1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Super Size USA

Ranty Islam17. Oktober 2006

Am Dienstag überschreitet die Einwohnerzahl der USA die 300-Millionen-Marke. Verantwortlich dafür sind viele Einwanderer und noch mehr Geburten. Anders als früher begrüßen immer weniger Amerikaner das Wachstum.

https://p.dw.com/p/9EzG
US-Bevölkerungswachstum - vor allem durch Menschen lateinamerikanischer Abstammung.Bild: AP

Vielleicht ist es ein Neugeborenes in einem New Yorker Krankenhaus, oder ein Einwanderer, der die Grenze von Mexiko in die USA überschreitet - wer genau der dreihundertmillionste Einwohner der USA sein wird, weiß niemand. Fest steht nur, dass es in dieser Woche so weit sein muss, glaubt man den Statistikern des US Census Bureau (US-Behörde für Bevölkerungsstatistik). Alle elf Sekunden kommt eine Person dazu. Daraus hat die Behörde errechnet, dass am Dienstag (17.10.2006) nachmittag um 13.45 Uhr die neue Millionenmarke überschritten wird.

Die Statistiker verzeichnen gegenwärtig eine jährliche Bevölkerungs-Zuwachsrate von einem Prozent - das ist höher als in jedem anderen Industrieland. Von den jährlich rund drei Millionen neuen Einwohnern sind 40 Prozent Einwanderer, viele von ihnen illegal. Der Rest sind Neugeborene - dank der höchsten Fruchtbarkeitszahl seit 1971. Im Schnitt gebären Frauen in den USA 2,1 Kinder (in Deutschland sind es nur 1,3).

Demographische Umbrüche

Nach Ansicht von Experten wird das Wachstum in den nächsten Jahrzehnten zu dramatischen demographischen Umbrüchen in den USA führen. Die Geburtenraten sind in bestimmten Bevölkerungsgruppen besonders hoch, insbesondere bei Afroamerikanern und Amerikanern lateinamerikanischer Abstammung. "Der Anteil weißer [nicht-hispanischer] Amerikaner wird voraussichtlich um das Jahr 2050 auf unter die Hälfte sinken", sagt Mirjam Hägele von der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung. Dass Spanisch das Englische als meistgesprochene Sprache der USA ablöst, sei nur noch eine Frage der Zeit, sagt sie. Besonders dann, wenn auch die Zahl der Einwanderer - zumeist aus Lateinamerika - so hoch bleibt wie bisher.

Die Simpson-Familie vor ihrem Haus
Die meisten Amerikaner leben in den VorstädtenBild: AP

Ein immer größerer Teil der US-Bevölkerung lebt im Süden des Landes. In einigen der Bundesstaaten hier, wie Arizona, Nevada und Florida, wächst die Bevölkerung bis zu drei mal schneller als im Landesdurchschnitt. Einzig North Dakota - ein Bundesstaat an der Grenze zu Kanada - vermeldet eine leicht schrumpfende Bevölkerungszahl. Ein weiterer Trend sind die sich stetig vergrößernden Vorstädte. Während der relative Anteil von Einwohnern in den Städten stagniert, sind die Vororte in den vergangenen 30 Jahren zum Herzen Amerikas geworden. Über die Hälfte der Bevölkerung lebt dort, 1970 waren es nur 38 Prozent.

Wirtschaftliche und politische Folgen

Im Jahr 1915 zählten die USA zum ersten Mal mehr als hundert Millionen Einwohner, 1967 waren es bereits zweihundert Millionen. Der Sprung über die neue Millionenmarke kommt nur 39 Jahre später.

Eine steigende Bevölkerungszahl werde zunächst als gute Nachricht wahrgenommen, sagt Steffen Angenendt, Demographie-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Daran knüpfe sich die Erwartung "einer leistungsfähigeren Volkswirtschaft, in der mehr produziert und mehr konsumiert wird." Doch die politischen und sozialen Folgen der starken demographischen Veränderungen sind kaum absehbar. "Die Bevölkerung wächst, wird älter und verschiedener", sagt Angenendt. Der Anteil von Amerikanern lateinamerikanischer Abstammung werde sich bis Mitte des Jahrhunderts auf rund ein Viertel verdoppeln. "Diese Gruppe wird ihre politischen Forderungen viel stärker artikulieren", so Angenendt. Andererseits werde die weiße, nicht-hispanische Bevölkerung ihren möglichen politischen Bedeutungsverlust nicht kritiklos hinnehmen.

USA - alles etwas größer

Ölfeld in Texas
Ein Viertel des Weltenergiebedarfs für die USABild: AP

Verglichen mit sechs Milliarden Menschen auf dem gesamten Globus, scheint der jährliche US-Bevölkerungszuwachs von drei Millionen eher bescheiden. Nicht so in einem Land, in dem vom Essen bis zum Auto alles etwas größer ist. Der enorme Ressourcenverbrauch in den USA macht die Folgen ungleich schwerwiegender. Fünf Prozent der Weltbevölkerung leben in den USA, sind aber für knapp ein Viertel des globalen Energieverbrauchs verantwortlich. Jeder Amerikaner verbraucht im Schnitt drei Mal soviel Wasser wie ein Bewohner der Entwicklungsländer, und der Kohlendioxidausstoß pro Kopf ist in den USA zwanzigmal so hoch wie in Indien - mit 1,1 Milliarden Menschen das zweitgrößte Land der Erde.

Die sozialen Unwägbarkeiten und die Umweltauswirkungen geben offenbar immer mehr Amerikanern zu denken. Die US-Organisation Negative Population Growth (NPG), die nach eigenen Angaben 25.000 Mitglieder zählt, hat sich zwei politischen Zielen verschrieben. Die Geburtenrate müsse deutlich verringert werden. Eine bewusste Politik für "Zwei-Kind-Familien" könnte dies fördern. Eine strikte Geburtenbegrenzung wie in China sollte es aber nicht geben. Für die zweite Forderung einer verstärkten Begrenzung der Zuwanderung sieht sich die Organisation offenbar des Öfteren dem Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit ausgesetzt. Auf ihrer Webseite distanziert sich NPG jedoch von jeglicher Art von Rassismus.

Sollte sich nichts ändern, werden die demographischen Umwälzungen in erster Linie die Menschen in den USA beschäftigen, doch auch aus europäischer Sicht wird sich das Gesicht der USA stark wandeln. Mitte des 21. Jahrhunderts wartet dann auf der anderen Seite des Atlantiks eine spanischsprechende Supermacht mit 400 Millionen Einwohnern.