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Empörung unter Russlands Intellektuellen

25. Oktober 2007

Ein in der Rossijskaja gaseta im Namen aller Künstler veröffentlichter Brief, in dem Putin gebeten wird, an der Macht zu bleiben, hat zu Protesten unter Kulturschaffenden geführt. Viele distanzieren sich nun vom Kreml.

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Internet als Protest-ForumBild: BilderBox

In einem offenen, von der offiziellen Regierungszeitung Rossijskaja gaseta veröffentlichten Brief hat der Regisseur Nikita Michalkow den russischen Präsidenten Wladimir Putin gebeten, seine ausgewogene und fruchtbringende Politik fortzusetzen. Den Brief, in dem entgegen der Verfassung des Landes eine dritte Amtszeit Putins gewünscht wird, unterzeichnete neben Michalkow auch der Vorsitzende der russischen Akademie der Künste, Surab Zereteli, und das im Namen aller russischen Künstler.

Die russischen Kulturschaffenden reagierten prompt mit Protest. Unterstützt werden sie dabei von zahlreichen Bloggern. Es protestieren sogar Persönlichkeiten, die sich nicht zu den Kulturschaffenden zählen, beispielsweise der angesehene Blogger und Journalist Ilja Peresedow. Er erklärte: "Ich bin, wie viele meiner Freunde, über diesen Brief empört. Obwohl der Kulturbereich nicht zu meinem beruflichen Interessensgebiet gehört, erkläre ich mich mit meinen Freunden solidarisch, die sich entschieden haben, Protest zu äußern."

Reaktionen in vielen Blogs

Die Protestierenden sagen fast alle ein und dasselbe, und das unabhängig voneinander. Vor allem wollen Maler, Schriftsteller und Musiker nicht als unpersönliches "Wir" bezeichnet werden. Zudem treten sie dagegen ein, dass Wladimir Putin den Posten des Präsidenten behält.

Der junge Blogger, Schriftsteller und Dramaturg Oleg Kosyrjew stellte fest, dass es in der Woche seit der Veröffentlichung des Briefes zu mehreren Formen des Protestes gekommen sei. Zuerst habe es Reaktionen im Internetforum der Zeitung selbst gegeben. Diese Möglichkeit sei allerdings schnell gesperrt worden. Außerdem seien zahlreiche Emails an den Chefredakteur der Rossijskaja gaseta gerichtet worden. Zudem hätten sich die Menschen in ihren eigenen Blogs und in denen ihrer Freunde zu dem Brief geäußert. Schließlich hätten sie öffentlich erklärt, dass sie dagegen seien, dass ihre Stimme einfach Putin gegeben werde.

Rossijskaja gaseta schweigt

Bei der Rossijskaja gaseta, die so leicht zum Sprachrohr einer falschen öffentlichen Meinung geworden ist, hat man bislang auf den Protest nur mit der "Bereinigung" des Internetforums reagiert. Der Wunsch der Deutschen Welle nach einer Stellungnahme der Führung der Zeitung zu dieser Angelegenheit wurde kategorisch abgelehnt. In der für Kulturfragen zuständigen Abteilung der Zeitung, bei der gewöhnlich derartige Anfragen eingehen, sagte lediglich ein Mitarbeiter, der ungenannt bleiben möchte, das Anliegen sei an den Chefredakteur direkt herangetragen worden.

Dem Drehbuchautor und Schriftsteller Oleg Kosyrjew zufolge kann eine solche Haltung der Zeitung letztlich ihr selbst schaden: "Diejenigen, die per Einschreiben eine Mitteilung abgeschickt haben, haben dies sicherlich nicht gemacht, damit sie nur einfach gelesen und weggeworfen wird. Mir sind mindestens zehn solcher Protestbriefe bekannt, und ich bin überzeugt, dass jene Menschen ihre Position auch vor Gericht verteidigen werden."

Jegor Winogradow
DW-RADIO/Russisch, 24.10.2007, Fokus Ost-Südost