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Mode aus Müll

Laura Hennemann5. März 2013

Eine Fraueninitiative in Burkina Faso verbindet Umweltschutz mit der Stärkung von Frauen: Aus gebrauchten Plastiksäcken werden Röcke und Handtaschen. Die Einkünfte ermöglichen den Arbeiterinnen ein besseres Leben.

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Stoff aus buntem Plastik (Foto: GAFREH)
Bild: GAFREH

Mary Robinson meinte es ernst: „Wir müssen die Art, wie wir über Klimawandel sprechen, verändern“, sprach die ehemalige UN-Hochkommissarin für Menschenrechte im November 2012 in Südafrika. Robinson hat eine konkrete Vorstellung: „Beim Klimawandel müssen die Menschen im Zentrum stehen; das bedeutet, die Frauen müssen im Zentrum stehen.“

Denn lange richtete sich die Entwicklungshilfe vor allem an Männer – die Verwalter des häuslichen Einkommens. Dass das ein Fehler ist, wurde erst in den letzten Jahren erkannt, nun versuchen Hilfsorganisationen gegenzusteuern. Denn 70 Prozent der Ärmsten dieser Erde sind Frauen, schätzen die UN. Auf der anderen Seite hat sich gezeigt: Wenn Frauen zum familiären Einkommen beitragen, werden mindestens 80 Prozent ihres Einkommens in eine bessere Zukunft für die Frau, ihre Kinder und ihre Gemeinde investiert.

Eine wilde Müllhalte (Foto: CC BY SA 2.0: Zainub Razvi/flickr.com: http://www.flickr.com/photos/zainub/430144883/)
Plastikmüll ist in Afrika nicht schwer zu findenBild: CC/Zainub Razvi

Denn weiterhin sind hauptsächlich Frauen für ihre Kinder verantwortlich. So begründen viele, dass Frauen sich mehr um die Zukunft der Erde sorgen. „Ich glaube, Frauen sind viel kreativer, wenn es darum geht, Lösungen zu großen Problemen zu finden“, erklärte die WWF-Präsidentin Yolanda Kakabadse auf der Konferenz Rio+20 im Juni 2012.

Frauen sind die besseren Kreditnehmer

Darum spenden etliche Menschen in der ersten Welt heute lieber den Frauen. Bei Kiva, einer Internetplattform zur Mikrofinanzierung, kann der Leihwillige auswählen, ob er Frauen oder Männern sein Geld borgt. „Kreditanfragen von Frauen sind meist schneller finanziert als die von Männern“, beobachtet Jason Riggs, Pressesprecher von Kiva. „Bei Kiva werden 98% der Kredite zurückgezahlt und 80 Prozent der Kreditnehmer sind Frauen. In Kombination heißt das, dass Frauen eindeutig verantwortungsbewusste Kreditnehmerinnen sind.“

Drei Frauen sitzen vor Waschbottichen, in denen sie Plastiktüten waschen (Foto: GAFREH)
Die Frauen von GAFREH waschen den gesammelten Müll gründlich.Bild: GAFREH

Wissenschaftliche Studien bestätigen diesen Eindruck: Frauen gehen weiser mit den geliehenen Mikrokrediten um und zahlen mit höherer Sicherheit zurück, fand eine Untersuchung aus dem Jahr 2011 heraus, die die Daten von 350 Mikrofinanzierungsinstitutionen in 70 Ländern auswertete. Und eine frühere Studie zeigte bereits 2009, dass die Mikrokreditvergabe an Frauen tatsächlich dazu führt, ihre Rechte zu stärken.

Dies hängt sicherlich auch damit zusammen, dass sich gerade Frauen zu Kreditnehmergruppen zusammenschließen, in denen sie sich gegenseitig Halt geben. Denn neben der Hilfe von außen ist dies die zweite Säule: Frauen in Entwicklungsländern, die sich zu Initiativen zusammenschließen und selbst aktiv werden.

GAFREH ist ein solcher Zusammenschluss von Frauen. Die Abkürzung steht für „Groupe d'Action des Femmes pour la Relance Economique du Houet“, es ist eine Initiative in der Provinz Houet des französischsprachigen Burkina Faso. Das stolzeste Projekt der Gruppe: ein Recycling-Zentrum für Plastiktüten. In Bobo-Dioulasso, der zweitgrößten Stadt des Landes, gibt das Zentrum vielen Frauen Arbeit, Einkünfte und Selbstbewusstsein. Und die Endprodukte aus dem Plastik können sich sehen lassen: Es ist zeitgemäße Mode.

