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Ein zweites Florida?

Tobias Hemmersbach

Ruben Studdard heißt Amerikas neuer Superstar. Doch es gibt Stimmen, die das Auszählergebnis anzweifeln. Erleben die USA mit der Sendung "American Idol" ein neues Wahldesaster? Eine nicht ganz ernst gemeinter Bericht.

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Mittwoch (21. Mai 2003) zwischen 20 und 22 Uhr in den USA. Auf jedem dritten Fernseher läuft der Sender Fox. Es geht um die Entscheidung darüber, wer Amerikas neuer Superstar, das "American Idol", wird. Es treten an Clay Aiken gegen Ruben Studdard. Der schmächtige und blasse Clay aus North Carolina trägt, um seine großen Ohren zu verdecken, an den Seiten längere Haare als auf dem Kopf. Ruben, ein Afroamerikaner, massiv übergewichtig. Wann immer er die Bühne betritt ruft das Publikum liebevoll "Ruuuben", das ‚u’ langgezogen wie in "Ruuudi" Völler. Singen können beide ganz hervorragend. Clay ist süßer, was ihm einen Vorteil bei der größten Wählergruppe, weiblichen Teenagern, einbringt, aber er erscheint manchmal etwas theatralisch in seinen Gesten. Ruben dagegen gleitet trotz seines beträchtlichen Umfangs sehr lässig über die Bühne, charmant dem Publikum zuzwinkernd.

Hauchdünn

Dass es eine knappe Entscheidung werden würde, damit war zu rechnen. Kein Zweifel, Clay und Ruben waren die talentiertesten Kandidaten mit den über den gesamten Zeitraum der Show konstantesten Leistungen. Die Frage, die überall in den USA diskutiert wurde, war nun, wer von den beiden Mittwochabend gewinnen würde. Der Fernsehsender Fox verpackte die Entscheidung in einem zweistündigen Spektakel. Moderator Ryan Seacrest spielt auf die Präsidentschaftswahlen an und sagt: "Der Bundesstaat Ohio geht an Clay". Im Gegensatz zu den Präsidentschaftswahlen zählt bei "American Idol" aber die Anzahl der absoluten Stimmen, und nicht die der gewählten Wahlmänner.

Seacrest spricht am Anfang der Sendung von einer Differenz von 13.000 Stimmen zwischen Gewinner und Verlierer, bei etwa 24 Millionen per Anruf eingegangenen Stimmen. Bei Verkündung der Entscheidung am Ende der Show geht Seacrest noch weiter: Ruben hat gewonnen, mit einem Vorsprung von bloß 1335 Stimmen. Im Anschluss an die Show korrigieren die Produzenten von "American Idol" das Ergebnis ein drittes Mal und sprechen von 134.000 Stimmen zugunsten von Ruben. Dabei hätte das Ergebnis schon am Abend vorher feststehen sollen. Nachdem die Kandidaten Dienstag ein letztes Mal gegeneinander gesungen hatten, waren die Telefonleitungen für drei Stunden zur Abstimmung geöffnet.

Erste Zweifel

Der Chef eines Konkurrenzsenders äußerte hat am Donnerstag Zweifel an dem Ergebnis. Dem Internet-Magazin Drudge-Report sagte der Senderchef, der ungenannt bleiben wollte: "Das riecht sehr nach Manipulation. Keiner hier glaubt auch nur für eine Sekunde, dass bloß 1300 Stimmen zwischen den beiden lagen. Es ist eine Schande. Wir leiden alle darunter, wenn die Zuschauer hinters Licht geführt werden. Wenn die Show ihre Glaubwürdigkeit behalten will, muss eine gründliche Untersuchung des Prozesses der Stimmenauszählung durchgeführt werden." Der Fernsehsender Fox begründet in einer Stellungnahme die Unklarheiten mit einem Versprecher des Moderators Seacrest, möchte aber laut Drudge-Report untersuchen, wieso Seacrest zwei falsche Zahlen in der Live-Sendung nannte.

Clay gegen Ruben - Runde 2

Ob, wie bei den letzten Präsidentschaftswahlen in Florida, das Ergebnis vorläufig gilt und der Prozess der Stimmenauszählung untersucht werden muss, bleibt abzuwarten. In jedem Fall darf aber Clay, im Gegensatz zum damaligen Präsidentschaftskandidaten Al Gore, dessen politische Karriere durch die verlorene Wahl praktisch beendet wurde, weiterhin auf eine erfolgreiche Karriere hoffen, und erhält schon nächste Woche eine zweite Chance. Ruben und Clay veröffentlichen ihre ersten Singles und konkurrieren dann um die Spitzenposition in den Charts. Clay geht mit Simon and Garfunkels "Bridge Over Troubled Water " an den Start, Ruben veröffentlicht "Flying Without Wings". Es spricht für den Obersten Gerichtshof der USA, dass er sich noch nicht in diesen Auszählungsstreit eingeschaltet hat.