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'Eine Krankenversicherung ist zu teuer für mich'

Kerstin Zilm6. März 2009

1993 hatte sich Bill Clinton als letzter US-Präsident die Zähne an einer Reform des Gesundheitswesens in den Vereinigten Staaten ausgebissen, nun wagt sich Barack Obama an dieses heikle Thema heran.

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Nicht nur Josefina Orozco kann sich in den USA keine Krankenversicherung leistenBild: Kerstin Zilm

Josefina Orozco zeigt auf ihre Handgelenke und die Schultern – sie sind deutlich geschwollen. "Nichts kann ich richtig bewegen, alle Knochen tun weh", beschreibt die Mexikanerin. Ihr Gesicht voller Sorgenfalten, die Lippen unter einem vorsichtigen Lächeln zusammen gepresst, streicht sich die 28-jährige Haarsträhnen hinter die Ohren. Sie wartet im Flur des Gesundheitszentrums darauf, mit einem Arzt zu sprechen und Röntgenbilder zu bekommen. Die Diagnose hat sie schon gehört: Arthritis. Josefina ist zum vierten Mal in der Klinik. Sie lobt die Ärzte. Als sie zum ersten Mal kam, konnte sie nicht laufen. Jetzt gehe es ihr schon besser.

Die Patientin überquerte vor zehn Jahren illegal die Grenze von Mexiko in die USA. Sie hat keinerlei Sozialversicherung und ist alleinerziehende Mutter eines autistischen sechsjährigen Sohnes. Sie ist entschlossen, zu kämpfen, gesund zu werden, um ihrem Sohn zu helfen. Der geht in eine Spezialschule und bekommt Therapien. Weil er in Los Angeles geboren wurde, ist er US-Staatsbürger und bekommt staatliche Unterstützung.

Josefina Orozco hat als Gelegenheitsarbeiterin und illegale Einwanderin so gut wie keine Chance, eine Krankenversicherung zu bekommen.

Kostenlose Hilfe als Auftrag

Im Gesundheitszentrum von Inglewood muss niemand für seine Behandlung bezahlen. Spenden sind willkommen, sagt David Renaud, leitender Arzt der Praxis, doch die Aufgabe der Klinik sei es, Unterversicherte oder nicht versicherte Patienten zu behandeln. "Wir kümmern uns um jeden, der durch die Tür kommt",so Renaud. "Wir fragen nicht nach Papieren, wir behandeln alle, die nirgendwo anders Zugang zu medizinischer Versorgung haben."

Klinik Inglewood Foto: Kerstin Zilm undatiert
Medizinische Behandlung auch für Nichtversicherte: die Klinik in InglewoodBild: Kerstin Zilm

Die Klinik wird finanziert aus staatlichen Mitteln, Stiftungen und privaten Spenden. Im vergangenen Jahr kamen mehr als 16.000 Patienten für fast 60.000 Behandlungen. Am häufigsten werden Diabetis, Bluthochdruck, Asthma und Kinderkrankheiten diagnostiziert. Die Klinik bietet auch gynäkologische Behandlungen an, hat zwei Zahnärzte und überweist an Spezialisten für AIDS, häusliche Gewalt und psychische Krankheiten. 71 Prozent der Patienten leben unter der Armutsgrenze, 65 Prozent sind lateinamerikanischer Herkunft, 16 Prozent Afro-Amerikaner.

Finanzkrise führt zu mehr Patienten

Die verschärfte Finanzkrise führte in den vergangenen Monaten zu deutlich mehr Arbeit für Doktor Renaud und seine 18 Kollegen. Der Mediziner hat auch festgestellt, dass die Patienten anders aussehen – es sind mehr Nicht-Immigranten dabei. Mehr US-Amerikaner. Er hört in letzter Zeit häufig, dass Patienten entlassen wurden und keine Krankenversicherung bekommen. In den USA ist die Krankenversicherung in der Regel an den Arbeitsplatz gebunden. Selbständig eine bezahlbare Versorgung zu finden, ist sehr schwierig, besonders wenn man eine Krankengeschichte hat. “Es ist egal, ob man Diabetis, Herzprobleme oder Fußpilz hat”, erklaert John Merryman, Sprecher der Klinik. Beiträge können 800 bis 1000 Dollar im Monat kosten. Plus Gebühr für jeden Arztbesuch, jedes Medikament.

Josefina Orozco ist dankbar für die Hilfe der Ärzte und das kostenlose Angebot der Klinik. Trotzdem hat sie Angst, einmal schwer krank zu werden. "Ohne die Klinik könnte ich nirgendwo hingehen", klagt sie. Eine Versicherung sei zu teuer für sie. Zwar helfe ihr Freund manchmal mit der Miete und dem Strom. "Aber es ist schwer, besonders wenn ich nicht arbeiten kann. Wer weiß, ob es besser wird."