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2012 ein schlimmes Jahr für die Pressefreiheit

Hendrik Heinze19. Dezember 2012

Ein Bericht von "Reporter ohne Grenzen" belegt es, ein Syrien-Experte und leidvolle DW-Erfahrungen bestätigen es: Mit 141 getöteten Journalisten und Medienmachern war 2012 das schlimmste Jahr seit langem.

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Pakistanische Journalisten protestieren in Karachi gegen die Behinderung ihrer Arbeit (Archivfoto vom 16.03.2007. Foto: Nadeem Khawer/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"2012 war ein außerordentlich tödliches Jahr", schreibt "Reporter ohne Grenzen" (ROG). Insgesamt 141 Journalisten, Blogger und Medienmitarbeiter seien aufgrund ihrer Arbeit getötet worden. Im nun veröffentlichten Jahresbericht spricht die Organisation von sechs Medienmitarbeitern und 47 Bloggern - der Bericht nennt diese auch "Bürgerjournalisten". Außerdem starben 88 Journalisten bei der Ausübung ihres Berufes - so viele wie noch nie seit Einführung der ROG-Jahresbilanzen im Jahr 1995.

"Die 88 Journalisten verloren ihr Leben, als sie von Kriegsschauplätzen und Bombenangriffen berichteten", heißt es in dem Bericht. "Oder sie wurden ermordet vom organisierten Verbrechen oder von Drogenschmugglern, von militanten Islamisten oder auf Anweisung korrupter Beamter."

Zum Beispiel Al Husseini Abu Dief

Niedergeschossen wurde Anfang Dezember auch der ägyptische Journalist Al Husseini Abu Dief, während er Unruhen in Kairo filmte. Der 33-jährige Bildjournalist der Tageszeitung Al-Fagr war nach einem Medientraining der DW-Akademie zum Präsidentenpalast aufgebrochen. Dort wollte er die Zusammenstöße zwischen Unterstützern und Gegnern des Präsidenten filmen. Nach Angaben eines Augenzeugen wurde Al Husseini Abu Dief aus nächster Nähe von einem Unbekannten angeschossen. Sechs Tage nach der Tat starb er an seinen schweren Verletzungen.

Der ägyptische Bildjournalist Al Husseini Abu Dief wenige Tage vor seinem Tod im Dezember 2012. Abu Dief wurde von einem Unbekannten erschossen, als er Ausschreitungen vor Kairos Präsidentenpalast filmen wollte (Foto: Nasir Al-Jezairi)
Wurde erschossen, als er Unruhen filmte: Al Husseini Abu DiefBild: DW Akademie/Nasir Al-Jezairi

Besonders gefährlich war 2012 für Bürgerjournalisten, Blogger und Internetberichterstatter. Im Vorjahr starben fünf - nun waren es weltweit 47 Menschen, allein in Syrien starben 44. "In Syrien haben viele versucht, die Informationssperre des Regimes zu durchbrechen", erklärt Ulrike Gruska von "Reporter ohne Grenzen", "indem sie Informationen aus dem Land schleusten, sei es in Form von Blogs oder Videonachrichten oder Handyvideos. Und darauf mussten wir uns bei unserer Berichterstattung in Deutschland über Syrien ganz zentral verlassen, weil es kaum professionelle Journalisten vor Ort gab."

Journalistenfriedhof Syrien

"Friedhof für Journalisten", diesen traurigen Titel gibt Reporter ohne Grenzen dem umkämpften Land. "Das Problem der syrischen Kollegen ist, dass sie sehr sehr oft zwischen die Fronten geraten", erläutert Nils Metzger, Redakteur beim Orient-Fachmagazin Zenith. "Für viele Rebellen zählen Angestellte des staatlichen Fernsehens nicht als neutrale Beobachter des Krieges. Insbesondere islamistische Gruppen haben gezielt Journalisten staatlicher syrischer Medien angegriffen, entführt und hingerichtet."

