Elefant auf der Überholspur
24. Februar 2003Ein bisschen sei man schon überrascht gewesen, meint Staatssekretär Rüdiger Frohn zu den Journalisten im Bundespräsidialamt. Bei den Vorbereitungen zu der Rau-Reise hätte die indische Delegation ausdrücklich gewünscht, mehr über erneuerbare Energien zu erfahren. Die Deutschen hätten dazu nicht "Nein" gesagt, schließlich sind sie im Bereich von Wind- und Solarenergie weltweit führend.
Auch um andere "friedliche" Energien wird es gehen. Beim ersten Besuch eines deutschen Bundespräsidenten seit 1991 kann die weltpolitisch angespannte Lage nicht unter den Tisch gekehrt werden. Auf dem Übersichtplan der Reise finden sich dennoch viele wirtschaftliche Termine.
Lage, Privatisierung, Liberalisierung...
Seit gut zehn Jahren ist Deutschland für Indien einer der wichtigsten fünf Handelspartner. Anders herum, also aus dem deutschen Blickwinkel, "spielt Indien eine untergeordnete Rolle" meint Dirk Matter, Leiter der deutsch-indischen Handelskammer (IGCC).
Das verwundert auf den ersten Blick. Der Subkontinent hat seit Anfang der 90er Jahre enorme Anstrengungen unternommen, seine Strukturen der Globalisierung anzupassen. Auch wenn "die Uhren in Indien anders ticken, die Firmen, die sich durch den Anfang durchgebissen haben verdienen durchaus". Um ein wirklich wichtiger Handelspartner Deutschlands zu werden, fehlt Indien allerdings noch etwas: Geld.
Elefant gegen Drache
Die indische Wirtschaft "ist ein stetig laufender Elefant", meint Bernhard Steinruecke, ebenfalls von der deutsch-indischen Handelskammer. Dieses Bild ist nicht negativ. Allerdings animiert es ausländische Investoren auch nicht gerade dazu, in der tollkühnen Art und Weise Geld in das Land zu pumpen, wie das in Südkorea und den anderen asiatischen "Tigerstaaten" der Fall war.
Viel schlimmer für Indien aber ist, dass es der chinesische Drache mit seinem riesenhaften Schatten überdeckt. Nach der China-Euphorie der Investoren bleibt meist nicht viel für den Subkontinent. Von ihrem offiziellen Ziel, 10 Milliarden Dollar pro Jahr ins Land zu holen, ist die indische Regierung noch weit entfernt. Letztes Jahr waren es gerade mal 3,5 Milliarden. "Peanuts", meint Matter.
Biotechnologie oder Ochsenkarren
Wenn die ausländischen Investoren so zögerlich sind, dann muss die Binnennachfrage ran. Schwierig, bei den enormen regionalen Unterschieden. Im Osten ziehen viele Bauern den Pflug noch mit ihren Ochsen über die Felder. In anderen Teilen des riesigen Landes gibt es hochmoderne Technologiezentren, allen voran Bangalore, das es mit dem berühmten amerikanischen Silicon Valley aufnehmen kann. "Das sind Insel der Glückseligen", sagt Matter. Sie, unter anderem, sind verantwortlich für ein robustes Wirtschaftswachstum, dass sich zwischen fünf und sieben Prozent eingependelt hat. Darüber hinaus beziehen viele Länder, unter anderem auch Deutschland, tonnenweise Textilien und Schuhe aus Indien, die dort günstig produziert werden.
Der wirtschaftliche Jackpot des Ein-Milliarden Landes ist allerdings noch längst nicht gewonnen. Matter glaubt sogar, der Subkontinent habe ein ähnliches Potenzial wie China.
Der "Brain Drain"
Anzeichen dafür, dass der indische Elefant den chinesischen Drachen irgendwann einmal überholen könnte, gibt es jetzt schon. Ob in den USA oder Deutschland, indische Computerexperten sind gerne gesehen. Die Bundesrepublik versuchte sogar, mit einer speziellen Greencard-Kampagne mehr von den hochqualifizierten Indern ins Land zu holen. Aufgrund der hohen bürokratischen Hürden und der Branchenkrise bisher allerdings mit mäßigem Erfolg.
So leicht gibt der Bundesadler aber nicht auf. Zwar wolle man sich nicht am sogenannten Brain-Drain, also der Abwerbung der intellektuellen Eliten, aus Indien beteiligen, meint Staatssekretär Frohn. Aber der Rau-Besuch solle die wissenschaftliche Zusammenarbeit der Länder verstärken. Auf diese Weise profitiert Deutschland doch vom Computer Know-How auf dem Subkontinent. Die Inder haben dazu bestimmt nicht "Nein" gesagt. Schließlich sind sie in diesem Bereich weltweit führend.