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Ende eines Versuchs

Marcel Fürstenau5. März 2003

Ein "Bündnis für Arbeit" aus Gewerkschaften, Arbeitgebern und Regierung wollte man in Deutschland seit Jahren schmieden, um die Arbeitslosigkeit zu senken. Am Montag (3.3.2003) ist der wohl letzte Versuch gescheitert.

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Keine Einigung zwischen Spitzenvertretern von Arbeitgebern und GewerkschaftenBild: AP

Fast drei Stunden saßen sie zusammen - ohne Tagesordnung. Geplant war ein Gespräch ohne Tagesordnung und Tabus, wie es Kanzler Schröder schon vor Wochen angekündigt hatte. Die Arbeitgeber wollten vor allem über eine Lockerung des Kündigungsschutzes reden, über längere Arbeitszeiten und ein Abrücken vom Flächen-Tarifvertrag, dem sich alle Unternehmen unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation zu unterwerfen haben.

Für Sozialabbau stehe man nicht zur Verfügung, konterte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer. Konkret: keine Lohnkürzungen auf der einen und Verlängerung der Arbeitszeit auf der anderen Seite. Und vor allem: keine Aufweichung des Kündigungsschutzes.

Das Ergebnis des Treffens bestätigte die Skeptiker, die mit einem Scheitern gerechnet hatten. Die Grundpositionen von Wirtschaft und Gewerkschaften lägen derzeit sehr weit auseinander, sagte der Bundeskanzler nach dem Spitzen-Treffen in seinem Dienstsitz. Er werde daher dem Bundestag am 14. März ein angemessenes und sozial gerechtes Reformpaket vorlegen.

Kluft zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften

Es werde Sache von Gewerkschaften und Arbeitgebern sein, sich darauf einzustellen. In einem TV-Interview umriss Schröder den Part der Bundesregierung, den die Bundesregierung spielen will, eine Art Vermittlerrolle: "Aber es kann nicht so sein, daß der eine versucht, die Regierung gegen den anderen auszuspielen und umgekehrt. Wir haben deutlich gemacht, dass wir die Meinungen der Verbände ernst nehmen. Dass sie aber immer nur einzelne Interessen vertreten und dass es unsere Aufgabe ist, das Interesse des Gemeinwohls daraus zu definieren." Die Zeit dränge, fügte der Kanzler hinzu.

Und zwar deshalb, weil die sozialen Sicherungs-Systeme in Deutschland vor dem Kollaps stehen. Darin sind sich alle einig. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen leidet unter hohen Arbeits- und Lohnnebenkosten. Altersvorsorge und Gesundheitswesen sind kaum mehr bezahlbar. Das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr wird bestenfalls ein Prozent erreichen. Die Gefahr, dass staatliche Defizit-Kriterium von drei Prozent des Brutto-Inlandproduktes innerhalb der Europäischen Union erneut zu überschreiten, ist groß.

Aus für "Bündnis für Arbeit"

Eine Neuauflage des "Bündnisses für Arbeit" wird es aber trotz all dieser Probleme nicht geben. Das bestätigte auch der Präsident der Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Michael Rogowski. Die Positionen seien zu unterschiedlich gewesen, sagte der BDI-Chef, der sich vor dem Treffen bei Kanzler Schröder noch vorsichtig optimistisch gezeigt hatte. Für einen "Wachstumspakt" hatte Rogowski plädiert. Über die grundlegenden Themen, die Deutschland voranbringen, müsse gesprochen werden.

Aus Sicht der Arbeitgeber-Seite sind das vor allem die Lockerung des Kündigungsschutzes, wie sie auch Wirtschaftsminister Clement gegen den Widerstand in der eigenen Partei ins Gespräch gebracht hatte. Kanzler Schröder indes will Clement in diesem Punkt unterstützen, sagte er nach dem Gipfel-Treffen in Berlin.

Gereizte Atmosphäre

Nach dem Treffen beim Kanzler scheint die Gesprächsbereitschaft zwischen Arbeitgebern und Gewerkschafts-Spitze noch geringer zu sein als vorher. Außer Vorschlägen für Sozialabbau auf breiter Front hätten die Arbeitgeber keine verbindlichen Absprachen treffen wollen, hieß aus DGB-Kreisen. Die Atmosphäre sei sehr gereizt gewesen.