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Eine ungewöhnliche Muslima

Gaby Reucher 13. Mai 2014

Moral, Freundschaft und Sicherheit: Viele Völker halten diese Werte hoch. Aber jede Kultur lebt sie anders. Deshalb setzt sich Doaa Mohamed Soliman auch beruflich für den Dialog der Kulturen ein.

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Die ägyptische Journalistin Doaa Mohamed Soliman (Foto: DW/Gaby Reucher)
Bild: DW/G. Reucher

Es ist warm an diesem Tag, sehr warm. Trotzdem trägt Doaa Mohamed Soliman ein langes dunkles Gewand und hat ihr Kopftuch eng um den Kopf geschlungen. "Ich trage es nicht, weil ich Ägypterin bin oder weil es die Gesellschaft vorschreibt, sondern weil es mit meinem Glauben und mit meiner Religion zu tun hat", erklärt die junge Referentin für digitale Medien. "Es ist Teil von mir, wie ich mich sehe." Auf das Kopftuch ist Doaa nicht nur wegen der Hitze zu sprechen gekommen, sondern weil sie auch ansonsten nicht so ganz den Vorstellungen einer typisch muslimischen Ägypterin entspricht. Das, so sagt sie, habe sie ihrem Aufenthalt in Deutschland zu verdanken.

Auf zu neuen Ufern

Mit einem Master-Stipendium desDeutschen Akademischen Austauschdienstes konnte sich die 27-Jährige einen Traum erfüllen. 2011 kam sie nach Deutschland. Nach ihrem Journalismus-Studium in Kairo hatte sie für verschiedene englischsprachige Zeitungen in Ägypten geschrieben und auch über die Unruhen in ihrem Land berichtet. Es wäre durchaus naheliegend gewesen, mit ihren guten Englischkenntnissen in den USA oder in England weiter zu studieren, aber es kam anders. "Ich stieß im Netz auf das Public Policy and Good Governance-Programm des DAAD an der Universität Duisburg-Essen. Die Anmeldefrist lief nur noch zwei Wochen. Ich wurde tatsächlich eingeladen und bekam das Stipendium. Ich konnte es gar nicht fassen."

Doaa verkündete zuhause und im Freundeskreis, dass sie ihren Job aufgeben werde, um nach Deutschland zu gehen und dort zu studieren. Das war in den Augen ihrer Freunde der erste ungewöhnliche Schritt für eine Muslima. "Sie fragten mich: 'Akzeptiert dein Vater, dass du für so lange Zeit alleine in ein anderes Land gehst?' Diese Frage war für mich der Anlass, etwas zu ändern."

Alumna Doaa Mohamed Soliman hat sich seit ihrem Deutschlandaufenthalt verändert

Ägypten, so führt Doaa aus, sei durchaus ein moderates Land, aber natürlich gebe es dort eigene kulturelle Vorstellungen. Ein Mädchen könne nicht so einfach ihre Arbeit und ihre Familie verlassen, noch dazu ohne Sprachkenntnisse und ohne Freunde im fremden Land.

Durch andere über sich selbst lernen

Als Doaa Mohamed Soliman eineinhalb Jahre später aus Deutschland zurückkehrte, begann sie ihren Freundinnen Mut zu machen, ähnliche Erfahrungen zu sammeln. "Veränderungen beginnen im engsten Freundeskreis. Meine Freunde haben dann auch ihre Einstellung geändert, weil sie gesehen haben, was ich geschafft habe."

Heute lebt Doaa - auch das ist ungewöhnlich für eine ägyptische Frau - allein in Alexandria. Sie arbeitet in der Anna-Lindh-Stiftung für den Dialog zwischen den Kulturen. Außerdem gehört sie zum DAAD-Expertenkreis, der im Rahmen der "Deutsch-Arabischen Transformationspartnerschaft" beratend tätig ist. Durch ihren journalistischen Hintergrund ist Doaa Mohamed Soliman daran interessiert, wie der Austausch zwischen den Kulturen die Mentalität der Menschen beeinflusst und Veränderungen bewirken kann. So, wie sie es auch am eigenen Leib erfahren hat: "Du lernst dich selbst nicht richtig kennen, bis du erfährst, was Leute in anderen Ländern über sich und über dich denken."

