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Elektronisches Urteil

Daphne Antachopoulos4. April 2003

Die Europäische Union sucht den engeren Kontakt zu ihren Bürgern. "E-vote" soll die Lösung sein: Abstimmen und Kritik äußern via Internet.

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Die EU will es wissen - via NetzBild: Chris Engmann

Griechenland hat, als es Anfang des Jahres die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union übernahm, mehr Nähe zu den Bürgern versprochen. Mit dem Slogan "Stimmen Sie für die EU, die Sie wollen!" hat das Land inzwischen die Internet-Umfrage "e-vote" gestartet. Unter der Web-Adresse "www.evote.eu2003.gr" wollen der Ratspräsident und sein Team wissen, was die Europäer von "ihrer" EU halten. Gut 30.000 EU-Bürger haben auf der "e-vote"-Seite im Internet bereits ihre Meinung zu grundsätzlichen und zu aktuellen Fragen der Union geäußert. In den vergangenen Wochen ist die Beteiligung kontinuierlich gewachsen.

Andreas Papandreou, der im Außenministerium in Athen das Projekt mitentwickelt hat, meint dass "e-vote" nur ein "Werkzeug" sei, das Menschen die Möglichkeit gebe, ihre Meinung zu sagen. "Wir hoffen natürlich, dass mit der Zeit immer mehr Menschen teilnehmen werden", sagt er.

Fragen mit vorgegebenen Antworten sind bei "e-vote" selten: Die Bürger sollen ihre Meinung frei formulieren. Trotz aller Vorsicht, was die Aussagekraft der Ergebnisse angeht, bestätigt das Echo der EU-Bürger bei "e-vote" die Trends repräsentativer Meinungsumfragen: Die Mehrheit sieht die Zukunft der EU durchaus positiv. Die Hälfte der "e-vote"-Teilnehmer hält die beschlossene Erweiterung der Union im Jahre 2004 für "sehr gut" oder "gut". Allerdings sehen viele der möglichen Zuwanderung aus den Beitrittsländern mit gemischten Gefühlen entgegen. Sehr kritisch äußert sich rund die Hälfte der Teilnehmer zur Politik der EU in Nahost und Afrika sowie im Kosovo. Und 90 Prozent der "e-voter" wünschen sich, dass die EU in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik mit einer Stimme spricht.

Schlusslicht Großbritannien

Die bisherige Beteiligung an der Umfrage-Aktion ist jedoch eher gering, wenn man sie auf die Einwohner-Zahlen der einzelnen EU-Länder umrechnet. Am stärksten teilgenommen haben die Luxemburger - doch selbst hier waren es gerade einmal 0,05 Prozent der Gesamtbevölkerung. Fleißige "e-voter" sind auch die Griechen und die Österreicher. Schlusslicht auf der Skala des Interesses ist - Großbritannien: Nur einer von 50.000 Briten hat bei "e-vote" mitgemacht.

Für einen Fragebogen im Internet ohne große Werbekampagne sei solch eine Resonanz jedoch bemerkenswert, meint Andreas Papandreou. Dass zahlreiche Kritiker diese Befragungen nur für einen PR-Gag halten, findet er nicht schlimm: "Es ist natürlich, dass man misstrauisch ist gegenüber der Politik, die staatliche Organe oder die Organe der EU verfolgen." Dieses Misstrauen habe aber auch eine positive Seite. "So bleiben die Verantwortlichen selbstkritisch und müssen ihre Taktik und ihre Mittel hinterfragen."

Bedürfnis nach Kritik

Trotz aller Kritik ist das Bedürfnis, der EU direkt die Meinung zu sagen, offenbar groß: Mehr als 70 Prozent der "e-voter" halten derartige Umfrage-Aktionen für eine "wirklich gute Idee" und würden sogar regelmäßig daran teilnehmen. Bestes Beispiel ist das Thema Irak: Hierzu haben mehr als 100.000 EU-Bürger ihre Meinung geschrieben - dreimal mehr als zu den anderen Fragen. Die Ergebnisse sind wenig überraschend: Mehr als 90 Prozent der Befragten sehen keine Rechtfertigung für einen Krieg. Fast ebenso viele vertreten die Auffassung, dass ihr Land nicht militärisch, sondern diplomatisch im Rahmen einer gemeinsamen EU-Politik intervenieren sollte.

Andreas Papandreou ist allerdings skeptisch, ob die "e-vote"-Ergebnisse tatsächlich in die EU-Politik einfließen werden. Deshalb sein Appell nach Brüssel: "Die Bürokraten und die Politiker der EU müssen sich mit den Ansichten der Bürger auseinander setzen. Die Bürger müssen merken, dass ihre Meinungsäußerungen bei den Entscheidungen berücksichtigt werden." Wie das geschehen kann, weiß Papandreou auch noch nicht so recht. "Aber wenn die Entscheidungen der EU von den Umfragen beeinflusst werden, fassen die Bürger Vertrauen und werden verstärkt an solchen Umfragen teilnehmen."