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Eine Klinik für die unterdrückten Karen

14. Dezember 2009

In den vergangenen 20 Jahren ist eine Klinik nahe der thailändischen Grenzstadt Mae Sot zur Anlaufstelle für Flüchtlinge aus Birma geworden. Besonders die Minderheit der Karen wird im Nachbarland seit Jahren verfolgt.

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Eine Station in der Mae Tao Klinik für Patienten mit Amputationen (Foto:DW/Holger Grafen)
Eine Station in der Mae Tao Klinik für Patienten mit AmputationenBild: Holger Grafen

Die Klinik liegt ein paar Meter von der Hauptstraße entfernt – genau zwischen Mae Sot und der Grenze zu Birma. Eine Schotterpiste führt auf einen großen Platz, der von zahlreichen Gebäuden umgeben ist. Täglich kommen zwischen 300 und 400 Menschen hierher – die Mae Tao Klinik ist für sie die einzige Möglichkeit, sich kostenlos medizinisch behandeln zu lassen. Denn die Patienten dieser Einrichtung haben in der Regel wenig oder gar kein Geld.

Eine offene Klinik für alle

Ein Inkubationsraum für Frühgeburten in der Mae Tao Klinik (Foto:DW/Holger Grafen)
Ein Inkubationsraum für Frühgeburten in der Mae Tao KlinikBild: Holger Grafen

Das Hospital ist Anlaufstelle sowohl für Dorfbewohner aus Birma, die nur für kurze Zeit über die Grenze kommen, als auch für Arbeitsmigranten oder Flüchtlinge, die seit Jahren in Thailand leben. Hier im Grenzgebiet hatten viele Flüchtlinge Schutz gesucht, nachdem Birmas Militärregierung die Massenproteste von 1988 blutig niedergeschlagen hatte. Angeführt von Studenten hatten die Demonstranten von der Junta Demokratie und bessere Lebensbedingungen für das verarmte Volk gefordert.

Eine Frau, die 1988 mit dabei war, passt in der Mae Tao Klinik gerade auf das Baby einer Mitpatientin auf. Sie lebt heute in einem der Flüchtlingslager in Thailand entlang der Grenze. "1988 waren so viele Menschen politisch aktiv, und ich wollte mit dabei sein", erzählt sie. Wie viele andere habe auch sie bei den Wahlen von 1990 für die "Nationale Liga für Demokratie" (NLD) gestimmt, die Partei von Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi. Die NLD hatte damals haushoch gewonnen, doch Birmas Generäle haben diesen Sieg nie anerkannt. Schließlich sei sie nach Thailand geflohen. In gewisser Weise ist sie dankbar: "Ich bin froh, dass es für die Menschen aus Birma die Mae Tao Klinik gibt, es ist gut, dass wir hier kein Geld für die Behandlungen zahlen müssen."

Der Druck auf Birmas Minderheiten wächst

Klinikchefin Dr. Cynthia Maung (Foto:DW/Holger Grafen)
Klinikchefin Dr. Cynthia MaungBild: Holger Grafen

Klinikchefin Dr. Cynthia Maung ist selbst ein Flüchtling aus Birma – wie so viele andere hatte auch sie im Spätsommer 1988 ihre Heimat verlassen müssen. Ihre Mae Tao Klinik wurde im Grenzgebiet schnell bekannt, in den vergangenen zwanzig Jahren ist der Zulauf der Patienten stetig gewachsen. Viele leiden an Malaria, Durchfall oder HIV/Aids. Auch Traumata und Kriegsverletzungen, zum Beispiel durch Landminen, sind keine Seltenheit. Denn in einigen Teilen Birmas tobt seit Jahrzehnten der Bürgerkrieg. Soldaten der Junta gehen auch weiterhin massiv gegen die ethnischen Minderheiten im eigenen Land vor. Im Osten trifft es vor allem die Karen-Minderheit. Die Junta plündert Dörfer, unterdrückt oder ermordet deren Bewohner. Erst kürzlich haben erneut mehrere tausend Karen jenseits der Grenze Schutz gesucht.

