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Karneval und kölsche Seele

24. Februar 2012

Sie sind Urgesteine des kölschen Karnevals: Wicky Junggeburth und die Bläck Fööss, die seit mehr als 40 Jahren auf der Bühne stehen. Ihr Erfolg basiert auf Texten in kölscher Sprache mit viel Lokalkolorit.

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Clown zieht Grimasse (@ Fotolia© Lisa F. Young)
Bild: Fotolia/Lisa F. Young

Wicky Junggeburth ist ein echter kölscher Jung. Wenn man ihn fragt, was es mit Karneval auf sich hat, antwortet er am liebsten mit einem Lied: "Jecke Saache met ze mache, drövver laache, Liedscher senge, danze, sprenge, dat es Karneval."

Für alle, die der kölschen Mundart nicht mächtig sind, gibt es hier seine kleine Anleitung auf Hochdeutsch: verrückte Sachen machen, darüber lachen, Lieder singen, tanzen, springen und nebenbei ein paar Küsschen verteilen. "Man muss mal alle Sorgen für eine begrenzte Zeit vergessen", sagt Wicky Junggeburth, "aber am Aschermittwoch muss es dann auch wieder vorbei sein."

Zumindest gelten diese Regeln im kölschen Karneval. In Rio, Venedig, Cochabamba oder New Orleans sieht es in den närrischen Tagen ganz anders aus, aber alle Karnevalisten rund um den Erdball eint die Freude am Verkleiden und Musizieren.

"Eimol Prinz zo sin"

In der Domstadt ist es die höchste Ehre, das Amt des Prinz Karneval zu bekleiden. Über dieses unbeschreibliche Gefühl hat Wicky Junggeburth sogar ein Lied geschrieben, schließlich war er in der Karnevalsession 1993 Prinz Karneval in der Domstadt. und "Eimol Prinz zo sin" mutierte im Köln schnell zum Klassiker.

Wicky Junggeburth auf der Bühne (Copyright: Michael Schopps)
Ex-Prinz Wicky JunggeburthBild: privat/Michael Schopps

Karneval liegt den Kölnern eben im Blut, nicht umsonst ist die Stadt in der ganzen Republik als feierfreudige Metropole bekannt. Vor über 2000 Jahren von der Römern gegründet und im Laufe der Jahrhunderte von Franzosen und Preußen besetzt, hat die Domstadt schon viele Nationen beherbergt und so manche fremdländische Eigenart übernommen. Der Humorist Konrad Beikircher beschreibt das rheinisch jecke Völkchen recht treffend: "Hier haben die römische Lebensart gepaart mit dem pariserischen savoire vivre einen Humus gefunden, auf dem das kölsche Selbstbewusstsein und die kölsche Sprache blühen."  

Milieustudien und Lebensgefühl

In der Tat gibt es in ganz Deutschland keine andere Stadt, in der so viele Musiker in der heimischen Mundart singen; allen voran die Bläck Fööss. Es sind Lieder zum Anfassen, voller Humor und Lokalkolorit, gelungene Milieustudien des Lebens im "Veedel", also dem Stadtviertel, und in der Familie. Somit also Volkslieder in kölscher Sprache, die das Lebensgefühl einer ganzen Region ausdrücken. "Ich glaube, die Sprache ist das einzig Typische, was Städte und Regionen heutzutage noch haben", findet Bassist Hartmut Priess. "Fußgängerzonen und Kaufhäuser sehen überall gleich aus. Der verbleibende Raum, wo man sagen kann: 'Das sind wir' liegt in der Sprache."

Die Bläck Fööss vor der Hohenzollernbrücke in Köln (Copyright: Rainer Dahmen)
Die Bläck Fööss lieben ihre StadtBild: Rainer Dahmen

So erhält sich der Kölner also ein wichtiges Stück Identität - und nicht nur er, ergänzt Priess. "Auch für die Zugereisten ist das sehr wichtig, weil sie über die Feste und über die Musik Gelegenheit haben, die kölsche Mundart kennenzulernen und mit ihr vertraut zu werden."

