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Ein Wahlsieg mit Tücken

Jannis Papadimitriou18. Juni 2012

Nach einem Wahlkrimi steht nun fest: Die konservative "Nea Dimokratia" hat die Wahl in Griechenland gewonnen. Sie kann eine pro-europäische Koalition mit den Sozialisten bilden, falls sie sich dazu entschließt.

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Antonis Samaras von der Nea Dimokratia (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Nach dem vorläufigen Endergebnis wird die Partei des ehemaligen Finanz- und Außenministers Antonis Samaras (Foto oben) stärkste Kraft mit knapp 30 Prozent der Stimmen. Das Bündnis der radikalen Linken (SYRIZA), das den laufenden Sparkurs für null und nichtig erklären will, folgt mit 26,89 Prozent, auf den dritten Platz kommen die Sozialisten mit 12,28 Prozent.

Nach langen Jahren im politischen Abseits konnte sich der konservative Parteiführer Antonis Samaras am späten Sonntagabend als strahlender Wahlsieger präsentieren, ohne allerdings die absolute Mehrheit erlangt zu haben. Er rief zur Bildung einer Regierung der nationalen Einheit auf und versicherte, Griechenland werde zu seinen Verpflichtungen stehen.

Keine Rede von "Neuverhandlung"

Aufmerksame Beobachter konnten erkennen, dass Samaras auf seiner ersten Pressekonferenz nach dem Wahlsieg - anders als noch im Wahlkampf - das Wort "Neuverhandlung" nicht mehr in den Mund nahm. Diplomatisch erklärte er jedoch, dem laufenden Sparkurs müssten "Elemente einer neuen Politik hinzugefügt werden".

Hochrechnung am Wahlabend in Griechenland (Foto: Reuters)
Spannender Wahlabend: In den ersten Prognosen lagen Nea Dimokratia und Syriza noch gleichaufBild: Reuters

Linksparteichef Alexis Tsipras, der Überraschungszweite der vergangenen Wahl im Mai, konnte sein Wahlergebnis deutlich verbessern und darf sich nun Oppositionsführer nennen. Erstmals seit 1958 erreichte eine Linkspartei in Griechenland knapp 27 Prozent der Stimmen. Die Schuld dafür, dass es für den Wahlsieg nicht ganz gereicht hat, gab Tsipras "denjenigen im In- und Ausland", die das griechische Volk mit der Androhung eines Euro-Austritts erpressen würden. Aus Sicht der Linkspartei war der Urnengang nämlich kein Referendum über den Euro, sondern eine Gelegenheit, die Traditionsparteien für ihre Schuld an der Wirtschaftskrise zu bestrafen. Koalitionsverhandlungen erteilte Tsipras gleich am Sonntagabend eine Absage.

Die Sozialisten als Mehrheitsbeschaffer

Somit fällt dem Drittplatzierten, der sozialistischen Partei PASOK, die entscheidende Rolle für die Bildung einer Koalitionsregierung mit den Konservativen zu. Rein rechnerisch könnten die beiden Traditionsparteien eine proeuropäische Koalitionsregierung bilden; sie würden gemeinsam über 162 Sitze verfügen - zwölf mehr als für die absolute Mehrheit nötig. Allerdings irritierte Sozialistenchef Evangelos Venizelos am späten Sonntagabend Freund und Feind, indem er erklärte, seine Partei werde sich nur dann in eine Koalition einspannen, wenn auch die Linkspartei mitmache - die bekanntlich keine derartige Absicht hat. Kommentatoren vermuten dahinter ein taktisches Manöver des Ex-Finanzministers, der nicht nur Koalitionsverhandlungen, sondern auch noch eine innerparteiliche Krise zu meistern hat, angesichts miserabler Wahlergebnisse. Falls Venizelos bei seiner Weigerung bleibt, könnte er alternativ eine Minderheitsregierung des konservativen Parteiführers Samaras tolerieren, was allerdings voraussetzt, dass dieser überhaupt bereit wäre, eine derart kurzlebige Regierung zu führen.

Einigung auf kurzem Dienstweg?

In den frühen Morgenstunden des Montags sickerte ein anderes Szenario durch: Um wertvolle Zeit zu gewinnen, könnten sich Konservative und Sozialisten auch auf kurzem Dienstweg einigen, hieß es im Athener TV-Sender Skai. Dabei würden die Koalitionspartner erwägen, unabhängige Wirtschaftsexperten in Schlüsselpositionen einzusetzen. In Betracht käme etwa der Ökonom und EU-Experte Jannis Zanias, der in der letzten griechischen Übergangsregierung das Finanzministerium leitete oder auch der ehemalige Banker Jannis Stournaras.

Als williger Koalitionspartner, wenn auch nicht als Mehrheitsbeschaffer, käme zudem die sozialdemokratisch orientierte "Demokratische Linke" in Betracht, die auf 6,25 Prozent der Stimmen kam.  Deren Vorsitzender Fotis Kouvelis erklärte, er werde "kämpfen für die Bildung einer Regierung". Allerdings würde er sich nach Ansicht von Politanalysten nur dann auf eine Koalitionsregierung einlassen, wenn sich auch die Sozialisten als koalitionsfähig erweisen.

Stimmenauszählung nach der Parlamentswahl in Griechenland (Foto: AP)
Die Auszählung der Stimmen dauerte bis in die NachtBild: AP

Ein überraschend gutes Wahlergebnis erzielte wieder einmal die rechtsradikale "Goldene Morgenröte". Obwohl ihre jüngsten Umfragewerte viel niedriger ausfielen, zogen die Rechten ins Parlament mit 7 Prozent der Stimmen, genau wie beim letzten Urnengang im Mai. Parteichef Nikolaos Michaloliakos warnte am Wahlabend, er werde seinen Kampf "innerhalb und außerhalb des Parlaments" weiterführen.