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Eine enttäuschte Liebe

Gernot Sittner 30. September 2002

Die Amteinsführung Joschka Fischers als Außenminister ließ die Mitarbeiter des Goethe-Instituts hoffen. Doch bis jetzt passierte nichts. Ein Gastkommentar von Gernot Sittner (Chefredakteur Süddeutsche Zeitung).

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Als Joschka Fischer nach dem Regierungswechsel vor vier Jahren das Amt des Außenministers übernahm, war München eines seiner ersten Reiseziele. Vor der Mitgliederversammlung des Goethe-Instituts postulierte er damals das Konzept einer umfassenden Freiheitskultur, dessen Leitlinien sich an den Menschenrechten orientieren müssten, und verband dieses Plädoyer mit einer klaren Absage an einen eurozentristischen Menschenrechts-Imperialismus.

Hoffnung für die Goethe-Institute

Für die Mitarbeiter des Goethe-Instituts bedeutete Fischers Auftritt mehr als eine nette Geste: Sie fühlten sich ernst genommen, sahen ihre Arbeit anerkannt. In der Münchner Zentrale und in den mehr als hundert Kulturinstituten rund um den Globus wuchs die Hoffnung, nach bitteren, mageren Jahren, einer Zeit wachsender Verunsicherung werde das Goethe-Institut einer zwar nicht strahlenden, aber doch sicheren Zukunft entgegengehen.

Ernüchterung macht sich breit

Nach der ersten Amtszeit des Außenministers ist diese Hoffnung einer Ernüchterung, um nicht zu sagen Enttäuschung gewichen. Irgendwie scheint Joschka Fischer, so der Eindruck vieler Goethe-Mitarbeiter, ihr Institut aus den Augen verloren zu haben. Das hat gewiss auch eine positive Seite: Auswärtige Kulturpolitik wird ohne unmittelbare Einmischung des Staates praktiziert. Aber solche Befürchtungen hatten sich ohnehin nicht mit Fischers Einzug ins Auswärtige Amt verbunden.

Das Selbstverständnis der Goethe-Mitarbeiter wird denn auch nicht - wie zeitweise während Helmut Kohls Kanzlerschaft - durch die Angst vor irgendwelchen politischen Eingriffen beeinträchtigt, sondern durch Ungewissheit und den Mangel an Zukunftsperspektive. Ein Ende der Einschränkungen scheint unabsehbar zu sein. Unter den Mitarbeitern macht sich Depression breit, und es fehlt nicht an Stimmen, die meinen: Bevor wir uns weiter unter Sparzwängen so dahinquälen, wäre es besser, auswärtige Kulturpolitik mangels Masse ganz einzustellen. Nachwuchs gibt es ja ohnehin nicht. Der Mitarbeiterstab ist stark überaltert. In einigen Jahren wird es schon deshalb kein Problem mehr sein, Stellen zu streichen und Institute zu schließen, einfach weil kein Nachwuchs mehr zur Verfügung steht.

Warten auf Berlin

Die Mitarbeiter warten auf ein Signal aus Berlin. Eine weitere
Rede, die sie der Wertschätzung ihrer Arbeit durch die Bundesregierung versichert, wird da nicht genügen. Und auch mit Sondermitteln für bestimmte, zeitlich befristete Projekte ist Goethe auf Dauer nicht bei Laune zu halten. Es gibt gegenwärtig Sondermittel des Auswärtigen Amts für den Dialog mit islamisch geprägten Ländern; es gibt Mittel des Stabilitätspakts für Südosteuropa, Sondermittel aus dem Programm Stabilitätspakt Afghanistan. Irgendwann werden diese Töpfe leer sein. Und wie soll's dann weitergehen? Muss Goethe weiter von der Hand in den Mund leben?