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Eindrücke aus dem Tierversuchs-Labor

Andreas Neuhaus11. Mai 2015

Nikos Logothetis macht Versuche mit Affen. Schon lange. Als einziger Forscher ließ er DW-Reporter Andreas Neuhaus für einen TV-Film in seine Labore. Den aktuellen Shitstorm gegen Logothetis kann er nicht nachvollziehen.

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Eine Tafel, welche die verschiedenen Gebäude der Max-Planck-Gesellschaft kennzeichnet, steht am Eingang des Geländes in Tübingen (Foto: dpa).
Bild: picture-alliance/dpa/I. Kjer

Feature Gehirn

Tierversuche mit Affen waren schon 1999 umstritten. Viele der bekannten Hirnforscher, deren Arbeit ich in meinem Feature "Die Welt im Kopf - Hirnforschung für das neue Jahrtausend" zeigen wollte, lehnten es damals ab, ihre Versuche filmen zu lassen.

Nicht so der Tübinger Professor Nikos Logothetis, vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik. Im Vorgespräch unterhielt ich mich mit ihm über die Fortschritte in der Hirnforschung - gerade ging die Dekade des Gehirns zu Ende - und darüber, wie wichtig es ist, neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer in Zukunft besser heilen zu können. Denn diese nehmen wegen der älter werdenden Bevölkerung immer mehr zu. Um Grundlagen für Therapien zu schaffen, sagte er, mache er die Versuche mit den Makaken - nicht, um sie unnötig zu quälen. Diese Vorwürfe gegenüber Wissenschaftlern finde er unfair. Bei ihm fühlten sich die Affen besser als im Zoo, war er sich sicher.

DW-Autor Andreas Neuhaus (Foto: DW/ A. Neuhaus).
DW-Reporter Andreas Neuhaus war 1999 zu Besuch im Labor von Professor Nikos LogothetisBild: DW/A. Neuhaus

Überzeugungsarbeit für Makaken

"You have to convince the monkey", sagte er später im Interview - man müsse die Affen überzeugen, damit sie Aufgaben erfüllen wollen. Er arbeite in gewisser Weise mit den Tieren genauso, wie man einem Hund einfache Aufgaben beibringt. Das gehe nur, wenn man eine Beziehung zu dem Tier aufbaut, nicht mit Zwang und Druck, das Tier müsse sich wohl fühlen.

Am 24.09.1999 war der Drehtag. Ich war schon etwas skeptisch, ob das alles so stimmt und ob die Bilder, die wir aufnehmen würden, mich nicht doch schockieren würden und ob sie überhaupt im Film gezeigt werden könnten.

Als das Kamerateam und ich gegen Mittag den Versuchstierstall betraten, sahen wir etwa zehn bis zwölf Makaken in kleinen Gruppen. Sie waren in relativ großen Gehegen untergebracht. Die Älteren hatten alle eine große Metallhaube auf der Kopfhaut implantiert, von der aus Elektroden ins Gehirn gingen. Doch das schien tatsächlich keinen Affen zu stören. Kein Makake kratzte dort sich oder wollte sich die Haube abreißen. Man sah auch keinerlei Wunden oder entzündete Stellen.

Hightech für Versuchstiere

Die Mitarbeiter sagten, Nikos Logothetis operiere selbst, er sei ein sehr guter Chirurg und habe einen Hightech-Operationssaal aufgebaut, der so nicht mal in jedem Krankenhaus zu finden ist.

Dann wurden einzelne Affen für die Versuche aus den Ställen geholt. Einer wurde auch damals schon mit einer Stange auf Distanz gehalten. Zur Vorsicht, sagten die Pfleger, denn die Makaken könnten eine Gehirnkrankheit auch auf Menschen übertragen, wenn sie beißen oder kratzen.

BeeGee - Zucker für das Ausnahmetalent

Doch bei GeeBee habe man nie eine Stange gebraucht. Dem Star der Truppe - eine überaus fleißige Affendame - wurde nur die Tür geöffnet, schon sprang sie ohne Aufforderung mit einem Satz in den Affenstuhl, in dem sie immer die Experimente absolvierte. Noch im Affengehege bekam sie über ein Mundstück an einem Schlauch eine zuckerhaltige Lösung. Ihr Lieblingsgetränk, sagte die amerikanische Forscherin, die mit ihr die Versuche durchführte: "Wir lassen sie nicht vorher hungern, damit sie besser arbeiten. Das funktioniert so nicht. Wenn die Affen großen Hunger haben, werden sie zu nervös und unkonzentriert für die Tests."

Auf einem Monitor sollte BeeGee dann Gegenstände im Bild erkennen - ob sie zusammengehören oder Motive finden, die im Bild auftauchten, und dann einen Hebel drücken. Bei der richtigen Lösung gab es zur Belohnung die Zuckerflüssigkeit. Die Forscher nahmen währenddessen auf, wohin sie blickte und erkannten, welche Nervenzellen bei BeeGee bei der Arbeit aktiv waren.

BeeGee machte die Versuche offensichtlich mit großem Eifer. Und es machte den Eindruck, dass sie Freude daran hatte. Ich konnte natürlich nicht herausfinden, ob es allen Affen dabei genauso ging, aber bei BeeGee hatte ich bald keine Zweifel mehr, das es ihr wirklich besser ging als Affen im Zoo, die mitunter viel weniger Beschäftigung und Aufmerksamkeit bekommen.

Nötig oder überflüssig - eine schwere Entscheidung

Doch reicht das schon, um die Tierversuche zu verteidigen? Dass es ihnen besser geht als im Zoo? Die meisten Menschen wollen heutzutage Tiere schützen, sie am liebsten ganz in Ruhe lassen. Allerdings gibt es weltweit etwa 120.000 Patienten, deren Lebensqualität durch ein Hirnimplantat wiederhergestellt werden konnte. Ohne Tierversuche dieser Art wäre dieser Fortschritt nicht möglich gewesen. Es bleibt eine schwierige Abwägung.

Bei meinem Besuch 1999 habe ich keinen Grund gefunden, an den ehrlichen Motiven von Nikos Logothetis zu zweifeln. Ich habe ihn als umsichtigen, weltoffenen und toleranten Wissenschaftler kennengelernt. Dass er jetzt seine umstrittenen Versuche beendet, ist für mich auch ein Zeichen seiner Humanität.