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Unbeugsamer Denker

8. Oktober 2010

Für seinen unermüdlichen Einsatz für mehr Demokratie in China wird Liu Xiaobo mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Sein mutiger Kampf brachte ihn aber auch immer wieder ins Gefängnis.

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Liu Xiaobo (Foto: www.laogai.org)
Liu XiaoboBild: laogai.org

Seit Jahrzehnten ist Liu Xiaobo einer der bekanntesten Kritiker des Kommunistischen Machtapparates in China. Seit knapp zwei Jahren sitzt der Bürgerrechtler im Gefängnis. Gefängnismauern sind für den schmalen Mittfünfziger mit dem unbeugsamen Willen nichts Neues.

An seine erste Verhaftung kann er sich noch gut erinnern. Das war 1989 nach der blutigen Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung. Gegen Mitternacht sei er mit dem Fahrrad nach Hause gefahren, berichtet Liu. Dabei sei ihm ein Auto gefolgt und habe ihn schließlich zum Halten gezwungen. "Eine Gruppe von Leuten stieg aus. Sie haben meine Augen verbunden, mich geknebelt und mich dann ins Auto geworfen. Die ganze Atmosphäre war sehr beängstigend." Er habe große Angst gehabt, sagt Liu. Angst davor, dass sie ihn einfach irgendwo hinbringen und erschießen würden.

Pflichtgefühl gegenüber den Toten

Ein Poliziste entfernt gelbe Bänder an einer Absperrung (Foto: AP)
Zum Prozess gegen Liu im Dezember 2009 erinnerten Anhänger mit gelben Bändern an den DissidentenBild: AP

Zwei Jahre saß Liu damals im Gefängnis. Weitere Verhaftungen folgten 1995 und 1996. Doch all das konnte ihn nicht einschüchtern. Denn Liu Xiaobo wurde angetrieben von einem Gefühl der Verpflichtung gegenüber den Opfern vom Tiananmen-Platz. "Viele unschuldige Menschen wurden damals am 4. Juni erschossen. Ich glaube, als Überlebender muss ich für die Getöteten um Gerechtigkeit kämpfen."

Ende 2008 wurde Liu Xiaobo erneut verhaftet: als Hauptinitiator der sogenannten "Charta 08", veröffentlicht am 60. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Die "Charta 08" ist ein Manifest für die politische Modernisierung Chinas. Gewaltenteilung wird darin gefordert, Meinungsfreiheit und ein freier Wettbewerb politischer Parteien. Mehr als 10.000 Chinesen haben die "Charta 08" unterzeichnet. Trotzdem wurde Liu Xiaobo am Weihnachtstag 2009 wegen "Subversion" zu elf Jahren Haft verurteilt..

Proteste für eine Freilassung Lius in Hongkong im Sommer 2009 (Foto: AP)
Viele Menschen setzen sich für den Bürgerrechtler einBild: AP

Mit Selbstvertrauen der Staatsgewalt trotzen

Es scheint, als hätte er so etwas schon lange im Voraus geahnt. So bezeichnete Liu die permanente Überwachung und den Verlust der eigenen Freiheit bereits im Jahr 2007 bei einem Interview in Peking als "Berufsrisiko eines Dissidenten". Darüber müsse man sich bewusst werden, wenn man sich für diesen Weg entscheide. Es stehe jedem frei, stattdessen einen anderen Weg zu wählen und beispielsweise als Kaufmann oder Lehrer Geld zu verdienen.

"Sobald du aber deine Entscheidung getroffen hast, solltest du dem Risiko und dem Druck mit Optimismus gegenüberstehen, mit Selbstvertrauen und in aller Ruhe.“ Liu Xiaobo verbüßt seine Haft in einem Gefängnis knapp 500 Kilometer nordöstlich von Peking. Einmal im Monat darf er Besuch empfangen.

Autor: Matthias von Hein
Redaktion: Daniel Scheschkewitz / Esther Broders