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"Eine große Chance für Polen und die Ukraine"

Joscha Weber24. März 2012

Die Vorbereitung verlief ziemlich holprig, doch gut zwei Monate vor dem Beginn der Fußball-EM in Polen und der Ukraine macht sich Optimismus breit. Beide Länder haben viel investiert und hoffen nun auf ein Fußballfest.

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Die EM-Maskottchen feiern gemeinsam mit Kindern (Foto: picture alliance/augenklick)
Bild: picture alliance/augenklick

Das Laminiergerät geht nicht. Oder es ist heißgelaufen. So genau weiß das keiner in dem kleinen Baucontainer, der vor dem neuen Warschauer Nationalstadion steht. Dicht gedrängt warten Dutzende Journalisten in dem weißen Kasten auf ihre Akkreditierung. Aber es geht nicht voran, schon seit einer knappen Stunde. Die internationale Presse ist eingeladen, um über die Eröffnung der neuen Arena in Polens Hauptstadt zu berichten – nur rein kommt momentan keiner, denn das überforderte Personal kämpft immer noch mit dem Laminiergerät. Es ist nur eine kleine in einer ganzen Reihe von Pannen rund um das Stadion, in dem am 8. Juni die Fußball-Europameisterschaft beginnt.

Nationales Prestigeobjekt und Symbol des boomenden Warschau soll es sein, aber das Projekt Nationalstadion stand bisher unter keinem guten Stern. Erst acht Monate später als geplant wurde das rot-weiß gekleidete Oval eröffnet, zudem verweigerte die Polizei wegen Sicherheitsbedenken zunächst die Freigabe. Daraufhin musste der zuständige Leiter des Nationalen Sportzentrums gehen und der polnische Ministerpräsident Donald Tusk sah sich genötigt, Vorwürfe der Verschwendung öffentlicher Gelder aufklären zu lassen.

Die Warschauer Arena von Innen bei der Eröffnung (Foto:Alik Keplicz/AP/dapd)
Prestigeobjekt, aber nicht unumstritten: Warschaus ArenaBild: dapd

Kostenexplosion in Kiew

Dabei war das Warschauer Stadion mit Baukosten von 350 Millionen Euro vergleichsweise günstig. Der Umbau des Olympiastadions von Kiew, in dem am 1. Juli das Finale ausgespielt wird, kostete stolze 585 Millionen Euro. "Die Frage ist, warum kostet der Bau eines solchen Stadions in Deutschland viel weniger als in der Ukraine?", fragte sich unlängst der Box-Champion und Kiewer Lokalpolitiker Vitali Klitschko. Journalist Mark Rachkevych von der Zeitung "Kyiv Post" hat eine Antwort: "Der Einkauf der Bauteile verlief sehr seltsam, Gelder verschwanden, Zollpapiere wurden gefälscht", erzählt der EM-Experte in sachlichem Ton und ergänzt: "Die Regierung verteidigte sich stets mit der Aussage, dass alles sehr schnell gehen musste, da die UEFA ja drohte, ihnen die EM wegzunehmen."

Diese Gefahr war real. Die EM stand auf der Kippe, als UEFA-Präsident Michel Platini vor eineinhalb Jahren mit dem Entzug des Turniers drohte. "Es gibt keine Flughäfen, es gibt kaum Hotels. So wird es schwierig", echauffierte sich der Franzose an der Spitze des europäischen Fußballs, der auch dank der Stimmen aus Osteuropa an die Macht kam und drei Monate nach seiner Wahl 2007 die EM an Polen und die Ukraine vergab. 2010 erinnerte er die Veranstalter dann an ihren Zeitplan: "Die WM ist 2012, nicht 2030."

UEFA-Präsident Michel Platini (AP Photo/Photomig)
"Die WM ist nicht 2030", erinnerte UEFA-Chef Michel PlatiniBild: AP

Alle Stadien sind fertig - aber nicht alle Autobahnen

Doch seit Platinis Appell ist viel passiert. Die acht Stadien sind alle rechtzeitig fertig geworden. Es wurden neue Straßen gebaut, Schienennetze erweitert, Flughäfen eröffnet. Beide Länder legten große Infrastrukturprogramme auf und setzten viele der versprochenen Bauvorhaben um. Einige der geplanten Autobahnen werden in Polen aber nicht rechtzeitig fertig werden, ebenso wenig wie der zweite Warschauer Flughafen. "Polen ist die größte Baustelle Europas", wirbt Michał Piotrowski, Sprecher der staatlichen Infrastrukturgesellschaft "PL.2012“, für Verständnis. 20 Milliarden Euro hat sein Land in die Infrastruktur im Vorfeld der EM investiert. Es waren nachhaltige Ausgaben, sagt Piotrowski. "Alles, was für das Turnier gebaut wurde, brauchen wir auch später."

Auch auf ukrainischer Seite hat sich einiges getan, erzählt der Lemberger Souvenirhändler Sergej Barisovic: "Es wurde viel für die Stadt gemacht. Manche Straßen hier waren noch aus der Zeit von Zar Peter I. und befanden sich in einem sehr schlechten Zustand." Wer vom weit außerhalb gelegenen Lemberger Stadion, in dem die deutsche Nationalelf zwei Spiele (gegen Portugal und Dänemark) bestreiten wird, ins Zentrum zu Barisovics Geschäft fährt, merkt schnell, dass die holprigen Kopfsteinpflaster-Straßen aber noch längst nicht vollständig aus dem Stadtbild verschwunden sind. Barisovic hofft, dass die EM auch für seinen kleinen Souvenirladen Gewinne bringen wird, ist aber skeptisch: "Ich befürchte, dass nur die Eliten von dem Turnier profitieren werden und nicht das einfache Volk."

Souvenierhändler Sergej Barisovic in seinem Laden in Lemberg. (Foto: DW/Joscha Weber)
Souvenirhändler Barisovic hofft auf einen Fan-AnsturmBild: DW/Joscha Weber

Große Hoffnungen in beiden Ländern

Das sieht sein Bürgermeister Andrey Sadovoy ganz anders. Er spricht vor allem vom Fortschritt durch die EM. "Unser Traum ist es, eine lebenswerte Stadt zu errichten. Lemberg wird das Herz dieser EM", verspricht er und erinnert an die ukrainische und polnische Geschichte dieser multikulturellen Stadt, die so zum Bindeglied zwischen den beiden Gastgeberländern werden könnte.

Vielleicht sind es aber auch einfach Menschen wie Piotr und Svetlana. Piotr ist Pole und Svetlana Ukrainerin. Sie sind seit vielen Jahren ein Paar, leben in Warschau und sind zur Eröffnungsfeier ins neue Nationalstadion gekommen. Wenigstens einmal wollen sie die neue Arena von innen sehen, denn die EM-Tickets sind für sie leider viel zu teuer. Trotzdem blickt das Paar euphorisch dem Turnier entgegen: "Es ist eine große Chance für uns", sagt Svetlana und ihr Freund ergänzt: "Viele Europäer scheinen Polen und die Ukraine gar nicht zu kennen. Ich hoffe, dieses Turnier wird daran etwas ändern."