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Eine "bombensichere" Tour durch Belfast

Petra Tabeling22. Februar 2003

Nordirland ist nicht gerade das bevorzugte Reiseziel vieler Urlauber, schon gar nicht wegen der "Troubles". Doch einige kommen gerade deswegen und steigen ins Taxi ein...

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Eine typische Wandmalerei in BelfastBild: AP

Wenn es die Unruhen in Nordirland nicht geben würde, dann hätte er keinen Job: Norman Reilly ist Taxifahrer in Belfast. Aber er fährt nicht irgendein Taxi und auch nicht irgendwelche Stadtrouten. Reilly fährt ein traditionelles englisches Taxi - altmodisch und schwarz. Er arbeitet bei den "Black Taxi Tours" - und zeigt Touristen die nordirische Hauptstadt Belfast von einer ganz bestimmten Seite: die des Konfliktes zwischen Katholiken und Protestanten. Viereinhalb Jahre macht er das schon, seit Beginn der Friedensverträge. Seitdem läuft das Geschäft mit den "Trouble-Tours". Denn jetzt können auch Touristen sicher durch die Viertel gefahren werden.

Eine "bombensichere" Tour

Vor dem noblen Hotel "Europa" beginnt die Tour durch die Geschichte des nordirischen Konflikts. Der Name hat einen bitteren Beigeschmack, denn er steht zugleich für einen traurigen Rekord: Kein anderes Hotel in Europa war so häufig Ziel von Bombenanschlägen. Das hat unfreiwillig einen Eintrag in das Guinness Buch der Rekorde gebracht.

Die Fahrt geht weiter, vorbei an schön geschmückten Schaufenstern einzelner Geschäfte, in denen die Einwohner ihre Einkäufe erledigen. Früher wären solch unbeschwerte Einkaufsbummel nicht möglich gewesen, die Innenstadt glich einer streng kontrollierten Sicherheitszone, so der junge Taxifahrer. Jede Person, die in die Stadt ging, wurde durchsucht. In der Strasse, in den Geschäften, fast überall.

Heute prägen Sicherheitskräfte das Belfaster Stadtbild kaum noch. Belfast scheint sich nicht von anderen europäischen Metropolen zu unterscheiden. Doch der Schein kann trügen, abends finden Strassenschlachten im Norden Belfasts statt. Aber dahin fahre man ja auch nicht als Tourist. Die seien hier sicher, die Innenstadt biete viel und seine Tour auch, meint Norman.

Der Terror in den USA - schlecht für's Geschäft

Jeden Tag im Jahr fährt das Taxi die "Trouble-Tour", nur Weihnachten nicht. Das Geschäft mit dem Terror laufe gut, allerdings seien dieses Jahr weniger Touristen gekommen - nicht wegen Bombendrohungen oder Unruhen in Nordirland. Der Terroranschlag in den USA am 11. September habe viele abgeschreckt, so Reilly. Vor allem Amerikaner und Australier wollen so eine besondere Taxifahrt buchen. Die kämen nach Irland um ihre irischen Wurzeln zu suchen - sogar im Norden, scherzt der junge Taxifahrer. Doch von dem Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten wissen sie kaum etwas.

Wohnen nach Religionszugehörigkeit

"Touristen haben zwar von der Sache zwischen den Katholiken und Protestanten gehört, aber wenn du sie zur Shankhill und Falls Road bringst, dann verwechseln sie schon mal die Religionen", sagt der junge Taxifahrer.

Häuserwand in Belfast
Mitarbeiter und Touristen der "Black Taxi Tours" vor einer Wandbemalung in Belfast, Rechte: The Original black taxi tours (tobbtt)Bild: TOBBTT

"Das was Touristen schon mal verwechseln, kann für die Menschen, die hier leben, lebensbedrohlich sein. Zumindest in den Straßenvierteln, in denen man streng nach Religion unterscheidet", sagt Reilly und biegt in die Shankhill Road ein, dem Herz der Loyalisten:

"Die ganze Gegend ist 100 Prozent protestantisch. Alle Geschäfte sind nicht-katholisch und die Leute, die hier einkaufen sind auch protestantisch. Jetzt könnte man fragen, wie man den Unterschied erkennt. Man kann nicht erklären, wie man Protestanten und Katholiken voneinander unterscheidet, aber es ist einfach keine kluge Sache für einen Katholiken in diese Gegend zu kommen."

Kindheit zwischen Steinen und Sirenengeheul

Norman Reilly hat sein ganzes Leben in Belfast verbracht. Auch er wuchs hier in der Shankill Road auf. Seine Kindheit war geprägt vom alltäglichen Hass auf die katholischen Nachbarn. Während der 31-Jährige erzählt, rasen gepanzerte Polizeiwagen vorbei. Ein normaler Anblick für Norman - für den Touristen auf der Rückbank ein Adrenalinstoß. Vor zehn Jahren gehörte das Sirengeheul zum Alltag, jede Woche gab es mindestens drei Bombendrohungen.

Häuserwand in Belfast
Häuserwand in Belfast, The Original black taxi tours (tobbtt)Bild: TOBBTT

Reilly sagt dies wie ein alter Kriegsveteran. Steine werfen und das Surren von Plastikgeschossen waren für ihn an der Tagesordnung. Er fährt sein Taxi weiter auf die katholische Seite. Hier trennen sich Welten, nur ein paar hundert Meter voneinander entfernt, an einer grauen hässlichen Mauer die mitten durch ein Wohngebiet gezogen ist:

"Das hier ist die Mauer, die Protestanten von der katholischen Falls Road trennt. Diese Seite Protestanten, auf der anderen katholische Häuser. Die Mauer wurde vor 25 Jahren gebaut als es hier besonders viele Unruhen gab. Protestanten und Katholiken haben sich gegenseitig mit Steinen beworfen, weil ihre Häuser so nah beieinander liegen. Das hier ist Niemandsland. Einige Leute sagen, dass diese hier die Berliner Mauer von Belfast ist. Und fragen sich, wann die Mauer wohl fällt. Ich sage, dass es noch lange dauert. Aber es hat ja auch niemand geglaubt, dass die Berliner Mauer einmal fallen würde."

Häuserwand in Belfast
Häuserwand in Belfast, The Original black taxi tours (tobbtt)Bild: TOBBTT

Zeit für den Frieden

Wenn Reilly einmal im Lotto gewinnen sollte, dann wandere er nach Australien aus, lacht er. Nicht, weil es da friedlicher sei, sondern wegen des warmen Klimas. Der Vater dreier Kinder würde niemals wegen des Hasses gehen. Er ist mit dem Konflikt, von dem niemand weiß, wie lange er noch in den Köpfen - trotz politischer Fortschritte - weiter spuken wird, aufgewachsen. Aber wann ist es Zeit für einen Frieden?

Es dauere bestimmt noch eine Generation, bis der Konflikt vorbei ist, vielleicht sogar noch länger, schätzt Reilly. Die Menschen hätten einen Geschmack des Friedens und der Freiheit bekommen, aber sie wollten mehr davon, "es sind nur einige Radikale, die ihn nicht wollen".