Ein Platz an der Sonne: Politiker und der Sport
Am Sonntag besucht Angela Merkel die deutsche Fußballnationalmannschaft. Nur eine PR-Aktion? Fakt ist: Schon immer sonnten sich deutsche Politiker im Glanz von Spitzensportlern. Manchmal ging das auch nach hinten los.
Emotional wie nie
Dass die Kanzlerin die Nähe von Deutschlands liebsten Kickern sucht, ist nicht neu. Bei Weltmeisterschaften ist sie regelmäßiger Tribünengast, wie hier 2014 in Brasilien. Dort erlebt man sie so emotional wie sonst nie. In der Nähe manchmal auch: zwielichtige Personen des Fußballs, wie der schon damals umstrittene und inzwischen suspendierte Fifa-Präsidenten Blatter.
Halbnackt mit Kanzlerin
Die Kabine ist Fußballern heilig. Nicht jedem gefällt es, wenn dieser intime Raum für Inszenierungen genutzt wird. Sichtlich verlegen schüttelt hier Mesut Özil der Kanzlerin die Hand, die nach einem Heimspiel gegen die Türkei die Nähe des türkischstämmigen Gelsenkircheners sucht. Ob Özil jemals gefragt wurde, ob er als Musterbeispiel der Integration vermarktet werden möchte, ist nicht überliefert.
"Für meinen Präsidenten"
2018 erschienen höchst umstrittene Fotos von Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Gündogan widmete sein Trikot gar "meinem Präsidenten". Das geschah kurz vor den Wahlen in der Türkei. Beide deutsche Nationalspieler mussten um ihr Image bangen und Abbitte leisten.
Canossa-Gang nach Bellevue
Wenige Tage später waren Gündogan und Özil bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Berlin eingeladen. Es wirkte wie ein Bußgang. Die politische Botschaft, die Steinmeier dabei aussendete war klar: Im Herzen mögen die beiden türkisch sein, aber ihr Präsident bin ich.
Bundeskanzler non grata
Er war der erste, der die Nationalmannschaft als PR-Mittel entdeckte. Ungefragt reiste Helmut Kohl zum Finale der WM 1986 nach Mexiko, dass die DFB-Elf mit 2:3 gegen Argentinien verlor. Kohls Reise auf Steuerzahlerkosten wurde scharf kritisiert, und nicht alle Kicker hatten Lust auf Umarmungen des Kanzlers. Dass nur ein halbes Jahr später die Bundestagswahl anstand - wohl auch kein Zufall.
Vom Pechvogel zum Glücksbringer
Vier Jahre später war Kohl dann in offizieller Mission beim WM-Finale in Rom. Im Zuge der sich vollziehenden deutschen Einheit waren seine Popularitätswerte ohnehin hoch wie nie, deshalb war diesmal keine Kritik zu hören. Zudem brachte der Kanzler diesmal auch Glück: mit 1:0 gelang die Revanche gegen Argentinien. Kohl gratulierte Teamchef Beckenbauer zum WM-Titel.
Nicht nur Fußball
Hier trifft sich Bundespräsident Richard von Weizsäcker 1985 im Aktuellen Sportstudio mit Tennisspieler Boris Becker, der wenige Tage zuvor mit seinem Wimbledonsieg zum Nationalhelden geworden war. Ob Weizsäcker es nötig hatte, sich im Erfolg des Stars zu sonnen, darf bezweifelt werden: Laut Umfragen ist er der bislang beliebteste Bundespräsident überhaupt. Und das wohl nicht wegen Boris Becker.
Dopingvorwürfe? Nichts hören, nichts sehen!
Dieses Bild dürfte er heute bereuen: SPD-Politiker Rudolf Scharping suchte die Nähe zu Jan Ullrich, dem Tour-de-France-Sieger von 1997. Scharping wurde später Funktionär beim Radfahrerbund. Die schon damals wabernden Dopinggerüchte im Radsport ignorierte er geflissentlich. Als "Ulle" und seine Kollegen Jahre später endgültig überführt wurden, waren die Politiker längst weg.
Das "schönste Gesicht des Sozialismus"
Auch im DDR-Unrechtsregime spielte der Sport eine gewichtige Rolle. Mit Sport wurde sogar Politik gemacht, um die vermeintliche Überlegenheit gegenüber dem Westen zu demonstrieren. Eiskunstläuferin Katharina Witt, hier mit DDR-Staatschef Erich Honecker, galt als sozialistische Vorzeigeathletin und genoss Privilegien. Das bringt ihr bis heute Kritik ein.
Vom Kanzleramt in die Bundesliga
Als großer Fußballfan inszenierte sich Gerhard Schröder, Bundeskanzler von 1998-2005. Der ehemalige Mittelstürmer (Spitzname: "Acker") unterstrich damit sein Kämpferimage. Heute ist der Niedersachse Aufsichtsratvorsitzender beim Bundesligisten Hannover 96. Die Vorstandsarbeit kritisch zu überprüfen, dürfte ihm mitunter schwer fallen: Club-Chef Martin Kind ist sein guter Freund und Tennispartner.
Rhetoriker am Mikro
Zum Abschluss ein Beispiel, welch bunte Blüten die Nähe zwischen Politik und Fußball mitunter treibt: Edmund Stoiber und Theo Waigel als Kommentatoren. Der damalige bayrische Ministerpräsident Stoiber - eingefleischter Bayernfan - und der damalige Bundesfinanzminister - Fan von 1860 München - hatten sichtlich Spaß beim Münchener Lokalderby der beiden Mannschaften im Olympiastadion.