Von der Straße in die Boutiquen

Am 4. März 2003 wurde das Plastikrecycling-Projekt ins Leben gerufen, damals mit gerade einmal sechs Frauen in Vollzeitbeschäftigung. Bis Ende 2003 waren es schon 18 Frauen, heute sind es 85.

Plastiktüten hängen auf einer Wäscheleine zum Trocknen (Foto: GAFREH)
Im Hof des Recycling-Zentrums trocknen die Tüten in der Sonne.Bild: GAFREH

Sie waschen den gesammelten Plastikmüll gründlich und schneiden die Folien dann in dünne Streifen. Schließlich werden diese Plastikfäden entweder am Webstuhl zu festen Stoffen verarbeitet, die sich gut für Taschen eignen, oder sie werden wie Wolle gestrickt oder gehäkelt. Fast immer sitzen die Frauen dabei unter offenem Himmel im Hof des Zentrums. Geschickt häkeln sie bunte Obstschalen oder pinke Ohrhänger in Tropfenform. Vor allem die gewebte Kleidung macht einen edlen Eindruck: ein schmaler schwarzer Rock mit passendem Blazer, Stoffe in traditionellen Mustern und Farben, Handtaschen in klassischen Formen. Schwarz dominiert dabei, aus dem schlichten Grund, dass die meisten Plastiktüten in Burkina Faso aus schwarzer Folie sind.

Ihr Grundmaterial finden die Frauen zuhauf auf der Straße, in Burkina Faso herrscht kein Mangel an Plastikmüll. Über 14 Tonnen Rohmaterial haben die Frauen im Jahr 2010 verarbeitet. „Und wir könnten sogar noch mehr schaffen, wenn wir mehr verkaufen würden“, erzählt Khady Traoré, die Sekretärin des Recycling-Zentrums. Auch wenn das Zentrum eine eigene Boutique hat – die meisten Stücke gehen nach Europa und in die USA. Die Bestellungen kommen per E-Mail, auch einige Vereine kaufen die Produkte auf und verkaufen sie wieder in Frankreich, Österreich oder Deutschland.

An Arbeitswillen mangelt es den Frauen nicht. Auch Khady bestätigt, was Mary Robinson und andere Vordenkerinnen sagen: Die Frauen sind die ersten, denen die Umweltzerstörung zu schaffen macht. „Sie leiden beispielsweise unter der Entwaldung, denn es fehlt ihnen das Holz um in der Küche Feuer zu machen“, erklärt die Sekretärin die größere Sensibilität der Frauen für das Thema.

Das frühere Elend ist nun eine „schlechte Erinnerung“

Daneben motiviert die meisten Frauen der Verdienst: „Bevor es das Recycling-Zentrum gab“, erzählt eine Mitarbeiterin, die nicht mit Namen genannt werden möchte, „haben die meisten von uns nichts gemacht und lebten im Elend. Dank des Zentrums kann ich jetzt meine Familie ernähren. Sonst gäbe es an manchen Tagen nichts zu essen zu Hause.“

Eine Schale, die aus Plastikstreifen gewebt wurde (Foto: GAFREH)
Aus ehemaligen Plastiktüten werden auch Obstschalen "gehäkelt."Bild: GAFREH

Die Frauen werden pro Werkstück bezahlt. Im Schnitt erwirtschaften sie 24.000 CFA-Franc pro Woche, umgerechnet rund 37 Euro. Für die Frauen reicht das für ein deutlich besseres Leben: „Ich kann nun meine Kinder gut anziehen, ich kann für Elektrizität bezahlen, die wir vorher nicht hatten, und ich kann meinen Kindern kleine Geschenke machen. Ich schaffe es sogar, noch etwas anzusparen“, erzählt eine zweite Frau. Und eine dritte ergänzt: „Früher wurden meine Kinder aus der Schule geworfen, weil wir die Schulgebühren nicht bezahlen konnten. Mit dem Recycling-Zentrum ist das nur noch eine schlechte Erinnerung.“

Das Plastiktütenrecycling mag das Vorzeigeprojekt von GAFREH sein, doch es ist nicht alles, was der Verband leistet: Insgesamt ist es die Dachorganisation von 117 Initiativen mit über 5000 Frauen. Einige stellen Seifen her, andere Färbemittel, wieder andere haben sich auf Restaurierungen spezialisiert. Über GAFREH können sie sich austauschen. Es gibt für die Frauen Alphabetisierungskurse und der Verband ermöglicht ihnen die Teilnahme an einem Familienplanungsseminar. Wenn nötig, organisiert GAFREH sogar Mikrokredite für seine Mitglieder. Die Geldverleiher können davon ausgehen, dass auch diese Frauen das Geld verantwortungsvoll einsetzen werden.