1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Ein sehr ernstes Problem"

16. März 2004

Polnische Reaktionen auf den "Frontenwechsel" in der Außenpolitik Spaniens

https://p.dw.com/p/4nne

Bonn, 16.03.2004 RZECZPOSPOLITA, GAZETA WYBORCZA, poln.

RZECZPOSPOLITA, poln. 6.3.2004

Der neue spanische Premierminister hat von der Möglichkeit gesprochen, spanische Soldaten aus dem Irak abzuziehen. Trotz der Tatsache, dass diese Nachricht noch keine offizielle Absicht bedeutet, sorgt sie bereits für große Unruhe in Polen.

"Der Rückzug Spaniens aus dem Irak würde für uns ein sehr ernstes Problem darstellen", sagte der Zeitung "Rzeczpospolita" Jerzy Nowak, der polnische Botschafter bei der NATO. Seiner Meinung nach sind die spanischen Soldaten, die zu dem internationalen Kontingent unter polnischem Kommando gehören, sehr gut qualifiziert und können ausgezeichnet mit den polnischen Soldaten zusammenarbeiten. Wichtig dabei ist auch die Tatsache, dass die spanischen Soldaten die kleineren Kontingente aus Mittelamerika betreuen. (...)

Premierminister Leszek Miller:

"Ich sage es ehrlich, dass, falls sich Spanien dazu entscheiden sollte, seinen Standpunkt bezüglich der europäischen Verfassung zu überdenken, die schlimmste Konsequenz für Polen die Einsamkeit wäre . Wir wären dann gezwungen, nach Lösungen zu suchen, die uns aus dieser Einsamkeit befreien können.

Der Rückzug der polnischen Soldaten aus dem Irak würde bedeuten, dass die Terroristen Recht haben, und dass sie stärker sind als die ganze zivilisierte Welt, die gegen sie kämpft. Im moralischen Sinne würde das die Opfer derjenigen in Frage stellen, die im Kampf gegen den Terrorismus ums Leben kamen, d.h. den höchsten Preis bezahlen mussten.

Ich bin der Meinung, dass wir unsere Mission im Irak erfüllen sollen. Diese Mission sollte jedoch nicht zu lange dauern, d.h. wir sollten den Irak schnellstens verlassen, jedoch erst nachdem es eindeutige Zeichen dafür gibt, dass die neue Regierung imstande ist, Verantwortung für ihr eigenes Land zu übernehmen". (...) (sta)

GAZETA WYBORCZA, poln.16.3.2004

Präsident Kwasniewski hat versichert, dass, falls Spanien seine Soldaten aus dem Irak abziehen sollte, sie nicht durch polnische Soldaten ersetzt werden. (...)

In der polnischen Zone im Irak dienen 1 300 spanische Soldaten. (...) "Wir müssen uns auf eine Situation vorbereiten, in der sich die Spanier entscheiden, einen wichtigen Teil der polnischen Zone zu verlassen", bemerkte Aleksander Kwasniewski. Er betonte jedoch, dass die ganze Zeit Gespräche über ein stärkeres Engagement der NATO im Irak stattfinden. (sta)

GAZETA WYBORCZA, 16.3.2004, poln., Jan Pawlicki

Spanien verlässt Polen auf dem Schlachtfeld um Nizza. Die neue Regierung in Spanien ist bereit, einen Kompromiss mit Deutschland und Frankreich bezüglich der europäischen Verfassung zu schließen.

Es hat kein Sinn, über einen Verrat Spaniens zu sprechen. Die Sozialisten drängten schon seit langem darauf, die Politik Spaniens gegenüber Europa zu ändern. Wir müssen aber auch schlucken, dass sie ihre Soldaten aus dem Irak abziehen wollen, was sie ebenfalls vorher ankündigten. Vielleicht bleiben aber die Spanier vor Ort, wenn die Operation im Irak nicht im Namen des Weißen Hauses, sondern im Namen der UNO oder der NATO durchgeführt wird?

Der Wechsel der Fronten stellt für uns ein Problem dar. Andererseits jedoch ist ein Kompromiss bezüglich der europäischen Verfassung besser als die Einsamkeit. Es kann viele Varianten eines Kompromisses geben, aber wir müssen einen solchen finden, der uns einen guten Platz in Europa sichert.

Wir brauchen eine Regierung, die fähig ist, einen vernünftigen Kompromiss zu schließen, eine Regierung, die die Zugeständnisse, zu denen z.B. Deutschland bereit wäre, nutzen kann und die andererseits auch die Last der Zugeständnisse auf sich nehmen kann, die Polen einräumen muss. (sta)