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Ein Schuss im All zum Unabhängigkeitstag

Dennis Stute3. Juli 2005

Zum amerikanischen Unabhängigkeitstag will die US-Raumfahrtbehörde NASA am Montag erstmals einen Krater in einen Kometen schießen. Deutsche Forscher betrachten das Projekt mit gemischten Gefühlen.

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So beschießt Deep Impact in einer Computerillustration den KometenBild: AP/NASA/Pat Rawlings

Mit der Sprengkraft von viereinhalb Tonnen TNT wird die US-Raumfahrtbehörde NASA am 4. Juli, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, für ein Feuerwerk der besonderen Art sorgen: Dann schießt die Raumsonde "Deep Impact" ein kühlschrankgroßes Projektil auf den Kometen Tempel 1. Während das Kupfergeschoss, so die Planung, einen Krater von der Größe eines Fußballstadions in den 5 mal 14 Kilometer großen Himmelskörper reißt, wird die Sonde aus einer Entfernung von 8600 Kilometern Bilder von dem Zusammenstoß zur Erde senden und sich dem Kometen eine Viertelstunde später bis auf 500 Kilometer nähern.

Der Komet könnte zerbrechen

Auch wenn dies laut NASA so schwierig ist, als wolle man eine Kugel in der Luft mit einer anderen treffen und dies von einer dritten aus fotografieren, geht Berndt Feuerbacher davon aus, dass alles plangerecht verlaufen wird. "Die dafür nötigen Berechnungen gehören heutzutage zum Standard; das macht man bei jedem Satelliteneinschuss", sagt der Leiter des Instituts für Raumsimulation im Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR). Schwerer vorauszusagen sei dagegen, ob "Deep Impact" tatsächlich, wie der Name beschwört, einen tiefen Einschlag verursachen wird: "Es ist möglich, dass gar nichts oder nur ganz wenig passiert."

Im schlimmsten Fall könnte auch viel zu viel passieren. "Es besteht durchaus die Gefahr, dass der ganze Komet auseinander fliegt", glaubt der Physiker. Denn Kometen bestünden wahrscheinlich aus kompakten Einzelteilen, wie das Beispiel des Kometen Schoemaker-Levi zeige, der 1994 durch das Schwerefeld des Jupiter in mindestens dreizehn Teile zerbrach.

Bohren statt sprengen

Die "aggressive Vorgehensweise" betrachtet Feuerbacher mit einem gewissen Unbehagen. Zwar bestehe für die 133 Millionen Kilometer entfernte Erde keinerlei Gefahr, aber: "Das Ding in die Luft zu sprengen, halte ich für falsch. Wir sollten vorsichtiger mit den Objekten in unserem Planetensystem umgehen." Er selbst geht einen behutsameren Weg: Sein Institut für Raumsimulation koordinierte die Entwicklung des Landeroboters Philae, der an Bord der Raumsonde Rosetta seit März auf dem Weg zu dem Kometen Tschurjumow-Gerasimenko ist und dort im Jahr 2014 aufsetzen soll, um Proben zu entnehmen.

Zeitreise von viereinhalb Milliarden Jahren

Auch Herbert Scheingraber vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik spricht etwas abfällig von "der Mentalität, dass man erst einmal draufschießt." Gleichwohl könne man aus dem Experiment etwas darüber lernen, wie das Sonnensystem in seiner ursprünglichen Form ausgesehen habe. Denn Kometen kämen aus der oortschen Kometenwolke am Rand des Systems, wo sie sich - anders als die Planeten - in den vergangenen 4,5 Milliarden Jahren kaum verändert hätten. Durch eine Spektralanalyse der riesigen Staub- und Eiswolke, die bei dem Zusammenprall entstehen soll, können die Forscher feststellen, aus welchen Elementen Tempel 1 besteht. "Daraus kann man dann Schlüsse ziehen, aus welchem Material unser Sonnensystem entstanden ist", erklärt der Astrophysiker.

Bausteine des Lebens am Rande des Weltalls?

Spannend sei dabei vor allem, ob der Komet organische Moleküle enthalte, sagt Berndt Feuerbacher vom DLR. Wenn Aminosäuren und Proteine gefunden würden, wisse man, dass diese Bausteine des Lebens schon im interstellaren Raum vorgebildet waren und nicht erst auf der Erde entstanden. "Daraus können wir dann schließen, dass, wenn es woanders im Universum Leben gibt, es ähnlich ist wie bei uns."

Bei aller Kritik sei das umgerechnet 266 Millionen Euro teure NASA-Experiment durchaus spannend, findet Feuerbacher: "Wir werden das genau beobachten - von Rosetta aus." Die europäische Raumsonde wird die Kollision aus rund 80 Millionen Kilometer Entfernung verfolgen.