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Teenager gegen Taliban

Esther Felden10. Oktober 2012

Weil sie offen ihre Stimme gegen die Taliban erhob, wurde eine 14-Jährige in Pakistan niedergeschossen und schwer verletzt. Die Tat rief Entsetzen hervor - und wirft die Frage nach dem Einfluss der Extremisten auf.

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Portrait der 14-jährigen Malala Yousufzai (Foto: picture alliance / dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Gestern hatte ich einen schrecklichen Traum. Auf dem Heimweg von der Schule hörte ich einen Mann sagen: Ich werde dich töten", schrieb die damals 11-jährige pakistanische Schülerin und Friedensaktivistin Malala Yousafzai im Januar 2009 in einem Blog, den sie für die britische BBC führte. Knapp vier Jahre später wurde das landesweit bekannte Mädchen aus dem Swat-Tal im Nordwesten Pakistans nun tatsächlich auf dem Schulweg niedergeschossen und in den Kopf sowie an der Schulter getroffen - als Angreifer am Dienstag (09.10.2012) den Kleinbus mit Yousafzai und ihren Schulkameradinnen attackierten. "Wir saßen schon im Fahrzeug, als ein Mann zu uns trat und fragte, wer von uns Malala sei", erinnert sich Malalas Freundin Shazia, die bei dem Anschlag ebenfalls verletzt wurde, gegenüber der Deutschen Welle. "Und dann hat er angefangen zu schießen."

Zuerst war Malala in einem Krankenhaus in Peshawar behandelt worden. Dort war es den Chirurgen in einem mehrstündigen Eingriff gelungen, eine Kugel aus der Nähe der Halswirbelsäule zu entfernen. Aufgrund besserer Behandlungsmöglichkeiten wurde sie zunächst in ein Militärkrankenhaus in Rawalpindi verlegt. Am Montag (15.10.2012) wurde sie dann zur weiteren Behandlung nach Großbritannien ausgeflogen. Nach ärztlicher Einschätzung liegen ihre Überlebenschancen bei 70 Prozent. Eine Verwandte des schwer verwundeten Mädchens, die im pakistanischen Krankenhaus an seiner Seite war, bezeichnete die Tat als feige. "Die Regierung muss sicherstellen, dass sich derartige Vorfälle nicht wiederholen. Malala war eine Friedensbotschafterin des Swat-Tals."

Ärzte am Bett von Malala Yousufzai im Krankenhaus von Peshawar (Foto: picture-alliance/dpa)
In einer Klinik in Peshawar kämpften die Ärzte um das Leben der jungen AktivistinBild: picture-alliance/dpa

Jung, mutig, kämpferisch

Schon kurz nach der Tat hatten sich die Taliban zu dem Anschlag auf den Teenager bekannt. "Dieses Mädchen ist westlich orientiert, deshalb war sie unser Ziel", so ein Sprecher. Der Angriff solle eine Warnung auch für andere sein, ihre Stimme gegen die Taliban zu erheben. Genau das hatte Malala Yousafzai getan - und war den radikalen Islamisten deshalb schon lange ein Dorn im Auge. In ihrem Blog, den sie im Jahr 2009 für die BBC führte, hatte sie über Gewalttaten der Taliban im Swat-Tal berichtet.

Später trat sie auch wiederholt in Dokumentationen auf. Für ihre Arbeit war sie im vergangenen Jahr mit dem ersten jemals verliehenen Friedenspreis der pakistanischen Regierung ausgezeichnet worden. Außerdem war sie für den Internationalen Friedenspreis für Kinder nominiert. "Malala Yousafzai stellte für die Taliban eine Bedrohung dar, weil sie ein leuchtendes Beispiel ist", erklärt die pakistanische Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Zahinda Hina. "Die Taliban haben sie attackiert, um zu zeigen, was mit denjenigen passiert, die es ihr nachtun."

Yousufzais besonderes Engagement galt dem Kampf gegen die Benachteiligung von Mädchen. Nachdem die Taliban im Jahr 2007 das im unruhigen Nordwesten des Landes liegende Swat-Tal - das als Rückzugsort für Taliban-Kämpfer und Mitglieder des Terrornetzwerks Al Kaida gilt - unter ihre Kontrolle gebracht hatten, waren viele Mädchenschulen geschlossen und zerstört worden, darunter auch die von Malala. Sie beschloss, sich von den Drohungen der Taliban nicht einschüchtern zu lassen und für die Rechte der Mädchen zu kämpfen. 2009 kam es zu einer großangelegten Militäroperation. Seitdem gilt das Tal nach Regierungsangaben offiziell als "frei" von Taliban. Tatsächlich aber kommt es trotzdem nach wie vor immer wieder zu Anschlägen.

Porträt des pakistanischen Präsidenten Asif Ali Zardari
Pakistans Präsident Zardari verurteilte die TatBild: AP

Scharfe Kritik von offizieller Seite

Das pakistanische Unterhaus unterbrach den normalen Tagesablauf am Mittwoch (10.10.2012), um den Anschlag zu verurteilen. "Malala Yousafzai ist ein Vorbild für ganz Pakistan, und wir sollten vereint stehen, um gegen die Elemente anzugehen, die die 14-Jährige angegriffen haben", würdigte Außenministerin Hina Rabbani Khar die Aktivistin. Innenminister Rehman Malik sagte, das Mädchen sei zum Symbol für das Land geworden. Armeechef Ashfaq Kayani besuchte die Jugendliche und erklärte, sie stehe für die Werte der Armee, die für zukünftige Generationen erhalten bleiben müssten. Auch Präsident Asif Ali Zardari verurteilte den Angriff auf die 14-jährige Malala Yousufzay und betonte, diese Attacke werde den Willen zum Kampf gegen die Taliban nicht schwächen. Der Informationsminister der Provinz, Mian Iftikhar Hussain, rief im Interview mit der Deutschen Welle zum Kampf gegen Extremisten auf. "Die Regierung, das Militär und das pakistanische Volk müssen sich zusammentun und gemeinsam gegen den Terrorismus ankämpfen."

Als Zeichen der Solidarität blieben private Schulen im Swat-Tal am Mittwoch geschlossen. In Mingora, wo sich der Anschlag ereignete, nahmen rund 250 Menschen an Protestveranstaltungen gegen den Angriff teil. Unterdessen wurde auf die Ergreifung der Täter eine Belohnung von 105.000 US-Dollar (umgerechnet gut 81.000 Euro) ausgesetzt.