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Eine Europa-Tour im Internet

Martin Schrader16. Februar 2004

Europa ist eine feine Sache! Und das Internet ist es auch. Die Europäische Union und das Internet scheinen jedoch keine Freunde zu sein, meint Martin Schrader in seinem Erfahrungsbericht über das Internet-Angebot der EU.

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Auf den ersten Blick übersichtlich: Internetportal der Europäischen Union

Parlamentarier, Beamte und Kommissare der Europäischen Union klagen ab und an über ihr mitunter schlechtes Bild in der Öffentlichkeit. Dort denkt man beim Blick auf Brüssel gern an hoch bezahlte Bürokraten, die über so unnützen Dingen brüten wie einer EU-Norm für die Krümmung von Salat-Gurken.

Von gestern

Internetportal der Europäischen Union
Internetportal der Europäischen Union - Screenshot der so genannten Meta-Startseite von der man auf die Startseiten in den verschiedenen EU-Sprachen gelangt

Ein gelungener Internet-Auftritt, denken wir uns, wäre also eine ideale Maßnahme, um interessierten Europäern die EU ins heimische Wohn- oder Arbeitszimmer zu bringen. Wir gehen deshalb auf eine kleine Reise durch das Informationsangebot der EU im Internet und wollen sehen, wie sich die EU darstellt und ihre Bürger informiert. So viel vorweg: Es ist eine Reise voller Kuriositäten.

Zentraler Anlaufpunkt ist für uns die Homepage mit dem Titel "Europa. Das Portal der Europäischen Union". Sie ist zu finden unter der Internet-Adresse europa.eu.int (ohne www; siehe Anhang). Dort wählen wir die passende Sprache aus, in unserem Fall deutsch.

Der erste Eindruck ist positiv. Die deutsche Startseite ist ebenso wie diejenigen in den anderen EU-Sprachen recht übersichtlich gestaltet. Auf der linken Seite befindet sich ein kleines Navigationsmenu, in der Mitte ein dreigeteilter Hauptblock und rechts sind fünf Verweise auf Spezial-Themen angeordnet. Wir wundern uns lediglich etwas, dass im Mittelblock in der Rubrik von "Tag zu Tag" mittags um 13 Uhr noch das Datum und ein Text des Vortages angezeigt sind.

Praxis-Test

Die Qualität eines Internet-Angebots prüft man am besten mit einem praktischen Beispiel wie diesem: Im Mai 2004 soll es zehn neue EU-Kommissare geben und ihre Namen stehen bereits fest. Wir möchten mehr über sie erfahren, geben darum in das Suche-Feld auf der Startseite den Begriff "Kommissare" ein und schicken unsere Suche ab. Die Maschine sucht in 1.432.764 Dokumenten und findet 567 Treffer. Nummer vier scheint uns eventuell interessant; der Titel lautet: "Die 20 vorgeschlagenen Kommissare - Profile und Zuständigkeiten". Eigentlich suchen wir zwar nach zehn Kommissaren, aber dazu gibt es auf Anhieb keinen Treffer. Also klicken wir die Nummer vier an. Wir sind jedoch schnell enttäuscht, weil wir die Fehlermeldung (in englischer Sprache) erhalten, die Seite habe ihre URL geändert. Dazu erhalten wir den sicher freundlich gemeinten Hinweis, wir möchten bitte unsere Bookmarks aktualisieren.

Wäre es tatsächlich eine Adresse in unserer Bookmarkliste, könnten wir dies nun tun. In diesem Fall jedoch müssten wir die Fehlermeldung wohl eher an die Macher von "Europa" weiterleiten. Aber wer sind die Macher? Dazu bietet "Europa" keine Informationen. Nirgends ist ein Impressum zu finden, kein Name eines Verantwortlichen, keine Adresse, keine Telefon-Nummer. Damit würde "Europa" gegen deutsches Presserecht verstoßen, ... ... wäre das Angebot in Deutschland beheimatet. Demzufolge müssen Druckwerke "Name oder Firma und Anschrift des Druckers und des Verlegers, beim Selbstverlag des Verfassers oder des Herausgebers" nennen. Das gilt nach landläufiger Ansicht auch für Internet-Angebote.

Die Macher?

