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Eine Frau, die ernst zu nehmen ist

24. Juni 2002

– Portrait und Pläne der neuen ungarischen Innenministerin Mónika Lamperth

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Budapest, 24.6.2002, PESTER LLOYD, deutsch

Mónika Lamperth kommt aus dem Komitat Somogy, wo sie in der Selbstverwaltung von Kaposvár als Fraktionsvorsitzende der Sozialisten auf sich aufmerksam gemacht hat. Die redegewandte, attraktive Juristin ist seit 1994 Abgeordnete im Parlament, seit 1998 Mitglied des Präsidiums ihrer Partei und inzwischen eine der Vizevorsitzenden der MSZP (Ungarische Sozialistische Partei - MD). Als eine der drei Frauen in der Medgyessy-Regierung hat sie vermutlich eines der schwierigsten Ressorts übernommen. Neben Verwaltungsfragen unterstehen dem Innenministerium u.a. auch die Polizei und die Grenzwache.

Auf die sicher nicht zum ersten Mal gehörte Frage, wie sich eine Frau in der (besonders in Ungarn) von Männern dominierten Welt der bewaffneten Kräfte fühle, gibt sich die Ministerin gelassen. Sie widme dieser Frage keine große Aufmerksamkeit. Man werde sich mit der neuen Ministerin wohl abfinden, und bald werde diese Frage kaum noch eine Rolle spielen - schließlich sollte man anhand der konkreten Arbeit urteilen.

Davon hat Frau Lamperth freilich mehr als genug. Die Amtsübernahme erfolgte zu einem Zeitpunkt, als das Prestige der Polizei wegen der Korruptionsaffären, der hohen Kriminalität, und unlängst auch noch durch die unaufgeklärten brutalen Morde beim Banküberfall in Mór an einem Tiefpunkt angelangt war. Eine der ersten Entscheidungen der Ministerin war die Einstellung des neuen Landespolizeikommandanten László Salgó. Sie erwarte sich viel von dem hervorragend ausgebildeten Fachmann, der auch einige Jahre in den Niederlanden verbracht habe. Doch ein Chef ist natürlich nicht genug. Der ständigen Mangelwirtschaft bei der Polizei soll ein Ende gesetzt werden, meint die Ministerin. Vor allem den Polizisten auf den Straßen und in den Revieren sollen entsprechende Arbeitsmöglichkeiten geboten werden. Rund 2.400 Stellen sind bei der Polizei landesweit unbesetzt; sie müssen endlich besetzt werden, was jedoch aufgrund der notwendigen Ausbildung eine längere Zeit dauert.

Frau Lamperth will sich jedoch bei der Bekämpfung der Kriminalität keineswegs nur auf diese Organe stützen. Die Prävention soll einen größeren Stellenwert erhalten, und für die Koordinierung dieser Tätigkeiten soll ein neuer stellvertretender Staatssekretär in ihrem Haus verantwortlich gemacht werden. Weitere personelle Änderungen sind zur Zeit nicht geplant. Lamperth will sich - im Gegensatz zu manchen ihrer Ministerkollegen - nicht unbedingt nur mit vertrauten Mitarbeitern umgeben. Sie möchte die Kollegen bei der Arbeit kennen lernen und anhand der Erfahrungen entscheiden.

Mit Kritik an die Adresse der Vorgänger spart sie jedoch auch nicht. Bei der Übergabe des Ressorts durch Polizeigeneral Sándor Pintér war von einem Loch von fünf Milliarden Forint (ca. 20,4 Millionen Euro - MD) im Budget des Ministeriums die Rede. Nun scheinen 47 Milliarden (ca. 192,3 Millionen Euro - MD) zu fehlen, was die neue Ressortchefin zu gewissen Entscheidungen zwingt. Dabei müssen die drei Milliarden

(ca. 12,2 Millionen Euro - MD) für die bestellte Winterkleidung der Polizisten ebenso bezahlt werden wie die Ausweise der Auslandsungarn. Nicht zu reden von den Milliarden für die Durchführung der Kommunalwahlen im Herbst; auch diese Kosten wurden nicht eingeplant und zur Seite gelegt.

Die Innenministerin will in ihrer Arbeit auch auf die Fragen der Verwaltung großes Gewicht legen. Sie hat u.a. die schier unlösbare Aufgabe, die neue administrative Aufteilung des Landes in Regionen - anstatt der 19 Komitate - vorzubereiten, wie das auch von der EU gefordert wird. Pläne für sechs, sieben oder auch acht Regionen gibt es schon seit längerer Zeit, doch keine Regierung hat sich bisher zugetraut, einen konkreten Plan ins Parlament einzubringen; die Lokalinteressen der vielen Komitate, ihre Kompetenzen (und ihre zahlreichen Funktionsträger und Beamten...) bedeuten ein politisches Minenfeld. Zu den tiefgehenden, früher oder später unumgänglichen Änderungen ist eine Zweidrittelmehrheit im Parlament nötig, da es sich ja auch um eine Verfassungsänderung handelt. Lamperth will tun, was gegenwärtig möglich ist. Eine Expertengruppe soll die Frage gründlich untersuchen und bis 2004 (dem Jahr der erhofften EU-Aufnahme) Empfehlungen vorbereiten. Dann sind die Gesetzgeber gefragt, wobei der Einsatz hoch ist. Bekanntlich werden viele Subventionen der EU nur Regionen gewährt; eine Aufschiebung der Verwaltungsreform würde das Land Milliarden kosten.

Mónika Lamperth ist sich dessen bewusst, dass die deutsche Bundesregierung und Regierungen einzelner Bundesländer, wie Bayern und Baden-Württemberg, großen Anteil bei der Umgestaltung und Entwicklung der ungarischen Polizei und auch der Grenzwache hatten und haben. Sie nutzte unlängst ihre Teilnahme an der Konferenz der EU-Innenminister in Rom zu einer ersten Kontaktaufnahme mit Innenminister Otto Schily und hofft auf eine weitere Intensivierung der Beziehungen auch auf diesem Gebiet. (fp)