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Ein polnischer Exportschlager

12. Juli 2004

- Fast 500 Priester aus Polen arbeiten in Deutschland

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Warschau, 8.7.2004, WIRTUALNA POLSKA, poln.

Die Deutschen importieren aus Polen außer Milch und Rindfleisch noch katholische Priester. Die polnischen Priester müssen sich als einzige Berufsgruppe an keine Übergangszeit in Deutschland halten.

In Deutschland wie übrigens auch in ganz Europa gibt es eine tiefe Religionskrise. Die Diözesen werden immer kleiner und die Zahl der Berufungen sinkt rapide. Im letzten Jahr erhielten in ganz Deutschland lediglich 161 Personen die Priesterweihe, wobei diese Zahl noch vor 15 Jahren 336 betrug. (...)

Die Deutsche Bischofskonferenz bietet um Hilfe im Vatikan. (...) Bisher aber müssen sich die Deutschen mit dem "Import von Priestern" retten. Polen ist seit Jahren der "natürliche Lieferant" von Geistlichen. Schon heute arbeiten in Deutschland fast 500 Priester aus Polen und 350 davon in den deutschen Kirchen. "Die Kirche muss das teilen, was sie besitzt", erklärt Priester Stanislaw Budyn, der Rektor der polnischen katholischen Mission in Deutschland, und fügt hinzu: "Wir haben eine ziemlich gute Theologieausbildung und viele Priester".

Wie kann man Arbeit in einer deutschen Diözese finden? Die Rekrutierung beginnt mit einem deutschen Bischof, der eine Bitte an Polen sendet, einige Priester nach Deutschland zur Arbeit zu schicken. Dann verkündet ein polnischer Bischof das Arbeitsangebot und wartet auf Freiwillige. Das Interesse hält sich jedoch in Grenzen: "Man kann nicht behaupten, dass es einen Andrang von Priestern gibt", sagt Priester Jozef Pawliczak, der Kanzler der Kurie in Katowice (Kattowitz).

Der ausgewählte Kandidat muss dann einen Antrag auf Arbeitserlaubnis in Deutschland stellen und zu dem Visumsantrag muss er noch die Erlaubnis des zuständigen Bischofs, des Episkopates sowie die Bestätigung über die Arbeitsaufnahme in Deutschland vorlegen.

Das Zentralbüro für Arbeitsvermittlung für Ausländer, das seinen Sitz in Köln hat, überprüft bei der Kurie, ob wirklich Bedarf an ausländischen Priestern besteht.

Das letzte Wort hat sowieso der zuständige Bischof in Deutschland. Er zahlt nämlich später das Gehalt, das nach Steuern bei etwa 1 000 Euro liegt (In Polen wird abhängig von der Region zwischen zwei und vier tausend Zloty bezahlt). Der Geistliche muss davon die Kosten für seine Ernährung, Telefon und bei Bedarf auch die Autokosten begleichen. Er genießt jedoch wie jeder andere Beschäftigte den sozialen Schutz in Deutschland.

Die polnischen Priester in Deutschland werden sowohl in den polnischen als auch in den deutschen Diözesen gesucht. Vor der Ausreise sollte der Priester also seine Ziele klarstellen: "Die Polen in Deutschland suchen das, was sie selbst vermissen, d. h. einen Geistlichen, mit dem sie in Polen zu tun hatten", erklärt Priester Andrzej Glowacki aus Braunschweig.

Aber diejenigen, die den Deutschen das Evangelium näher bringen sollen, stoßen auf manche Komplikationen. Der Kontakt mit den Gläubigen wird natürlich durch einen entsprechenden Namen erleichtert, d. h. einen einheimischen, deutschen Namen. Noch vor 1989 garantierte die deutsche Abstammung auch eine Arbeitsstelle in einer deutschen Diözese. Heute ist das nicht mehr so wichtig. Gleichwohl aber hat der deutsche Name bei der Auswahl eine Bedeutung: "Manche Priester haben Familie in Deutschland und aus diesem Grunde reisen sie auch selbst gern aus", sagt Priester Zbigniew Zalewski, Leiter der katholischen Zeitung "Gosz Niedzielny" in Opole (Oppeln).