Gemeinsame Werte verbinden

Schon die ersten Begrüßungsrituale in Deutschland waren für die junge Ägypterin ein Kulturschock. In ihrer Heimat schüttelt man als Frau keinem Mann die Hand, und mit freundschaftlichen Umarmungen tat sie sich anfangs besonders schwer. "Ich habe dann aber gelernt, dass solche Verhaltensweisen in Deutschland anders gesehen werden. Wer in Deutschland von einem Mann umarmt wird, muss nicht gleich Heiratsabsichten fürchten."

Ein Händedruck zwischen einer schwarzen und einer weißen Hand (Foto: imago/imagebroker)
Händedruck ist nicht gleich HändedruckBild: imago/imagebroker

Natürlich hatte Doaa Mohamed Soliman auch Vorurteile, bevor sie nach Europa kam. "Wir schauen auf den Westen, und es sieht aus, als würden die Leute einfach auf der Straße tanzen." In Deutschland erfuhr sie dann, dass es auch hier moralische Grenzen gibt, und kam zu dem Schluss: "Die Menschen sind gar nicht so verschieden; wir präsentieren uns nur unterschiedlich." Gerade Werte wie Moral, Sicherheit, Freundschaft oder Respekt seien in allen Kulturen bedeutend.

Neues Selbstbewusstsein

Was das Thema Respekt anbelangt, machte Doaa in Deutschland ganz neue Erfahrungen. So hat sie beispielsweise im Umgang mit Professoren - in Ägypten absolute Respektpersonen - an Selbstbewusstsein gewonnen. "Ich denke heute, dass es richtig ist, seinen Professor zu respektieren, aber ich kann jetzt sagen: Ok, der Professor weiß mehr als ich, aber ich bin aus einer anderen Generation und kann ihm sagen, dass ich aus meiner Erfahrung heraus bestimmte Dinge anders sehe. Auch meine Sichtweise hat einen Wert." Diese Erkenntnis habe sie mit nach Ägypten genommen, auch wenn sie dort nicht so einfach zu übertragen sei, denn da gelte man schnell als Querulant.

Das Selbstbewusstsein bei den jungen Leuten in Ägypten sei in den letzten drei Jahren stark gewachsen, findet Doaa - eine positive Auswirkung der Arabischen Revolution. Die Menschen hätten erfahren, dass ihre Stimme zählt. "Die Leute kennen seitdem ihre Kraft. Sie denken nicht wie früher, dass man sowieso nichts ändern kann", sagt sie.

Warten auf den Wandel

Trotzdem ist Doaa Mohamed Soliman vorsichtig, was die Zukunft ihrer Heimat anbelangt: "Durch die Revolution sollte das Leben der Leute besser werden, aber es ist immer noch alles sehr konfus." Die Lebensqualität der Durchschnittsbürger habe sich nicht wirklich verbessert. "Aber irgendwann", da ist sich Doaa sicher, "wird ein Wandel kommen, und ich will daran teilhaben."

Zwei Demonstantinen mit Fahne und Plakat auf dem Tahrir-Platz (Foto: dpa)
Bei den Protesten auf dem Tahrir-Platz kämpften auch viele Frauen für ein neues ÄgyptenBild: dpa

Dass sie dann auch ihr Kopftuch ablegt, glaubt sie nicht, denn das sei Ausdruck ihrer Kultur, und die will sie auch nach außen zeigen. Das müssten dann wiederum andere Kulturen respektieren. "Sollte sich irgendwann mein Gefühl in Bezug auf meine Kultur und meine Religion ändern, dann würde ich aber nicht zögern, mein Kopftuch herunterzureißen", erklärt sie selbstbewusst. "Auch in einer Gesellschaft, die will, dass ich mich durch ein Kopftuch bedecke."