1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kunstschau: "Geschmack" in Baden-Baden

7. August 2011

Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Das gilt auch für die Kunst. Eine Ausstellung in Baden-Baden zeigt, wie Inszenierung, Nachfrage und nicht zuletzt Geld Trends und Geschmacksfragen beherrschen.

https://p.dw.com/p/RaSL
Eine Besucherin der Ausstellung Geschmack - der gute, der schlechte und der wirklich teure (Foto: Jochen Kürten)
Bild: DW

Dem einen schmeckt es, dem anderen nicht. Das gilt nicht nur fürs Essen. Auch in der Kunst dominieren persönliche Vorlieben. Johan Holten hat deshalb ein Geschmacksproblem, wenn er als Direktor der Kunstsammlung Baden-Baden eine Ausstellung vorbereitet. Was kommt rein, was nicht? Holten ging die Sache radikal an. Er will das Thema grundsätzlich diskutieren. Welche Kriterien für eine Ausstellung gibt es heute?

Die Zeiten, in denen ein Kanon festlegte, was "schöne" Kunst ist und was nicht, sind vorbei. Doch die Museumsbesucher erwarten noch immer einen verlässlichen Leitfaden, der ihnen sagt: Das ist guter Geschmack! Johan Holten, frisch gebackener Leiter der staatlichen Kunstsammlung Baden-Baden, ist allerdings überzeugt: Diese Orientierungsarbeit kann er nicht mehr leisten.

Verabschiedung des Kanons

Besucher in der Ausstellung 'Geschmack' in der Kunsthalle Baden-Baden vor einem Bild von Poul Gernes (Foto: DW/Jochen Kürten)
Poul Gernes glaubt noch an die heilende Kraft ästhetischer Formen und FarbenBild: DW

Im 19. Jahrhundert waren die genormten gesellschaftlichen Begriffe des guten Geschmacks noch intakt, die Museen waren dazu da, der Bevölkerung diesen guten Geschmack zu vermitteln. Die Ausstellung "Geschmack - der gute, der schlechte und der wirklich teure" thematisiert diesen historischen Gedanken mit einem eigenen Raum, in dem klassische Landschaftsansichten aus der Zeit um 1800 zu sehen sind. Damals hatten solche Bilder noch einen erzieherischen Auftrag, sie waren ein Instrument der Mentalitätsentwicklung. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Das liegt in erster Linie daran, dass sich im 20. Jahrhundert die Rolle des Künstlers verändert hat.

Die Frage nach den Kriterien

Holten möchte seinen neuen Job nicht antreten, um einen bestimmten, ausgewählten Künstler, der ihn persönlich interessiert oder der gerade vielleicht gefragt ist, auszustellen: "Seit mindestens 40 Jahren haben Künstler bewusst daran gearbeitet, Kategorien von Gut und Schlecht durcheinander zu wirbeln. Als neu ernannter Museumsdirektor einer staatlichen Kunsthalle am Anfang des 21. Jahrhunderts muss ich mich fragen: Welche Kategorien kann ich dann überhaupt verwenden, um mein Programm zusammenzustellen?" Er wolle schließlich niemandem sein persönliches Geschmacksurteil aufzwingen, sagt Holten.

13 Künstler hat Holten schließlich ausgewählt. Sie machen sich zum Beispiel Gedanken über die Mechanismen des Kunstbetriebs. Einer von ihnen ist John Bock, der Puppen mit abstrus-surrealen Gewändern ausgestattet hat und somit auf die Welt der Mode verweist, in der ja auch immer Neues präsentiert wird, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu erregen.

Besucher in der Ausstellung 'Geschmack' in der Kunstalle Baden-Baden blickt auf Objekt von Josephine Meckseper (Foto: dpa)
Hammer und Sichel als Luxusobjekt: Inszenierung von Josephine MeckseperBild: picture alliance/dpa

Kunst = Luxus + Geld

Andere Künstler setzen sich mit dem Thema Geld und Luxus auseinander. Kunst und Geld gehören untrennbar zusammen, so lautet eine von Holtens Thesen. Der britische Fotograf Martin Parr zeigt in seinen Bildern die Welt der Reichen und Schönen. Seine Bilderserie trägt den Titel "Luxury". Darauf sind Millionäre zu sehen, die für sie eingerichtete Messen in Miami oder Moskau besuchen. Andere zeigen das luxuriöse Stelldichein der Reichen an den Galopprennbahnen der Welt. Um Geld und Luxus kreist auch das Werk von Josephine Meckseper, die alltägliche Objekte aus ihren Zusammenhängen gerissen hat und sie zu edlen Luxus-Accessoires stilisiert.

Geld regiert die Kunst

"Es sind kommerzielle Interessen, die entscheiden, wie und wo etwas präsentiert wird", sagt Holten. Das Geld regiert die Welt - auch und vor allem die Welt der Kunst. Und so bestimmt das Geld dann auch den Geschmack.

Umso mehr treten persönliche Entscheidungen in den Vordergrund. Denn, wie es die große amerikanische Publizistin und Autorin Susan Sontag bereits Mitte der 1960er Jahre formuliert hat: Stil-, Geschmacks- und ästhetische Fragen lassen sich nicht mehr aufgrund der Qualität eines Objektes oder eines Bildes beantworten. Entscheidend sei vielmehr der Blickwinkel des individuellen Betrachters und dessen ganz individueller Kriterienkatalog.

Autor: Jochen Kürten

Redaktion: Sabine Oelze