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„Eine Isolierung der Türkei wäre schlecht“

9. November 2006

Im Interview mit DW-RADIO äußert sich Griechenlands Vizeaußenminister Evripidis Stilianidis zur Türkei-Politik der EU und den Konflikt um Zypern.

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Interview mit DW-RADIOBild: DW

DW-RADIO/Griechisch: Anlässlich der Veröffentlichung des Fortschrittsberichts der EU-Kommission über die Türkei mehren sich die Stimmen derjenigen, die ein Einfrieren der Beitrittsverhandlungen voraussagen. Bereitet Ihnen diese Entwicklung Sorge?

Evripidis Stilianidis: So etwas wünschen wir uns sicherlich nicht. Wir sind der festen Überzeugung, dass eine Isolierung der Türkei nicht nur schlecht für das Land selber ist, sondern auch negative Auswirkungen auf den Balkan, Griechenland und Europa haben wird. Wir glauben, dass die EU Überzeugungsarbeit leisten muss, so dass die Türkei einsieht, dass der Weg nach Europa über tiefgreifende Reformen führt. Es ist wichtig, dass die Regierung in Ankara realisiert, dass die EU keine Abstriche in Prinzipien und Werten macht und dass Reformen nicht nur angekündigt, sondern auch umgesetzt werden müssen. Ich bin überzeugt, dass die Türkei die Möglichkeit erhalten soll, ihren schwierigen Weg in Richtung Europa fortzusetzen. Der Dialog und Austausch zwischen Europa und der Türkei soll weitergeführt werden. Auf der anderen Seite wäre die EU schlecht beraten, im Fall der Türkei von ihren Prinzipien und Werten abzuweichen. Es wäre, als ob Europa die Tür einerseits sperrt, aber anderseits das Fenster offen lässt. Dies kann nicht unser Ziel sein. Was wir anstreben, ist eine Türkei so nah wie möglich an Europa.

Wäre die griechische Regierung gewillt, gegenüber der Türkei Zugeständnisse zu machen, um zumindest einige Hürden auf dem beschwerlichen Weg dieses Landes nach Europa zu entfernen, oder wird Griechenland darauf bestehen, dass alle Verpflichtungen bis ins Letzte erfüllt werden?

Solange wir uns noch innerhalb der von der EU aufgelegten Fristen befinden, lassen wir keinen Versuch aus, die türkische Regierung zu überzeugen, sich zu bewegen. Wir möchten jedoch nicht diejenigen sein, die die Tür Europas für die Türkei schließen. Es ist uns aber auf der anderen Seite unmöglich, Abstriche zu machen, da Kriterien und Voraussetzungen von der EU selber aufgestellt worden sind. Jetzt ist die Türkei am Zug. Ankara muss beweisen, dass es sich an die EU anpasst. Falls die Türkei es nicht tut, trägt sie die volle Verantwortung für das Aussetzten, das Einfrieren oder etwa das Scheitern der Beitrittsverhandlungen. Eine Entwicklung, die sowohl für die Türkei, als auch für die gesamte Balkanregion zum Nachteil wäre.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Türkei aufgefordert, sich im Fall Zypern zu bewegen, um die Beitrittsverhandlungen nicht zu gefährden. Was erwartet Griechenland von der deutschen EU-Präsidentschaft?

Die deutsche Regierung hat eine direkte, deutliche und wenn sie so wollen, europäische Position. Berlin ist da sehr konsequent. Europa bewegt sich in einer bestimmten Richtung und kann in keinem Fall von seinen Prinzipien abweichen. Die Türkei und auch jedes andere Land, das die Absicht hat, der EU beizutreten, muss sich anpassen. Dieselben Regeln galten in der Vergangenheit für alle Beitrittskandidaten und sie gelten auch für die Türkei. Ich bin zuversichtlich, dass letzten Endes die EU-Impulse ihren Adressat erreichen werden und dass dieser dementsprechend handelt. Es ist meine Überzeugung, dass die Regierung Erdogan gute Absichten hat. Aber es nun einmal so in der Außenpolitik, und ganz besonders in der Europapolitik, dass eine Regierungspolitik nicht an den Absichten, sondern am Erfolg gemessen wird.

Das Interview führte Giorgios Pappas

DW-RADIO/Griechisch, 8.11.2006, Fokus Ost-Südost