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Neue Antarktis-Station für Indien

Judith Hartl29. Januar 2009

Große Panoramafenster sind gewünscht, um Pinguine zu beobachten. Und eine sonnige Lounge für die Wissenschaftler. Deutsche Ingenieure planen die Forschungsstation.

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Modell der neuen indischen Antarktis-ForschungsstationBild: Ingenieurbüro IMS
Lage der geplanten indischen Antarktis-Forschungsstation
Lage der geplanten indischen Antarktis-Forschungsstation. Larsemann HillsBild: Ingenieurbüro IMS

„Nackter Fels, meistens eisfrei. Das ist unser Baugebiet – die Larsemann Hills.“ Andreas Nitschke vom Hamburger Ingenieur-Büro IMS fährt mit seinem Finger über eine Antarktis-Karte. „Hier bauen wir die indische Antarktis-Station. Da sieht es so ähnlich aus wie an den norwegischen Fjorden.“ Nitschke deutet auf ein Bild des Entwurfs der Forschungsstation: ein futuristischer Flachbau auf Stelzen mit großen Panoramafenstern. Die geplante Station ähnelt einem Raumschiff, das in unwirtlicher Gegend gelandet ist.

Der David unter den Goliaths

Unterzeichnen den Vertrag über die Planung der neuen indischen Antarktis-Forschungsstation
Die beiden Hamburger Ingenieure Peter Ruland und Andreas Nitschke unterzeichnen den VertragBild: Ingenieurbüro IMS

Mit diesem Entwurf haben Andreas Nitschke und sein Partner, Peter Ruland, den endgültigen Zuschlag bekommen. Ihr Ingenieurbüro gewann den internationalen Wettbewerb, den das indische Antarktisinstitut „NCAOR“ in Goa ausgeschrieben hatte. Damit gerechnet hatten sie nicht, denn sie waren, wie Peter Ruland es nennt, der David unter den Goliaths. Aber ihr Büro hat Erfahrung. Man habe schon die im Bau befindliche deutsche Antarktis-Station, die Neumayer III geplant. So etwas spräche sich rum und der Kreis der Antarktis-Forscher sei klein, sagt Ruland. „Da kennt jeder jeden.“

Moderne Architektur und Komfort für die Forscher

die neue Forschungsstation in der Antarktis Alfred-von-Neumayer III
Modell der deutschen Neumayer IIIBild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Andreas Nitschke hängt ein weiteres Bild auf. Die deutsche Neumayer III. Ein farbloser, kastenförmiger Containerbau, so ganz anders als das spektakuläre aerodynamisch-spacige Ding, das für Indien geplant ist. Ob die Deutschen da nicht neidisch sind? Nitschke lacht. Peter Ruland aber meint, das habe er sich auch schon gefragt. Doch die Deutschen wollten im Gegensatz zu den Indern keinen Architekten dabei haben. Einen, wie den 42-jährigen Ole Flemming, der für Ästhetik und Wohlbefinden zuständig ist. Er hat zum Beispiel diese riesigen Panoramafenster entworfen. „Eine Herausforderung, das umzusetzen, klar“, gibt er zu. Da sei noch viel Forschungsarbeit nötig. „Denn so was kriegt man ja nicht aus dem Katalog.“ Gerade der Winddruck ist ein großes Problem in der Antarktis. Und natürlich die großen Temperaturunterschiede. „Für eine vernünftige Wärmedämmung muss man schon fünf, sechs Scheiben hintereinander packen“, schätzt Ingenieur Nitschke. Zwölf Meter lang soll die Glasfront werden. Gut, um Pinguine zu beobachten. Und um möglichst viel Licht hereinzulassen. Denn gleich hinter der Panoramascheibe soll der Aufenthaltsraum – die Lounge – hin. Die Forscher sollen sich nicht eingesperrt fühlen. Es muss angenehm sein und möglichst komfortabel. Denn der antarktische Winter ist lang und dunkel.

Modell der neuen indischen Antarktis-Forschungsstation
Bild: Ingenieurbüro IMS

Sandwichprinzip gegen Wind und Kälte

Etwa 2.000 Quadratmeter groß soll die indische Forschungsstation werden. Zusammengesteckt aus mindestens 120 Einzelcontainern. Diese Stahlcontainer werden fix und fertig angeliefert. Per Schiff aus Kapstadt, Südafrika. Dann muss alles ganz schnell gehen. Drei Monate bleiben, um die komplette Station zu bauen. Drei „warme“ und helle Sommermonate, um die Container auf den Stahl-Stelzen zusammenzustecken. Hier kann sich der Schnee nicht auftürmen sondern wirbelt um die Stahlbeine herum. Festgezurrt sei die Station an gewaltigen Stahlankern im Antarktis-Gestein: „Das muss man sich vorstellen wie überdimensionale Schrauben, Stäbe mit 60 Millimeter Durchmesser“, sagt Andreas Nitschke.

Zum Schluss soll um den nackten Containerkörper eine Hülle gelegt werden. Eine Metalldecke, als wärmender Schutz vor der extremen Windbelastung. „Sandwichprinzip“, nennt Andreas Nitschke das: eine Schicht dünnes verzinktes Stahlblech, etwa einen Millimeter dick, dann die Isolierung, ein Schaumstoffkern und innen eine weitere Schicht Stahlblech. „Das alles zusammengeklebt ist sehr stabil und schützt gut gegen Wind und Kälte“. „Und sieht gut aus“, ergänzt Architekt Ole Flemming. „So verschwindet der Container-Eindruck“.

„Kein Grundlagenforschungsprojekt“

Noch ist nicht klar, welches Unternehmen die Forschungsstation bauen wird. Ruland und Nitschke schreiben den Auftrag international aus. Doch schon bis dahin müsse die Planung so verfeinert sein, „bis wir wissen, wohin welche Schraube kommt“, sagt Andreas Nietschke. Sein Kollege Peter Ruland nickt dabei nachdrücklich: „So ein Vorhaben erfordert eine minutiöse Vorplanung. Sie haben ja keinen Baumarkt um die Ecke, sondern müssen alles mithaben.“ Alles muss funktionieren, wenn es losgeht. Deswegen werden keine Prototypen ausprobiert. Man setzt auf Bewährtes. Auf Bauteile und Bauverfahren, die schon unter ähnlichen Bedingungen getestet wurden. Wie beispielsweise die geplante Außenhülle der Antarktisstation. Sie wird auch um Hochhäuser gelegt, die ab einer bestimmten Höhe ähnlichen Windgeschwindigkeiten ausgesetzt sind. Oder die Isolierung. Sie bewährt sich bei uns in Kühlhäusern, wo es vergleichbare „antarktische“ Temperaturunterschiede gibt. „Das ist eben kein Grundlagenforschungsprojekt“, schmunzelt Peter Ruland. Die größte Herausforderung sei es, dass alles funktionieren muss, weil Menschenleben direkt davon abhängen, ergänzt Andreas Nitschke. Zum Beispiel, wenn es brennt. „Hier in Deutschland rennen die Leute raus aus dem brennenden Haus und sind gerettet. Wenn man das in der Antarktis macht, ist man verloren.“

Die neue indische Forschungs-Station soll mindestens 25 Jahre halten. Danach darf sie nicht in der Antarktis bleiben, sondern muss zurückgebaut und abtransportiert werden. Das schreibt der Antarktis-Vertrag vor.