In der Rubrik "Fragen und Antworten" erfahren wir zumindest, dass "Europa" von der Europäischen Kommission in Partnerschaft mit den anderen europäischen Organen und Institutionen betrieben wird. Zudem gebe es einen interinstitutionellen Redaktionsausschuss. Dieser sei zuständig für die Betreuung der gemeinsamen Internet-Seiten. Ein bisschen genauer hätten wir es schon gerne.

Wir beenden unseren Praxis-Test und wollen stattdessen einfach nur ein wenig ziellos im Angebot von "Europa" stöbern. Sofort wird unser Blick auf ein brisantes Thema gelenkt: "Die finanzielle Vorausschau auf eine erweiterte Union". Einen Artikel zu diesem Thema preist der Redaktionssausschuss ganz oben im Mittelblock in der Rubrik "Aktuelles" an. Wir klicken ihn an. Der Text erschlägt uns jedoch schnell. Ausgedruckt füllt er vier eng bedruckte Seiten, zuviel, um sie am Monitor zu lesen. Das gilt noch vielmehr für den Text "Europa in zehn Lektionen". Er füllt sogar 55 Druckseiten. Eine kurze Zusammenfassung wäre in beiden Fällen hilfreich.

Rechtschreibung

Unverständlich ist, warum die Verfasser die alte Rechtschreibung verwenden. Auch in den Amtsstuben Europas, in denen deutsch gesprochen wird, sollten fünf Jahre nach der Rechtschreibreform die wesentlichen Änderungen im Schriftdeutsch angekommen sein, denken wir uns.

Wir wollen jedoch nicht klagen, sondern uns vielmehr freuen, überhaupt einen deutschen Text gefunden zu haben. Das ist nicht selbstverständlich. Häufig passiert es deutschen "Europa"-Besuchern, dass Texte nur auf Englisch oder Französisch angeboten werden.

Navigation

Symbolbild Mydoom jagt weiter durchs Internet
Das Internet kann manchen Nutzer schnell zur Verzweiflung treibenBild: dpa zb

Das größte Manko des Internetauftritts der Europäischen Union ist jedoch die vielfach irreführende Navigation mit ständig wechselnden Designs. Klickt man beispielsweise von der Startseite über die Seite "Europäische Union im Überblick" bis zum Text "Europa in zehn Lektionen", wechselt von einer Seite zur nächsten jeweils die Aufmachung. Wir fragen uns deshalb nach jedem Klick, ob wir überhaupt noch im Bereich von "Europa" sind oder diesen bereits verlassen haben. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn ein Klick ein so genanntes Pop Up öffnet, also ein neues Browser-Fenster. Gänzlich verloren fühlen wir uns schließlich in "Europa", wenn die ohnehin spärliche Navigationsleiste auf der linken Seite mit dem Aufruf einer neuen Seite verschwindet.

Schön gerechnet

Kommt das "Europa"-Angebot trotz dieser Mängel bei den Bürgern an? Zumindest der Redaktionsausschuss spricht von einem "Erfolg der Website in Zahlen" und führt Statistiken an. Demnach verzeichnete "Europa" 2003 pro Monat durchschnittlich eine halbe Milliarde so genannter Hits. Das ist eine sehr stolze Zahl. In Deutschland gehört T-Online.de zu den meist genutzten Online-Angeboten mit monatlich mehr als 700 Millionen Seitenaufrufe. Der Vergleich hinkt jedoch; denn Hits zählen auch die Aufrufe einzelner Elemente einer Internetseite wie zum Beispiel alle Bilder auf einer Seite. Es ist deshalb unüblich, solche Hits zu zählen.

Mehr Aufschluss über den Erfolg von "Europa" gibt die Zahl der Dokumenten-Aufrufe; sie sind vergleichbar mit Seitenaufrufen. Hier zählt das Brüsseler Angebot in allen elf Sprachen etwa 70 Millionen pro Monat. Dies ist immer noch recht viel. Zum Vergleich: "Spiegel-Online" als eines der führenden deutschen Informationsangebote im Internet zählte im Januar 2004 etwas mehr als 180 Millionen Seitenaufrufe.

Bedenklich ist jedoch die hohe Zahl von Fehlermeldungen bei "Europa". Nach eigenen Angaben lag die Fehler-Zahl im Dezember 2003 bei knapp zwölf Millionen. Das heißt: etwa jeder siebte Aufruf einer "Europa"-Seite verursacht eine Fehlermeldung. Die Statistik bestätigt also unseren Eindruck nach der kleinen Tour durch europa.eu.int.