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Eiszeit zwischen Türkei und Schweden

12. März 2010

Aus Protest gegen eine Armenien-Resolution des schwedischen Parlaments hat die Türkei ihre Botschafterin aus Stockholm zurückgerufen. Die heikle Streitfrage: Gab es im Ersten Weltkrieg einen Völkermord an den Armeniern?

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Zergün Korutürk (Foto: AP)
Zurück nach Ankara: Botschafterin Zergün KorutürkBild: AP

Die Reaktion aus Ankara ließ nicht lange auf sich warten: Kaum hatte das schwedische Parlament eine Resolution verabschiedet, die die Tötung hunderttausender Armenier im Osmanischen Reich als Völkermord einstuft, gab das Büro des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan eine Erklärung ab: "Unser Volk und unsere Regierung weist diese von Fehlern beschmutzte Entscheidung zurück." Die Resolution passe nicht zu der engen Freundschaft beider Staaten. Ein für kommende Woche geplanter Schweden-Besuch Erdogans wurde abgesagt.

Die türkische Botschafterin in Stockholm, Zergün Korutürk, wurde aus dem skandinavischen Land zurückbeordert - zu Beratungen in die Heimat, wie es heißt. Es sei bedauerlich, dass Schwedens Parlamentarier "Historiker spielen". Sie werde Schweden "so schnell wie möglich" verlassen, sagte Korutürk. Wegen einer ähnlichen Armenien-Resolution in einem US-Kongressausschuss hatte die Türkei vergangene Woche bereits ihren Botschafter aus Washington abgezogen.

Überraschende Entscheidung

Schwedisches Parlament (Archivfoto: dpa)
Billigte die umstrittene Resolution: Parlament in StockholmBild: Picture-Alliance /dpa

Die Türkei konnte es auch nicht milde stimmen, dass die Entscheidung im schwedischen Parlament gegen den Willen der Mitte-Rechts-Regierung fiel. Letztlich wurde die von der linken Opposition ins Parlament eingebrachte Resolution mit der denkbar knappsten Mehrheit von einer Stimme angenommen. 131 Abgeordnete stimmten für die Resolution, 130 dagegen. Aus dem Regierungslager kamen demnach mindestens vier Stimmen. 88 Abgeordnete waren während der Abstimmung am Donnerstagabend (11.03.2010) nicht im Parlament anwesend.

Die Entscheidung sei bedauerlich, weil dadurch der laufende Versöhnungsprozess zwischen der Türkei und Armenien gefährdet werden könnte, meinte der schwedische Außenminister Carl Bildt. Zugleich versicherte er, die Abstimmung ändere nichts an der Haltung seiner Regierung zur Türkei. Schweden gehört zu den Ländern innerhalb der Europäischen Union, die einen EU-Beitritt der Türkei unterstützen.

Bereits seit Jahrzehnten...

Gedenkstätte in Eriwan (Foto: AP)
Gedenkstätte für getötete Armenier in EriwanBild: AP

...wird über die historische Bewertung der Ereignisse im Osmanischen Reich während des Ersten Weltkriegs gestritten. Historiker schätzen, dass damals bis zu 1,5 Millionen Armenier von Türken getötet wurden. Die Türkei wehrt sich entschieden gegen diese Einschätzung und hat wiederholt erklärt, die Zahl der Toten sei übertrieben. Die Armenier seien Opfer von Bürgerkrieg und Unruhen geworden. Die Türkei ist Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reiches.

Autor: Christian Walz (afp, rtr, apn, dpa)
Redaktion: Rolf Breuch