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Ein Leben für den Jazz

Suzanne Cords13. November 2014

Veteran der Improvisation und Pionier des Modern Jazz - Ellis Marsalis ist das Oberhaupt des Musiker-Clans aus New Orleans. Am 14. November wurde der Musiker und Lehrer 80 Jahre alt.

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Ellis Marsalis Jazzpianist
Bild: picture-alliance/dpa/Skip Bolen

Eigentlich hat sich Ellis Marsalis schon längst zur Ruhe gesetzt. Er passt auf seine Enkel auf, geht mit seiner Frau spazieren, stöbert in Jazz-Zeitschriften. Aber ganz ohne Musikmachen geht es dann doch nicht, und so sitzt der rüstige Rentner jeden Freitagabend im "Snug Harbor" - dem angesagten Club in New Orleans - am Piano und spielt sich die Seele aus dem Leib.

Im Jazz spiegle sich die Geschichte Amerikas wider, hat Ellis Marsalis einmal gesagt. "Man kann die Fünfte von Beethoven lieben und spielen, aber sie hat nichts mit unserem Land zu tun. Wenn man aber Louis Armstrong mit 'West End Blues' hört, wird man ins Amerika der 1920er und 1930er Jahre versetzt und hat förmlich vor Augen, wie Blues-Musiker in der Zeit der Großen Depression ohne einen Pfennig Geld in der Tasche herumzogen."

Ein Saxophon und viele Mädchen

Ellis Marsalis ist ein Teil dieser Geschichte. Sie beginnt in New Orleans, wo er am 14. November 1934 im Gert Town-Viertel das Licht der Welt erblickte. Sein Vater, Ellis Marsalis Sr., führte ein Motel, das "Marsalis Mansion". Auch er spielte gern Jazz, allerdings nur in seiner Freizeit.

Marsalis Junior hingegen wollte mehr, nahm mit elf Jahren Klarinettenunterricht, spielte ein wenig Klavier und schloss sich dann einer Highschool-Band an. Es war die Ära von Dixieland und Rhythm and Blues. "Ich merkte schnell, dass Saxophonisten die meisten Solos bekommen", erinnerte sich Ellis Marsalis in einem Radiointerview und gestand: "Also habe ich angefangen, Tenor-Saxophon zu spielen, denn als Solist hatte man viel mehr Chancen bei den Mädchen."

Jazzclub Tänzer 1951
Die Tänzerinnen schäkerten gern mit den MusikernBild: imago/United Archives International

Bepop - die neue Leidenschaft

Seinen ersten Gig allerdings hatte Ellis Marsalis als Pianist. Er verdingte sich als Partymusiker mit der Rhythm and Blues Band "The Groovy Boys" und sagte dem Saxophon irgendwann endgültig Lebewohl. Stattdessen nahm er wieder Pianounterricht. Jazz war den meisten Klavierlehrern jener Zeit suspekt, doch Jean Coston Maloney ließ ihren Schüler spielen, was er wollte. Ellis Marsalis gefiel der Jazz am besten - und zwar nicht irgendeiner, erzählte er. "Dizzy Gillespies Big Band kam um 1948/49 nach New Orleans und spielte diesen brandneuen Bepop. Es war unglaublich. Nachdem ich die Jungs gehört hatte, wusste ich: Genau das will ich auch machen."

Bis dato war Ellis nicht allzu ernsthaft an seine Klavierstunden herangegangen, jetzt studierte er wie ein Besessener: Er machte seinen Bachelor in Musikerziehung an der Dillard University in New Orleans und ging dann zur Marine, wo er beim Jazzquartett "Corps Four" mitspielte.

Dizzy Gillespie ca 1956
Dizzy Gillespies Musik inspirierte den jungen EllisBild: Keystone/Getty Images

Am liebsten modern

Zurück in New Orleans, mittlerweile verheiratet und Vater von sechs Kindern, arbeitete er im familieneigenen Motel mit und spielte hier und da ein paar Gigs mit dem Trompeter Al Hirt. Mit Drummer Ed Blackwell, Klarinettist Alvin Batiste, Bassist Richard Payne und Saxophonist Harold Battiste formierte er das "American Jazz Quintet" und frönte seiner wahren Leidenschaft, dem Bepop. Zwischendurch trat er auch an der Seite des Saxophonisten und des Free Jazz-Pioniers Ornette Coleman auf und spielte eine Platte mit dem Saxophonisten Canonball Adderley ein. Doch das Geld blieb knapp, denn der Pianist schwamm musikalisch gegen den Mainstream an - und der hieß Dixieland.

Mehr Coach als Lehrer

Dann kam 1963 das Angebot, als Musiklehrer zu arbeiten. "Eigentlich wollte ich nie unterrichten", so Marsalis, "aber es gab nicht viele Auftrittsmöglichkeiten in New Orleans, und ich musste eine Familie ernähren." In den 1970ern drückte er selbst nochmal die Schulbank an der Loyola University und studierte Musikerziehung. Es war der Beginn einer langen Lehrtätigkeit, die ihn unter anderem als Dozent für afroamerikanische Musik und Improvisation an die Xavier University in Cincinnati führte und ihm später den Job als Direktor des New Orleans Center for the Creative Arts (NOCCA) einbrachte.

Ellis Marsalis am Piano mit Schüler im Vordergrund
Eigentlich wollte er nie unterrichten...Bild: Alex Wong/Getty Images

Dabei habe er sich immer mehr als Coach denn als Lehrer gefühlt, sagt Ellis Marsalis von sich selbst. Der Patriarch des Marsalis-Klans weiß unheimlich viel über die Geschichte des Jazz und hat den Swing im Blut. Viele bekannte Jazzmusiker wie den Saxophonisten Donald Harrison, den Trompeter Nicholas Payton oder den Pianisten Harry Connick, Jr. nahm er unter seine Fittiche - und dann natürlich seine Söhne: Saxophonist Branford, Trompeter Wynton - beide längst international bekannt - sowie Posaunist Delfeayo und Schlagzeuger Jason.

"Neue Welten entdecken"

Ellis Marsalis ist stolz auf seinen musikalischen Nachwuchs. Schon 1982 erschien die Platte "Father and Sons", und 2001, als er sich in den Ruhestand verabschiedete, gab er mit seinen Söhnen eines der seltenen gemeinsamen Konzerte. 2008 bekam der Familienpatriarch dann einen Ehrenplatz im Music Hall of Fame des US-Bundesstaats Louisiana.

Und drei Jahre später eröffneten Sohn Branford und Harry Connick Jr. das nach ihm benannte Ellis Marsalis Center; in dem Musikerdorf geben gestandene Musiker von New Orleans ihr Wissen und ihre Musiktradition an jüngere Generationen weiter - so wie es Ellis Marsalis 37 Jahre lang getan hat. "Jazz ist die Kunst, neue Welten zu entdecken", hat der Pionier des Modern Jazz mal gesagt. "Alles was man braucht ist Abenteuerlust." Diesem Motto ist er immer treu geblieben. Happy Birthday, Ellis Marsalis.

Wynton und Branford Marsalis auf der Bühne
Der Jazz hat Familientradition: hier mit Branford und WyntonBild: Scott Gries/Getty Images