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Empörung über Fremdenhass in Sachsen

21. Februar 2016

Pöbeleien gegen ankommende Flüchtlinge in Clausnitz, jubelnde Schaulustige bei einem Brand in Bautzen: Die neuen fremdenfeindlichen Vorfälle im östlichen Bundesland Sachsen alarmieren zunehmend auch die Bundespolitik.

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Das künftige Flüchtlingsheim in Bautzen nach dem Brandanschlag (Foto: picture-alliance/dpa/C. Essler)
Bild: picture-alliance/dpa/C. Essler

Der Brand in einer geplanten Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Bautzen ist vermutlich vorsätzlich gelegt worden. Nach ersten Untersuchungen sei von einer vorsätzlichen Brandlegung auszugehen, teilte die Polizei mit. Es seien Spuren von einem Brandbeschleuniger in dem Gebäude entdeckt worden. Weitere Angaben wollten die Ermittler zunächst nicht machen.

Das ehemalige Hotel, das ab März als Flüchtlingsunterkunft dienen sollte, war in der Nacht zu Sonntag in Brand geraten. Schaulustige zeigten laut Polizei "unverhohlene Freude" und kommentierten den Brand mit abfälligen Bemerkungen gegen Flüchtlinge. Auch die Löscharbeiten seien behindert worden. Beamte nahmen die Personalien mehrerer Schaulustiger auf. Drei 19 und 20 Jahre alte Bautzener erhielten Platzverweise, weil sie die Arbeiten der Feuerwehr massiv behinderten.

"Da läuft etwas sehr verkehrt in Sachsen"

Das Geschehen in Bautzen wie auch die Vorgänge am Donnerstag in Clausnitz sorgten bundesweit für Entsetzen. "Da läuft etwas sehr verkehrt in Sachsen", erklärte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD). "Ich bin entsetzt, dass es in Deutschland wieder zu Szenen kommt, in denen ein Mob applaudiert, weil ein Flüchtlingsheim brennt", erkläre Özoguz. Ein solches Verhalten sei "erbärmlich".

Die Integrationsbeauftragte der Regierung, Aydan Özoguz (Foto: picture alliance/dpa/M. Becker)
Die Integrationsbeauftragte der Regierung, Aydan ÖzoguzBild: picture alliance/dpa/M. Becker

Sie prangerte jedoch nicht nur das Verhalten pöbelnder Bürger an, sondern auch den Umgang der Polizei mit den Flüchtlingen. "Das Verhalten der Polizei in Clausnitz ist zutiefst erschütternd", erklärte sie. "Ein Mob brüllt ausländerfeindliche Parolen und verhindert die Fahrt eines Busses mit Flüchtlingen zur Unterkunft, und die Polizei kündigt Ermittlungen gegen Flüchtlinge im Bus an." Zum wiederholten Mal könne die sächsische Polizei kein überzeugendes Bild eines Rechtsstaats liefern.

Ein aggressive Menschenmenge bedroht den Flüchtlingsbus in Clausnitz (Foto: YouTube/Thomas Geyer)
Ein Screenshot von dem Youtube-Video über die Gewalteskalation in ClausnitzBild: YouTube/Thomas Geyer

Dagegen nahm Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die Polizei in Schutz. "Ich kann Kritik an diesem Polizeieinsatz nicht erkennen", sagte de Maizière der ARD. Die Vorfälle seien für die Polizei nicht vorhersehbar gewesen. Es sei richtig gewesen, die Flüchtlinge aus dem Bus in die Flüchtlingsunterkunft und damit in Sicherheit zu bringen.

Am Donnerstagabend hatten rund 100 aufgebrachte Menschen einen Bus mit ankommenden Flüchtlingen in Clausnitz, einem Ortsteil der Gemeinde Rechenberg-Bienenmühle, blockiert. Ein Video zeigt, wie ein Polizist einen verängstigten jungen Flüchtling aus dem Bus zerrt. Der Chemnitzer Polizeipräsident Uwe Reißmann hatte das Vorgehen bei einer Pressekonferenz am Samstag verteidigt. Bei drei Flüchtlingen sei zu ihrer eigenen Sicherheit Zwang nötig gewesen. Er kündigte an, auch Ermittlungen gegen Flüchtlinge zu prüfen. Einige Businsassen hätten die Demonstranten mit Gesten provoziert.

"Weil alles schon einmal da war"

Der CDU-Bundesvize Armin Laschet sagte der Zeitung "Die Welt": "In Bautzen und Clausnitz ist die Integration mancher Deutscher in unsere Leitkultur, die für Humanität, Respekt und Anstand steht, gescheitert." Bilder von Menschen, die vor brennenden Häusern johlten, ließen ihn erschaudern. "Weil alles schon einmal da war", so Laschet.

Der CDU-Vizechef Armin Laschet (Foto: picture-alliance/dpa/M. Hitij)
Der CDU-Vizechef Armin LaschetBild: picture-alliance/dpa/M. Hitij

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, sagte der "Welt", Sachsen müsse aufpassen, dass es sich nicht zu einer Art "failed state", also gescheitertem Staat, in Sachen Rechtsextremismus entwickele. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Monika Lazar sagte der Zeitung, sächsische Landesregierungen hätten seit den 90er Jahren die Lage dramatisch unterschätzt. Deshalb "konnte die Saat von Pegida aufgehen".

Die Grünen-Bundestagsfraktion will die Ereignisse in Clausnitz in einer Aktuellen Stunde erörtern. "Solche Zustände darf es nicht geben", erklärte Parlamentsgeschäftsführerin Britta Haßelmann. "Clausnitz geht uns alle an." Die stellvertretende Linken-Vorsitzende Caren Lay erklärte, in Sachsen herrsche "Pogromstimmung" gegen Flüchtlinge.

sti/haz (afp, dpa, kna)