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"Eine traurige Bilanz"

Karin Ogunsade22. August 2002

Vor 41 Jahren begann die DDR mit dem Mauerbau in Berlin. Und noch immer werden neue Fälle von Todesopfern an der innerdeutschen Grenze offen gelegt - zwölf Jahre nach dem Zerfall des zweiten deutschen Staates.

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Sonntagsarbeit am 13. August 1961: Mauerbau in BerlinBild: dpa

"Es ist eine traurige Bilanz", sagte Alexandra Hildebrandt aus dem Vorstand der "Arbeitsgemeinschaft 13. August", als sie am Montag (12.08.) in Berlin die neuesten Zahlen der Todesopfer an den innerdeutschen Grenzen bekannt gab. Von 1946 bis November 1989 waren dort den Recherchen der Organisation zufolge mindestens 985 Menschen umgekommen. Allein im vergangenen Jahr seien 25 neue Todesfälle aufgedeckt worden. Die Arbeitsgemeinschaft geht aber nach eigenen Angaben noch von weiteren Toten an der innerdeutschen Grenze aus und rechnet mit einer Gesamtzahl von annähernd 1.000 Opfern.

Die Organisation recherchiert und registriert Menschen, die an der Mauer um West-Berlin ums Leben kamen. Daneben werden Opfer erfasst, die an den Folgen von Internierung, Haft, oder Deportation starben oder sich unter politischem Druck selbst das Leben nahmen.

Verbitterte Hinterbliebene

Viele der Hinterbliebenen und Überlebenden warten noch heute auf ihre Rehabilitierung. Sie hoffen auf eine Entschädigung für Zwangsarbeit oder die Anerkennung von Opferrenten. Die Erfahrungen, die sie in der ehemaligen DDR oder bei der Flucht gemacht haben, dürften nicht vergessen werden, sagte Alexandra Hildebrandt. "Wenn man diese Menschen sieht und sprechen lässt, dann wird diese ganze Tragödie noch einmal näher und bewusster. Wir haben auch Überlebende eingeladen, die diese schwere DDR-Haft überleben konnten. "

Die Berliner Mauer
Historische Überreste der Berliner MauerBild: AP

Bei der Veranstaltung im Haus am Checkpoint Charlie war auch Irmgard Bittner, die Mutter des Maueropfers Michael Bittner. Im November 1986 hatte der damals 25-Jährige versucht, über eine drei Meter lange Leiter die Berliner Mauer zu übersteigen. Dabei wurde er von 31 gezielten Schüssen zweier Grenzsoldaten getroffen. Wenig später starb er an seinen schweren Verletzungen.

Ungewissheit

Irmgard Bittner wurde jahrelang über das Schicksal ihres Sohnes im Ungewissen gelassen. Bis heute weiß sie nicht, wo ihr Sohn beerdigt ist. Verbittert ist sie darüber, dass sie bis jetzt noch keine Entschädigung erhalten hat. Auch von der heutigen Regierung sei nichts für die Opfer getan worden. "Im Gegenteil, mich hat ein Journalist angeschrieben und hat mir mitgeteilt, dass ich Anrecht hätte auf Wiedergutmachung. Das habe ich nach 13 Jahren erfahren", klagte Frau Bittner.

Die Arbeitsgemeinschaft sieht nach Aussagen ihres Vorsitzenden Rainer Hildebrandt auch weiterhin Bedarf für ihre Recherchen. Die bisherigen offiziellen Ermittlungsbehörden seien aufgelöst worden. Es seien jedoch nicht alle Ergebnisse der Öffentlichkeit bekannt gegeben worden. Aufgabe der Organisation sei es, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufzudecken. Dafür sei es nie zu spät, meinte Hildebrandt.