

Der deutsche Botschafter in Afghanistan, Rainer Eberle, hat als erster ausländischer Missionschef bereits sein Beglaubigungsschreiben an den Chef der Übergangsregierung,
Hamid Karsai, übergeben. Beide Seiten werteten dies als ein Symbol für die traditionell guten deutsch-afghanischen Beziehungen.

Deutsche bald in Kuwait?

Kaum war das erste Bundeswehr-Kontingent nach Afghanistan abgereist, mehrten sich die Zeichen für einen weiteren Einsatz "out of Area": in Kuwait. Laut Medienberichten über eine geplante Verlegung deutscher ABC-Abwehrkräfte nach Kuwait ist Verteidigungsminister Rudolf Scharping Vermutungen über einen Militärschlag gegen den Irak entgegengetreten. "Es gibt keine Anzeichen dafür, dass irgendeine militärische Planung im Zusammenhang mit dem Irak im Gange wäre", sagte er am Mittwoch (9.1.02) in Berlin. Die mögliche Verlegung deutscher ABC-Abwehrfähigkeiten "auf die arabische Halbinsel" stehe vielmehr im Zusammenhang mit der generellen Abwehrfähigkeit der Staatengemeinschaft in dieser Region, falls diese dort "irgendwann irgendwo wegen terroristischer Anschläge oder anderen gebraucht werden könnte". Scharping betonte, über eine Verlegung sei noch nicht entschieden, Planungen gebe es aber. Die Soldaten seien für den Einsatz in der Region ausgebildet worden. Weitere Einzelheiten nannte der Minister nicht.

Klare Verhältnisse herrschen dagegen beim Afghanistan-Einsatz, der durch ein UN-Mandat gedeckt ist. Die 50 Fallschirmjäger aus Oldenburg sowie 20 Fernmelder und Sanitäter machten unterdessen Zwischenstation in der türkischen Stadt Trabzon. Das unter deutscher Führung stehende Vorauskommando umfasst insgesamt 230 Mann und soll logistische Vorarbeiten leisten. Ende Januar soll dann die Verlegung des Hauptkontingents erfolgen.

Nicht bei allen willkommen

Nicht allen Mitgliedern der afghanischen Übergangsregierung ist die internationale Sicherheitspräsenz willkommen. Vor allem diverse Milizenchefs hatten sich anfangs gegen die multinationale UN-Truppe gesperrt. Der afghanische Interimschef Hamid Karsai hingegen hat die Sicherheitstruppe begrüßt. Er hat sehr hohe Erwartungen an die rund 4.500 internationalen Soldaten, die nun nach und nach in sein Land verlegt werden. Karsai sagte vor wenigen Tagen bei der Unterzeichnung des Truppenstationierungs-Abkommens in Kabul:

"Wir hoffen, dass diese Unterzeichnung Afghanistan die Stabilität und den Frieden bringen, den wir schon so viele Jahre benötigen. Und wir hoffen, dass die Kooperation zwischen dem afghanischen Staat und der internationalen Sicherheitstruppe dem Terrorismus und Banditentum in Afghanistan ein endgültiges Ende bereiten wird."

UN-Grundlage

Grundlage für die Stationierung ist eine Resolution des Weltsicherheitsrats vom 21. Dezember. Das Mandat der Internationalen Sicherheitstruppe für Afghanistan (International Security Assistance Force - ISAF) erstreckt sich allerdings nicht auf ganz Afghanistan. Tätig werden darf sie nur in der Hauptstadt Kabul und Umgebung, einschließlich des Flughafens Bagram. Auch die Aufgabe der Truppe ist klar begrenzt: Unterstützung der Übergangsregierung bei der Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit - notfalls auch unter Einsatz von Waffengewalt.

Die internationale Gemeinschaft will der Interimsregierung auf diese Weise dabei helfen, Afghanistan nach 23 Jahren Krieg dauerhaft zu befrieden. Zudem soll dafür gesorgt werden, dass das Personal der Vereinten Nationen in einem sicheren Umfeld arbeiten kann. Eine Ausweitung des Mandats auf weitere Teile Afghanistans hielt Deutschlands Verteidigungsminister Rudolf Scharping zumindest am Sonntag (6.1.) noch für ausgeschlossen:

"Der Auftrag ist auf Kabul und seine unmittelbare Umgebung einschließlich des Flughafens Bagram begrenzt. Schon daraus ergibt sich, dass die Autorität der Regierung im ganzen Land nur von ihr selbst gewährleistet werden kann."

Riskanter Einsatz

Dennoch: wie weit das Mandat im einzelnen auszulegen ist, wird sich erst vor Ort zeigen. Die Lage in Kabul gilt zwar als weitgehend stabil, trotzdem gibt es zahlreiche Unwägbarkeiten. In Deutschland, das insgesamt vermutlich 700 Soldaten entsenden wird, spricht man daher nicht nur vom größten nicht-humanitären, sondern auch bisher riskantesten internationalen Einsatz der Bundeswehr. Der Leiter des Vorauskommandos, der deutsche Brigadegeneral Claus Hubertus von Butler, sieht vor allem in Minen eine Gefahr. Oberst Bernhard Gertz, Chef des Deutschen Bundeswehrverbandes, der Interessenvertretung der Soldaten, sieht noch ein weiteres Risiko. Gertz äußerte sich am Dienstag (8.1.) besorgt über verbleibende militärische und paramilitärische Kräfte in Kabul:

"Ich habe keinen Zweifel an den Fähigkeiten unserer gut ausgebildeten Soldaten, aber bei mir überwiegt doch ein bisschen die Sorge. Denn das wird ein sehr ungemütlicher Einsatz. Man kann auch sagen: Es wird ein sehr riskanter Einsatz werden."

Mandatsverlängerung nicht ausgeschlossen

Das Mandat der Internationalen Sicherheitstruppe ist zunächst auf sechs Monate beschränkt - Verlängerung nicht ausgeschlossen. Angeführt wird die Truppe aus 18 Ländern zunächst von den Briten, deren erste Fallschirmjäger bereits am Montag (7.1.) in Kabul eintrafen. Für die verbleibenden drei Monate ist die Türkei im Gespräch.

Trotz einiger Unstimmigkeiten herrscht über eines Konsens zwischen den Entsender-Ländern: Der Einsatz ist riskant - aber er ist notwendig. Ähnlich sieht das der Oberkommandierende der ISAF, John McColl. Er gab sich vor einigen Tagen überzeugt, dass die Kabuler Bevölkerung die internationalen Truppen willkommen heißen wird:

"Wenn man hier über die Straßen geht und mit den einheimischen Leuten spricht, spürt man, dass die den Krieg wirklich satt haben. Da gibt es einen überwältigenden Eindruck, dass die Leute Frieden wollen, und dass sie dabei auf die Hilfe der ISAF setzen."