Dabei leben bereits mindestens 140.000 Flüchtlinge auf thailändischer Seite - etliche seit über 20 Jahren. Auch hier hilft die Mae Tao Klinik: Unter anderem unterstützt das Hospital Kinder in den Flüchtlingslagern und betreibt eine Schule für die Kinder von Arbeitsmigranten. Doch die Lage im Grenzgebiet wird immer problematischer: "Wir sind besorgt, denn in jedem Jahr hat sich die Anzahl der Patienten um etwa 20 Prozent erhöht", sagt Dr. Cynthia Maung, selbst Angehörige der Karen-Minderheit. "Wir beobachten, dass nach und nach die Patienten nicht mehr allein, sondern oft mit der gesamten Familie nach Thailand kommen".

Flüchtlinge besitzen kaum Rechte in Thailand

Birmanische Flüchtlinge am thailändisch-birmanischen Grenzfluss Moei(Foto:DW/Holger Grafen)
Birmanische Flüchtlinge am thailändisch-birmanischen Grenzfluss MoeiBild: Holger Grafen

Wenn diese aber keinen Zugang zu sozialen Dienstleistungen und rechtlichem Beistand haben, macht sie das sehr verwundbar und liefert sie der Willkür der thailändischen Autoritäten aus. "Es geht also nicht allein um medizinische Behandlung, sondern auch um psychosoziale Hilfe und den Wiederaufbau von Gemeinschaften", sagt die Ärztin weiter, "dafür brauchen wir jedoch mehr Netzwerke, die uns unterstützen."

Veränderungen zum Besseren sind nicht in Sicht. Birmas Militärs wollen zwar in 2010 Wahlen abhalten lassen. Aber die Bevölkerung ist skeptisch, ob die Junta jemals Demokratie zulassen wird. Schon heute zeichnet sich ab, dass der Urnengang weder frei noch fair sein wird – zum Beispiel sitzt ein Großteil der Opposition weiterhin in Haft. Die Zeche zahlen die einfachen Menschen: Während führende Militärs in Waffen und Luxusartikel investieren, verarmt die Bevölkerung immer mehr.

Blick in eine ungewisse Zukunft

Die ehemalige birmanische politische Gefangene Aye Aye Moe (Foto:ap)
Viele ehemalige politische Gefangene aus Birma fanden Zuflucht in Mae Sot.Bild: AP

Ein Fabrikarbeiter konnte seine Familie nicht mehr ernähren und entschloss sich daher, nach Thailand zu gehen. Auf dem Gelände der Mae Tao Klinik hat er sich einen kleinen Laden aufgebaut. Trotz allem hat er die Hoffnung nicht aufgegeben: "Ich wünsche mir eine echte Demokratie", sagt der Ladeninhaber, "und falls es wirklich Veränderungen in Birma geben sollte, dann möchte ich zurück in meine Heimat gehen und wieder dort arbeiten. Hier in Thailand ist es auf Dauer nicht sicher, und es ist schwer, einen richtigen Job zu finden."

Diese Entwicklungen ständig vor Augen, fordert Dr. Cynthia Maung die Weltgemeinschaft auf, entschlossener zu handeln: "Von Generation zu Generation wird den Menschen medizinische Behandlung und Erziehung versagt. Das Leid in Birma beeinträchtigt auch die Nachbarstaaten", kritisiert die heute 50-Jährige. "Die internationale Gemeinschaft sollte einmal die letzten zwanzig Jahre genau Revue passieren lassen. Es sollte mehr gemeinsames Handeln geben, um endlich Demokratie und Einhaltung von Menschenrechten in Birma zu gewährleisten." Und noch etwas bereitet der Ärztin große Sorgen: Der massive Einbruch an Spendengeldern, aus denen sich die Klinik finanziert. Und das zu einer Zeit, in der wegen der anhaltend brisanten Lage in Birma neue Ströme von Flüchtlingen und Hilfesuchenden im Grenzgebiet erwartet werden.

Autorin: Nicola Glass
Redaktion: Thomas Latschan