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Konsequenzen aus der Euro-Krise

28. Oktober 2010

Die EU-Mitglieder suchen auf ihrem Gipfel in Brüssel einen Ausweg aus dem Streit über die von Deutschland und Frankreich geforderte Änderung des EU-Vertrags. Dabei zeichnet sich ein Kompromiss ab.

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EU-Gipfel in Brüssel, an einem großen runden Tisch sitzt unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich zu ihrer finnischen Kollegin Mari Kiviniemi rüberbeugt (Foto: AP)
Merkel (r) stößt mit ihrem Vorhaben auf heftige KritikBild: AP

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy erinnerte am Donnerstag (28.10.2010) kurz vor Beginn des Gipfels noch einmal an die Euro-Krise vom Frühjahr. Damals drohte die gesamte Währungsunion, an der Verschuldung Griechenlands zu scheitern. Zur Selbstzufriedenheit gebe es keinen Grund, sagte Van Rompuy. "Wir haben die unmittelbare Schlacht um den Euro gewonnen, aber die Probleme sind noch nicht ganz verschwunden."

Merkel will Klartext sprechen

Frankreichs Präsident Sarkozy (r) und Kommissionspräsident Barroso im Gespräch (Foto: AP)
Frankreichs Präsident Sarkozy (r) will den Stimmrechtsentzug, Kommissionspräsident Barroso ist dagegenBild: AP

Im Grunde sind sich alle einig, dass der Stabilitätspakt verschärft werden muss, damit eine Situation wie im Frühjahr gar nicht wieder entsteht. Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel geht weiter. Zusammen mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy fordert sie Änderungen der Europäischen Verträge.

Zum einen sollen bei einer künftigen Rettung eines Staates auch private Gläubiger beteiligt werden - und nicht nur die Steuerzahler, wie im Falle Griechenlands. Zum anderen fordert Merkel, dass notorischen Defizitsündern vorübergehend als äußerste Disziplinierungsmaßnahme auch das Stimmrecht entzogen werden kann. Auch der Lissabon-Vertrag sehe bereits den Stimmrechtsentzug vor, wenn grundlegende Werte der Europäischen Union verletzt würden, sagte Merkel bei ihrer Ankunft in Brüssel. "Ich werde heute hier deutlich machen, dass aus meiner Sicht eine Politik, die den Euro als ganzes in Gefahr bringt, auch eine Politik ist, die an den Grundwerten der Europäischen Union rüttelt."

Alle denken mit Schrecken an Lissabon

Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer Ankunft zum EU-Gipfel, umgeben von Fotografen (Foto: AP)
Im Mittelpunkt des Interesses: Bundeskanzlerin MerkelBild: AP

Beim Stimmrechtsentzug baut sich allerdings eine gewaltige Mauer des Widerstands auf. Nicht nur fast alle Mitgliedsstaaten sind dagegen, sondern auch Kommissionspräsident José Manuel Barroso. "Das finde ich unannehmbar, und ehrlich gesagt, es wäre auch unrealistisch." Unrealistisch, schon weil Merkel dafür die Zustimmung aller 27 Mitgliedsstaaten bräuchte und nicht bekommen wird, aber auch, weil der Weg dahin äußerst langwierig wäre, wie der österreichische Finanzminister Josef Pröll zu bedenken gab. "Wir wissen, dass der Vertrag von Lissabon nur über Jahre mit starken Geburtswehen zustande gekommen ist. Wenn man Verträge wieder ändern will, dann heißt das in vielen Ländern möglicherweise Volksabstimmungen und damit Hinauszögern von konkreten Sanktionen."

Vertragsänderung "light" als Ausweg?

Doch bereits jetzt deutet sich ein Kompromiss an: Danach könnten Deutsche und Franzosen auf den Stimmrechtsentzug ganz verzichten und beim Krisenmechanismus eine Art Vertragsänderung "light" versuchen. Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt kann dem offenbar einiges abgewinnen. "Wenn Deutschland uns sagt, dass wir dazu eine Vertragsänderung brauchen, nun ja, wenn wir eine nur kleine Änderung hinkriegen, die nicht allen anderen Schwierigkeiten bereitet, dann können wir das akzeptieren."

Juristen sagen, es wäre eine Regelung beim Krisenmechanismus möglich, bei dem nur die Parlamente aller Staaten zustimmen müssten, aber nirgendwo eine Volksabstimmung notwendig wäre.

Cameron wütend über vorgeschlagene EU-Haushaltserhöhung

Der britische Premierminister Cameron (r) im Gespräch mit Italiens Ministerpräsident Berlusconi (Foto: AP)
Der britische Premierminister Cameron (r, hier mit Italiens Ministerpräsident Berlusconi) schimpft über eine geplante Erhöhung des EU-HaushaltsBild: AP

Unterdessen hat sich auch der britische Premierminister David Cameron unnachgiebig gezeigt, aber in einem ganz anderen Punkt. Kommission und Europaparlament verlangten eine sechsprozentige Erhöhung des EU-Haushalts, schimpfte der Brite. "Wenn europäische Länder einschließlich Großbritanniens harte Entscheidungen zu ihren Haushalten treffen, wäre es völlig falsch, wenn die europäischen Institutionen mehr Geld für sich selbst ausgeben sollten, wie sie es vorschlagen."

Hier geht es allerdings nicht um eine Auseinandersetzung zwischen einzelnen Mitgliedsstaaten, sondern zwischen Kommission und Parlament auf der einen Seite und den meisten Staaten auf der anderen. Aber auch diese Frage könnte in einen großen Kompromiss einbezogen werden: Man könnte zusammen mit der britischen Regierung eine möglichst geringe Budgeterhöhung durchsetzen und die Briten als Gegenleistung für eine solche Vertragsänderung "light" beim Stabilitätspakt gewinnen. Auch wenn Großbritannien außerhalb des Euro-Raums liegt, müsste es einer Vertragsänderung zustimmen.

Autor: Christoph Hasselbach

Redaktion: Pia Gram/Ursula Kissel