Der syrische Journalist Mazen Darwish auf einer Aufnahme von 2010 (Foto: Mazen Darwish)
Ohne Lebenszeichen: Der syrische Journalist Mazen DarwishBild: Mazen Darish

Auch Mitarbeiter russischsprachiger Medien seien in großer Gefahr, sagt Metzger, der zuletzt im Oktober 2012 in Syrien recherchierte. Beispiele für Übergriffe der Regierungstruppen nennt er ebenfalls, etwa die Bombardierung eines Pressezentrums der Opposition. Insgesamt 65 Medienschaffende starben in Syrien 2012 in Ausübung ihres Berufes. 21 wurden eingesperrt, darunter Mazen Darwish. "In Syrien Journalist zu sein ist wie ein Gang auf ein Feld voller Minen", beschrieb Darwish einmal den journalistischen Alltag in seiner Heimat. "Niemand kann sagen, wann eine Mine hochgehen wird." Der 38-Jährige gründete unter anderem ein "Syrisches Zentrum für Medien- und Meinungsfreiheit". Im Februar 2012 wurde Darwish verhaftet. Wo er seitdem gefangen gehalten wird, ist unbekannt. Reporter ohne Grenzen ehren Darwish nun mit einem Preis für seinen Mut und seinen Einsatz. Preisträger 2012 ist auch die afghanische Tageszeitung "8Sobh", zu Deutsch "Acht Uhr morgens".

Brasilien: WM-Fieber und Journalistenmorde

Schattenrisse von drei Kameraleuten bei der Arbeit (Foto: sahua)
141 Journalisten, Bürgerjournalisten und Medienmacher starben 2012, weil sie ihre Arbeit machtenBild: Fotolia/sahua d

Ein "schwarzes Jahr" konstatiert der Bericht für Somalia, wo 18 Journalisten starben, so viele wie nie zuvor in einem Jahr. In Pakistan wurden zehn Journalisten und ein Medienmitarbeiter getötet. Das Land sei bereits seit Jahren einer der gefährlichsten Arbeitsorte für Journalisten, schreibt ROG.

Auch in Mexiko leben Journalisten gefährlich - vor allem, wenn sie über das organisierte Verbrechen schreiben, also über Drogenhandel und die Verbindungen zwischen Verbrecherbossen und Staatsdienern. Sechs Journalisten starben hier 2012. Zu den gefährlichsten Ländern zählt Reporter ohne Grenzen auch Brasilien - immerhin Austragungsort der Fußball-WM 2014 und der Olympischen Sommerspiele 2016. Hier starben fünf Reporter - zwei wurden allem Anschein nach ermordet, weil sie Fälle von Drogenschmuggel recherchierten.

Nie zuvor so viele Journalisten im Gefängnis

Auch die anderen von ROG ermittelten Zahlen geben Anlaß zu tiefer Sorge: Mehr als 1000 Journalisten und Blogger wurden 2012 festgenommen. Knapp 2000 Reporter wurden bedroht oder angegriffen.

In Gefängnissen sitzen derzeit weltweit 193 Journalisten, 70 allein in der Türkei. Bei 42 davon sind sich die ROG sicher, dass ein Zusammenhang mit ihrem Beruf besteht. Auch China sperrt Journalisten und Bürgerjournalisten ein - derzeit sind es knapp 100, die meisten davon für lange Jahre und unter üblen Bedingungen. Oft stünden hinter den Urteilen korrupte Regionalbeamte, die sich so ihrer schärfsten Kritiker entledigten.

"Eritrea sperrt Journalisten ein und lässt sie verrotten"

Im ostafrikanischen Eritrea befinden sich derzeit 28 Journalisten im Gefängnis - teilweise in Einzelhaft und in unterirdischen Zellen, heißt es. Der ROG-Bericht formuliert an Eritrea seine wohl deutlichste Kritik: "Als eine der letzten totalitären Diktaturen und als Schlusslicht in unserem Index für Pressefreiheit sperrt Eritrea Journalisten ein und lässt sie im Gefängnis verrotten. Und das schon beim geringsten Verdacht, diese könnten eine nationale Bedrohung sein oder regierungskritische Ansichten haben."

Gefährlich leben Journalisten auch in anderen Staaten: Oman und Kuba etwa seien gegen regierungskritische Blogger vorgegangen, heißt es. Harsche Vorwürfe macht der Bericht auch dem Iran. In Afrika gebe vor allem Malis Norden Anlaß zur Sorge. Kritik an westlichen Staaten hat der Bericht nicht vorzubringen.