1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Elektronik-Chips im Strahlenprüfstand

Fabian Schmidt20. Februar 2014

In Kernkraftwerken und im Weltall sind Computerchips zerstörerischer Strahlung ausgesetzt. Materialforscher in Darmstadt beschießen deshalb Siliziumoberflächen mit Teilchen. Ihr Ziel: stabilere Bauteile.

https://p.dw.com/p/1BBWt
Bestrahlungskammer im Bereich der Materialforschung des GSI (Foto: Fabian Schmidt/DW)
In dieser Bestrahlungskammer treffen schwere Ionen auf Silizium.Bild: DW/F. Schmidt

Wissenschaftler in Darmstadt haben einen ganz besonderen Schießstand zur Verfügung: den Teilchenbeschleuniger der Gesellschaft für Schwerionen-Forschung, kurz GSI. Die Anlage, die so groß ist wie eine ganze Fabrik, kann elektrisch geladene Atome mit hoher Masse, sogenannte Schwerionen, auf 90 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen. Die Forscher lassen die Teilchen dann im Labor der Materialforschung präzise dosiert auf ihre Proben prallen.

Christine Trautmann Physikerin (Foto: Fabian Schmidt/ DW)
Christina Trautmann leitet die Materialforschung.Bild: DW/F. Schmidt

"Wir haben eine Mikrosonde, damit können wir mit einzelnen Ionen unsere Proben präzise bestrahlen", sagt Christine Trautmann. Sie leitet die Materialforschung am GSI und kann den Teilchenstrahl so genau fokussieren, dass nur ein einziges Atom ganz gezielt auf eine Probe trifft, etwa auf einen Computerchip: "Bei einem elektronischen Bauteil schauen wir: Wo war der Einschlag und funktioniert das Ding noch? Oder gab es einen Schaden, der den ganzen Chip zum Stillstand brachte?"

Der Sinn dahinter: Trautmann und ihre Kollegen wollen herausfinden, welche Bereiche eines elektronischen Schaltkreises besonders gefährdet sind. "Punkt für Punkt kann man die Ionen auf dieses Bauteil schießen und abfahren. Wo macht ein Strahlenschaden einen tödlichen Schaden und wo regeneriert sich das Bauteil noch mal?" beschreibt die Forscherin das Vorgehen.

Veränderungen im Siliziumkristall auf der Spur

Auch die Doktorandin Hanna Bukowska von der Universität Duisburg-Essen will herausfinden, wie sich die Teilchenstrahlung auf Elektronik-Chips auswirkt. Aber sie geht etwas anders vor: Sie beschießt reines Silizium, also das Grundmaterial, aus dem Computerchips bestehen.

Im Labor öffnet sie eine kleine Klappe am Ende des Strahlrohres. Sie muss den Kristall für die Messung vorbereiten. Ihre Probe schiebt sie auf einer kleinen Probenkassette durch eine Schleuse in die Präparationskammer. "Dort kann man das Silizium so vorbereiten, dass es wirklich sauber ist", erklärt die Physikerin.

Physiker Hanna Bukowska und Florian Meinerzhagen am Versuchsaufbau.
Hanna Bukowska und Florian Meinerzhagen bereiten ihren Versuchsaufbau vorBild: Bukowska/Meinerzhagen, Universität Duisburg-Essen

Hat sie das Siliziumkristall geprüft und ist alles in Ordnung und vorbereitet, bestrahlt sie die Probe. Währenddessen müssen alle Forscher den Raum verlassen. Sie verfolgen den Bestrahlungsprozess aus einem Computerraum nebenan.

"Danach untersuchen wir, ob es Ionenschäden gegeben hat", sagt Bukowska. "Mit einem Rastertunnel- und Rasterkraftmikroskop untersuchen wir, ob sich das Silizium nach der Bestrahlung so verändert hat, wie wir uns das wünschen - indem wir es ähnlich wie mit einer Grammophonnadel abtasten." Die Messsonde des Mikroskops - eine sehr kleine Nadel - fährt die Oberfläche des Kristalls mechanisch ab. Sie misst an jedem Punkt den elektrischen Strom beziehungsweise die physikalische Kraft. Ein Computer rechnet die Informationen in ein Bild der Probe um.

Nach der Bestrahlung sollte sich die Kristalloberfläche des Siliziums verändert haben, hofft Bukowska: "Wir wollen eigentlich sehen, dass die Ionen auf dem Silizium sichtbare Schäden hinterlassen. Es gibt eine Theorie, die dies voraussagt, aber bisher keine experimentelle Verifizierung. Es gibt ebenfalls Stimmen, die das Gegenteil behaupten. Und das ist letztendlich ein Wissenschaftsstreit. Wir sind natürlich zuversichtlich, dass wir die Schäden sehen werden."

Strahlungen im Weltraum oder Kernkraftwerk

Noch geht es dabei um Grundlagenforschung, betont Bukowskas Doktorandenkollege Florian Meinerzhagen. Wenn man einmal weiß, wie sich das Silizium unter Ionenbeschuss verändert hat, könne man daraus Rückschlüsse ziehen, welche Veränderungen sich auf atomarer Ebene abgespielt hätten. Das sei wichtig für konkrete technische Anwendungen. "Gerade in der Raum- und Luftfahrt oder auch bei Kernkraftwerken hat man immer Strahlenschäden" sagt Meinerzhagen. "Und letztlich will man genau wissen, welche Prozesse dann auch wirklich ablaufen - auch auf den kleinen Skalen."

Daniel Severin Physiker (Foto: Fabian Schmidt, DW)
Daniel Severin liefert Forschern schnelle Ionen für ihre Experimente.Bild: DW/F. Schmidt

Verkehrsflugzeuge etwa sind tagtäglich einer hohen ionisierenden Strahlung ausgesetzt. Das sind zwar keine Schwerionen wie in Darmstadt, aber die Schäden, die entstehen können, ähneln sich trotzdem. Und Flugzeuge stecken voller Elektronik, betont Laborleiter Daniel Severin. "Silizium ist ja einer der Hauptbestandteile von elektronischen Bauteilen. In dem Moment, wo ich die Prozesse verstehe, die ablaufen, wenn ein solches Teilchen auf Silizium trifft, kann ich auch viel besser verstehen, welche Fehler in einem elektrischen Bauteil auftreten können und wie ich diese Fehlerkaskaden unterbrechen kann." Ihm geht es darum, herauszufinden welche Eigenschaften die neuen Materialien haben müssen, um strahlenresistent zu sein.

Besonders interessant ist das auch für Konstrukteure von Satelliten. Denn sind die einmal im All, kann man die Elektronik nicht mehr so einfach austauschen. Und die kosmische Strahlung dort ist noch um ein vielfaches stärker als bei einem Passagierflugzeug.