Nichtkölner, die in der Domstadt liebevoll als "Immis" (Immigranten) tituliert werden, sind also schnell integriert im kölschen Karneval: Selbst wenn sie kaum deutsch sprechen, können sie doch spätestens nach ein paar Tagen die Refrains kölscher Lieder mitsingen und der Stadt Colonia gemeinsam mit den Bläck Fööss eine musikalische Liebeserklärung darbringen: "Du bes die Stadt, op die mer all he stonn"; auf Hochdeutsch klingt das nur halb so schön: "Du bist die Stadt, die wir alle lieben."

Mit nackten Füßen zum Erfolg

Die Bläck Fööss waren beileibe nicht die ersten, die kölsche Lieder sangen. Aber sie entstammen einer Generation, die eher englische Rockmusik als althergebrachtes Liedgut im Kopf hatte. Schon ihr Name sollte englisch klingen; aus dem Kölschen übersetzt bedeutet Bläck Fööss so viel wie "nackte Füße". Ihre ersten Auftritte 1970 mit E-Gitarren, langen Haaren, in Jeans und barfuß galten im gutbürgerlichen Kölner Karneval nahezu als Palastrevolte. Doch ihr Siegeszug war unaufhaltsam. Die Lieder der Band sind heute längst Evergreens.

Die Bläck Fööss im Straßenkarneval (Copyright: Maksim Nelioubin)
Die Bläck Fööss im StraßenkarnevalBild: DW/Nelioubin

Ihre Texte stecken die Bläck Fööss mit viel Geschick und Liebe zum Detail in musikalische Kostüme, die vom Rock über Reggae, vom Walzer über Tango, vom Marsch bis hin zum Gospel oder a cappella Madrigalsatz reichen. Bei aller Liebe für ihre Stadt sind viele Liedtexte der Bläck Fööss eher nachdenklich, oft voll Ironie und Sozialkritik. Ausländerfeindlichkeit, Armut oder Umweltzerstörung sind ebenso Thema wie die Alltagssorgen des kleinen Mannes. "In unseren Liedern beschreiben wir einfach die Sehnsüchte nach Zusammenhalt und dem Leben im Veedel", sagt Sänger und Gitarrist Bömmel Lückerath. "Aber es gibt keine heile Welt. Man muss eben auch mit der Realität leben."

Pappnase und Brauchtum

Trotzdem sind sich die Bläck Fööss einig, dass die kölsche Mentalität etwas ganz Besonderes ist. Und das nicht nur im Karneval. Doch dann zeigen sich die Kölner besonders ausgelassen. Genau so, wie der kölsche Liedsänger Wicky Junggeburth es sich vorstellt. "Dieses Gefühl, das der Kölner in dieser Zeit bekommt, kann man quasi nicht erklären, das ist so mit der Muttermilch eingesogen worden", erklärt er. Für Auswärtige sei das allerdings oft schwer zu vermitteln: "Die sagen: Die Kölner laufen ab Januar mit der Pappnase herum, das kann doch nicht normal sein. Für uns ist das normal, und wir schämen uns auch nicht deswegen."

Karnevalisten (Foto: Henning Kaiser dpa/lnw)
Jecken unterwegsBild: picture alliance/dpa

Doch wer denkt, kölsche Lieder würden nur in der Karnevalszeit zum Besten gegeben, der irrt, klärt Bläck Fööss-Bassist Hartmut Priess auf. "Die Kölner schlafen sich dann nach Aschermittwoch erst mal sechs Wochen aus; sie durchleiden die Fastenzeit, und das tut man am besten im Tiefschlaf. Aber am Ostersonntag taucht der Kölner in Feierlaune wieder auf, und mit welchen Liedern feiert er wohl?" Keine Frage: Genau mit den kölschen Evergeens, die er sechs Wochen zuvor noch im Karneval angestimmt hat. Na dann: Kölle Alaaf!

Autorin: Suzanne Cords
Redaktion: Rick Fulker