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Politik

Eklat bei Diskussion in "Shabab Talk"

25. November 2017

Als eine junge Jordanierin in der DW-Talkshow "Shabab Talk" über sexuelle Belästigung berichtet, fällt ihr ein Politiker ins Wort. Nach lautem Wortwechsel mit dem Moderator verlässt er während der Sendung das Studio.

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Shabab Talk
Bild: DW

Die Atmosphäre änderte sich binnen Sekunden. DW-Moderator Jaafar Abdul Karim, Gastgeber der auf Arabisch produzierten Talkrunde Shabab Talk der Deutschen Welle, hatte zu einer Diskussion um die Rechte junger Frauen in Jordanien eingeladen. Eine junge Frau, das Gesicht durch eine Kapuze verdeckt, berichtete im Gespräch mit Abdul Karim von ihren Erfahrungen mit sexueller Belästigung. Einmal sei sie Übergriffen ausgesetzt gewesen, die sie dann auf einer Polizeiwache gemeldet hätte. Die Beamten dort reagierten auf die Anzeige auf ganz eigene Weise: Sie belästigten die Frau ihrerseits.

"Wir Frauen sind es, die unter sexueller Belästigung leiden", sprach die junge Frau ins Mikrofon. Ihre Familie unterstütze sie, aber sie spreche auch für andere Jordanierinnen. Ganz offen kritisierte sie die jordanische Gesetzeslage und das Verhalten der jordanischen Behörden.

"Ihre Sendung ist unanständig"

Das wollte einer der Gäste, der Politiker und Parlamentsabgeordnete Mahmoud Kharabsheh, so nicht stehen lassen. "Du bist so jung und hast schon so viel Erfahrung?", fiel er der jungen Frau ins Wort. Auch bezweifelte er, dass es sich bei der jungen Frau um eine Jordanierin handelte. "Jordanische Frauen sind nicht so", unterbrach er sie. Auch äußerte er Zweifel an der Nationalität der Frau. "Jordanierinnen gehen nicht ins Fernsehen und sprechen dort öffentlich", erklärte er. "Bist Du eine Jordanierin? Zeig mir Deinen Ausweis!"

Eklat bei "Shabab Talk"

An diesem Punkt schritt Moderator Jaafar Abdul Karim ein. "Das ist Ihre Meinung, aber bitte respektieren Sie meine Gäste", wandte er sich an Kharabsheh. Für den war das offenbar zu viel. Ihn hielt es nicht mehr auf seinem Sitz. "Ihre Sendung ist unanständig", entgegnete er. "Denken Sie, was für Sie OK ist, geht auch für mich in Ordnung?" Und weiter: "Wir Jordanier haben Ehre, unser Land ist anständig", erklärte er in harschem Ton.

Umgehend verteidigte Abdul Karim die junge Frau. "Sie sind willkommen hier, aber Sie müssen meine Gäste respektieren", ermahnte er den Politiker. Der aber wollte davon nichts wissen, wandte sich ab und verließ inmitten der Diskussion das Studio. 

Reaktionen in den sozialen Medien

In den sozialen Medien wurde das Video der Szene zahllose Male geklickt. Viele Nutzer kommentierten den Vorfall.

In der arabischen Welt müsse man auch peinliche Themen aufgreifen, schrieb Maha Aranki auf Twitter. Es brauche eine Kampagne, die für solche Themen sensibilisiere.

Eine weitere Nutzerin, Nora A., lobt vor allem Abdul Karims Umgang mit Kharabsheh.


Andere Nutzer hingegen wollen die Aussagen der jungen Frau in Abdul Karims Sendung nicht gelten lassen.

"Jordanische Frauen werden nicht belästigt", schreibt Hamzeh Shurman. "Und wenn es Belästigung geben sollte, betrifft sie nicht mehr als ein Prozent. "Was sind deiner Meinung nach die Gründe für die Belästigung?"

Auch Eva Maitha zeigt sich kritisch. "Wie kann sie es wagen, im Namen der jordanischen Frauen zu sprechen? Niemand sollte es wagen, im Namen auch nur einer jordanischen Frau zu sprechen. Die jordanische Frau ist in ihrer Familie und innerhalb der Bevölkerung geschützt."

Überwiegend äußern sich die weiblichen Nutzer aber zustimmend.

"Als jordanische Frau kann ich sagen, dass dies das erste Fernsehprogramm ist, das wirklich alle jordanischen Frauen vertritt. Vor allem dann, wenn es um Tabu-Themen geht", schreibt Afnan Abdin. "Dazu gehören Vergewaltigung, sexuelle Belästigung und häusliche Gewalt. Ihr seid weiterhin die Besten und Glaubwürdigsten. Mit allem Respekt für Shabab Talk."

Reale Ungleichheit

Die Sendung löste in den sozialen Medien nicht nur eine Diskussion über sexuelle Belästigung aus. Ebenso diskutierten die Nutzer auch andere Themen im Verhältnis der Geschlechter, so etwa Frauenrechte und Ungleichheit.

Dass es sich nicht nur um "gefühlte", sondern reale Ungleichheit handelt, belegt auch der vom World Economic Forum herausgegebene "Global Gender Gap Index", der die Gleichbehandlung von Männern und Frauen weltweit misst. Im Ranking des Jahres 2017 kommt Jordanien auf Platz 135 von insgesamt 144 Plätzen.

Einer Studie des "Sisterhood is Global Institute Jordan" (SIGI) zufolge zögern 57 Prozent der jordanischen Frauen, Fälle von sexueller Belästigung oder Vergewaltigung anzuzeigen. 73 Prozent der Befragten fürchten, dies könnte ihrem Ruf schaden und ihnen Unannehmlichkeiten bringen.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika