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Umberto Eco

5. Januar 2007

Bestsellerautor Umberto Eco wird 75 Jahre alt. Der Vater von Romanen wie "Der Name der Rose" gilt als einer der führenden Intellektuellen Italiens. Doch von Altersruhe will der streitbare Professor nichts wissen.

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Umberto Eco (Quelle: AP)
Bestsellerautor und streitbarer Intellektueller: Umberto EcoBild: AP

Er selbst nannte sich einmal einen "Meister der Vernebelung". Mit Recht. Kein anderer Schriftsteller mit Millionenauflagen liefert derart raffinierte, verschlungene und packende Romane wie Umberto Eco – spannend wie Krimis und doch zugleich gespickt mit Hintersinn, voller Geistesblitze und kulturhistorischer Bezüge. Über die traditionelle Unterscheidung zwischen ernster Literatur und Unterhaltung kann der Italiener nur lachen. Weit über 15 Millionen Mal wurde "Der Name der Rose" verkauft, dieser fesselnde Kloster-Thriller, der den Leser ganz nebenbei tief in die Gedankenwelt des Mittelalters eintauchen lässt. Umberto Eco ist einer der großen Autoren unserer Zeit, am 5. Januar wird er 75 Jahre alt – nur den Nobelpreis gab es bislang noch nicht.

Der Sohn eines Buchhalters aus dem norditalienischen Alessandria studierte Philosophie in Turin, arbeitete zunächst für Medien und Verlage. Als Philosoph, Ästhet und Sprachwissenschaftler prägte er entscheidend die moderne Semiotik. Diese Zeichenlehre untersucht nicht nur Kommunikationsprozesse, sie liefert auch Interpretationsmuster für literarische Werke und kann bisweilen sogar als Lebensphilosophie dienen. 1975 erhielt Eco in Bologna an der ältesten Universität Europas den weltweit ersten Lehrstuhl für Semiotik.

"Nichts ist so dramatisch und komisch wie die Wirklichkeit"

Buchcover "Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana"
Ecos neuester Roman: "Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana"

Seine erfolgreiche literarische Arbeit begann erst Ende der siebziger Jahre, doch gleich sein erster Roman "Der Name der Rose" (1980) wurde ein Bestseller. Es folgten "Das Foucaultsche Pendel", "Die Insel des vorigen Tages", "Baudolino" und zuletzt "Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana".

Ecos Romane sind komplizierte Geflechte von Erzählhandlung, zeichentheoretischen Reflexionen sowie kultur- und philosophiegeschichtlichen Fragen. Gerade darin liegt aber auch der Grund für ihren breiten Erfolg. Gemäß Ecos Konzept von der Offenheit der Kunst entsteht das Kunstwerk unter Beteiligung des Lesers und gewinnt in jeder persönlichen Interpretation eine eigene Bedeutung, so dass ein und dasselbe Werk für die einen ein hochphilosophisches Traktat und für die anderen ein hochspannender Krimi ist.

Doch der Fabulierer Eco bleibt bescheiden: "Ein Erzähler kann nichts erfinden, was der Dramatik und Komik der Wirklichkeit auch nur annähernd gleichkäme", heißt das Rezept des Professors. "Je tiefer wir die Geschichte erforschen, auf umso mehr unglaubliche, romanhaft anmutende Situationen stoßen wir, auch der kreativste Kopf könnte sich so etwas nicht ausdenken."

Streitbarer Linksintellektueller

Szenenbild aus der Verfilmung vom "Namen der Rose" (zeigt Sean Connery)
Auch die Kinofassung von Ecos Roman "Der Name der Rose" (mit Sean Connery) wurde zum KassenschlagerBild: dpa

"Keiner glaubt mir, dass ich beim Romanschreiben nicht an die Theorie denke", sagte der Bestseller-Autor, der in seiner Mailänder Wohnung eine Bibliothek von über 20.000 Büchern besitzt. "Dabei ist es wie in einem Film von Hitchcock. Bei einer guten Ausgangssituation läuft die Geschichte von selbst. Ein Roman schreibt sich von allein." Das fällt schwer zu glauben, besteht doch die Faszination der Literatur Ecos gerade in der überbordenden Fülle von Zitaten, ironischen Anspielungen und historischen Querverweisen. Das mögen manche Kritiker zuweilen als "Bildungsschnitzeljagd" verspotten -, die Leser lieben das, und fühlen sich als Komplize eines geistreichen Spiels.

Der wohl berühmteste italienische Intellektuelle ist auch der fleißigste, verfasste Dutzende wissenschaftliche Werke, arbeitet noch heute als Zeitungs-Kolumnist. Eco, der seit 1962 mit der deutschen Grafikerin Renate Ramge verheiratet ist und mit ihr zwei erwachsene Kinder hat, gilt als streitbarer Linksintellektueller. Er sympathisiert mit den Zielen der Globalisierungsgegner, auch wenn er deren Militanz nicht billigt. Zudem ist er ein engagierter Gegner des inzwischen abgewählten italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Noch vor dessen Wahlniederlage im April 2006 hatte Eco angekündigt, dass er bei einem erneuten Wahlsieg Berlusconis ins freiwillige Exil gehen würde.

Eco: Viele Intellektuelle erzählen "Unsinn"

Obwohl sich Eco immer wieder zu Wort meldet, zu allem äußern will er sich trotzdem nicht. Es gebe einen allgemeinen Niedergang, einen Verlust der Ideologien und Parteien, was dazu führe, dass viele Intellektuelle zu professionellen Orakeln würden. "Da sie aber nicht über alles Bescheid wissen, erzählen sie Unsinn, der auch noch Einfluss gewinnt", sagte er in einem Interview.

Seine Altersruhe wolle er am liebsten in einem kleinen Dorf im Piemont verbringen, sagte er vor Jahren. Doch derzeit lebt Eco in einem ehemaligen Hotel in Mailand gegenüber dem Sforza-Palast. Ein beschauliches Rentnerdasein kann man sich bei Eco ohnehin nicht vorstellen. "Ich bin eine polychrone Persönlichkeit", erklärte er. "Ich beginne viele Dinge zur gleichen Zeit und verschmelze sie dann so, dass eine Verbindung unter ihnen entsteht. Wenn ich nicht viel zu tun habe, dann bin ich verloren." (rri)