Ähnlich wie im Falle anderer Polen, die auf Arbeitssuche in das Innere der EU ausreisen, reicht es auch hier nicht allein aus, studiert zu haben. Man muss noch etwas mehr vorweisen können. "Es ist gut, wenn der Kandidat früher auch in Deutschland studierte. Solch ein Priester kennt auch die ganze theologische Terminologie und kann sich in die einheimische Kultur einleben", sagt Priester Andrzej Mittmann, der seit neun Jahren im Ausland arbeitet, d. h. zuerst in Holland und jetzt in der deutschen Stadt Erfurt tätig ist.

"Es reicht nicht aus, die Werke von Goethe, Kafka oder Mann zu kennen um deutsche Gläubige zu überzeugen", sagt Priester Budyn. "Die Kenntnisse der deutschen theologischen Literatur sind hierbei die Grundlage", fügt Priester Mittmann hinzu.

Bei der Wahl einer deutschen Diözese darf man die hiesigen Gegebenheiten nicht vergessen: In den nördlichen Bundesländern z. B. muss man auf die häufigen ökumenischen Kontakte mit den Protestanten vorbereitet sein. In Bayern hingegen ist das nicht notwendig.

Bei der Frage nach den Deutschkenntnissen herrscht eine geteilte Meinung: "Deutsch muss man wie die eigene Muttersprache beherrschen", sagt Priester Alfons Skowronek, Professor der Theologie (...) "Aber wenn, ein polnischer Priester nicht imstande ist, in der Rubrik Deutschkenntnisse ‚perfekt‘ zu schreiben, muss er Sprachkurse absolvieren und auf die Nachsicht der Gläubigen zählen" sagt Priester Mittmann

Sehr wichtig sind aber auch die Kenntnisse der Mentalität deutscher Katholiken und des geistigen Klimas. Ein Fehler der polnischen Priester ist, den Marienkult nach polnischem Muster nach Deutschland zu transponieren", warnt Priester Skowronek. (...)

Die Geistlichen aus Polen müssen sich auch im klaren sein, dass der Status deutscher Diözesen anders ist. In Deutschland wird es als ein Amt, d. h. "Pfarramt" bezeichnet. Der Priester verwaltet die Diözese mit Laien zusammen und sie beeinflussen die finanziellen und die religiösen Angelegenheiten der Diözese. "Es gibt Priester, die damit nicht fertig werden", sagt Priester Budyn.

Priester Andrzej Mittman ist der Ansicht, dass die Deutschen im Vergleich zu den Holländern eher konservativ sind. (...)

Die Formalitäten, um in Deutschland als Priester arbeiten zu dürfen, sind also nicht so schwierig, aber die Anforderungen, die an die Kandidaten gestellt werden, sind enorm groß. Die Übergangsphasen beim Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt betreffen keine Priester: Wenn ein deutscher Bischof einen Kandidaten nimmt, dann wird ihm auch eine Arbeitsstelle garantiert. "Bei uns herrscht überhaupt keine Arbeitslosigkeit", sagt Priester Zalewski.

Etwa 100 polnische Priester haben langjährige Arbeitserlaubnisse in Deutschland. Sie arbeiten hauptsächlich mit polnischen Gläubigen. Manche von ihnen dürfen 10, 15 und einige sogar 25 Jahre in Deutschland arbeiten. Der Aufenthalt dieser Priester wird durch ein Abkommen zwischen der Polnischen und der Deutschen Bischofskonferenz geregelt.

Etwa 350 polnische Priester arbeiten in Deutschland aufgrund von Arbeitserlaubnissen, die für fünf oder acht Jahre gültig sind. Das sind hauptsächlich die sogenannten "Gastpriester", die die fehlenden deutschen Priester vertreten. Die Arbeitsbedingungen werden jedoch einzeln erarbeitet und zwar von der Diözese, die diese Priester eingeladen hat. (sta)